Rhein-Berg – Das fängt ja gut an. Die 1000-Schritte-Tour zur Bundestagswahl startet mit einer Suche. Isabelle Casel, die Direktkandidatin der Linken für Rhein-Berg, wartet auf dem katholischen Friedhof in der Gladbacher Stadtmitte auf die Reporter. Die stehen aber am anderen Ende der Stadtmitte, am evangelischen Friedhof am Quirlsberg. Macht nichts, fünf Minuten später als geplant geht es los. Leider nicht bei Sonnenschein, sondern im strömenden Regen.
Das Ehrenmal ist der Ausgangspunkt, Erinnerung an die im Zweiten Weltkrieg in Bergisch Gladbach zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter aus Polen und Russland. Persönliche Kriegserfahrungen ihrer Mutter und Großmutter seien Antrieb für ihre Friedensarbeit, sagt die Kandidatin, die sich seit vielen Jahren stark in der Friedensbewegung engagiert.
Mitglied seit Gründung der Partei 2005
Isabelle Casel, Mitglied der Linken seit Gründung 2005 und vor drei Jahren von Bonn nach Bergisch Gladbach gezogen, erklärt die Haltung ihrer Partei, eine Friedensordnung mit Russland aufzubauen. „Wir wollen die Nato auflösen“, sagt sie, das Bündnis mache aggressive Politik „Ohne Frieden ist alles nichts. Frieden ist die Voraussetzung.“ Isabelle Casel sieht ihn gefährdet, auch durch die Vielzahl an Atomwaffen in der Welt.
„1000 Schritte zur Bundestagswahl“: Spaziergänge, bei denen Redaktionsmitglieder mit den Direktkandidaten der im Bundestag oder Rhein-Bergs Räten vertretenen Parteien über ihren Weg in die Politik, ihre Ziele und Arbeit sprechen, kann man im Internet kostenlos anhören und herunterladen – im Podcast von Bergischer Landeszeitung, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Radio Berg.
Die „Atomare Uhr“, die die Wahrscheinlichkeit eines Dritten Weltkriegs vorhersage, stehe auf 26 Sekunden vor Zwölf, so nah wie nie zuvor an einem Kriegsausbruch. Den militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sieht Isabelle Casel wie einen Zank in der Ehe. „Zu einem Streit gehören auch immer zwei.“
Krankenhäuser nur noch staatlich oder gemeinnützig
Unsere kleine Tour geht weiter zum Marienkrankenhaus. Gerade in Corona habe die Gesellschaft erkannt, wie wichtig das Gesundheitssystem sei. „Da muss sich vieles verändern“, fordert Isabelle Casel, die auch bei der Kleiderwahl programmatisch unterwegs ist: Sie trägt zur 1000-Schritte-Tour ein „Viva-la-Rebelion“-Shirt, das an Revolutionär Che Guevara erinnert.
Der Lohn der Pflegekräfte solle um 500 Euro erhöht und 100.000 neue Pflegekräfte in Deutschland eingestellt werden. „Die Wertschätzung muss zunehmen“, sagt sie. Krankenhäuser sollten nur in kommunaler oder gemeinnütziger Hand sein, Konzerne im Gesundheitsbereich nicht mitmischen.
Freischaffende Künstlerin und Publizistin
Natürlich wolle die Linke keine Planwirtschaft zurück. Aber einen demokratischen Sozialismus, den können sie sich vorstellen. Isabelle Casel schaut dafür in andere Regionen der Welt: Die indigenen Völker Lateinamerikas müssten vom Erwirtschafteten leben können, fordert sie. Der Regenschirm klappt nach kurzer Pause wieder auf, der Niederschlag wird stärker.
Im Smalltalk geht es vorbei am Bürgerhaus Bergischer Löwe zur „Weltfriedakademie“ im Park. Isabelle Casel ist freiberuflich als Kunstschaffende und Publizistin tätig, die Förderung des Kulturbereichs ein Anliegen. Die Kunstaktion im Park verbinde das Kreative mit dem Friedensanliegen, das gefalle ihr. „Gut, dass wir hier vorbeigegangen sind.“
Urlaubsanspruch erhöhen und Arbeitsstunden senken
Es wird trockener, als wir uns dem Pförtnerhaus von Zanders nähern. Noch kurz vor der Schließung Ende April habe ihre Partei mit dem Betriebsrat gesprochen. „Hier geht es um 400 Arbeitsplätze.“ Der jüngste Anlauf von ehemaligen Zandrianern, auf dem Gelände weiter produzieren zu wollen, müsse unterstützt werden.
Noch einmal bekräftigt die Kandidatin die Kapitalismuskritik, weltweit müsse die Ausbeutung gestoppt werden. In Deutschland solle das Grundeinkommen für alle kommen, die Zahl der Arbeitsstunden verringert und der Urlaubsanspruch von 24 auf 36 Tage erhöht werden, der Mindestlohn auf 13 Euro steigen. Ein neuer Arbeitsbereich sozialer oder ehrenamtlicher Arbeit könne viele neue Arbeitsplätze schaffen. Andererseits sollten Vermögende mehr zahlen.
Wahlkampf mit ehrenamtlichem Team
Wir sind an der Gladbacher Stadtbücherei angekommen. Bildung – Isabelle Casel plädiert für die Einführung der Gemeinschaftsschule, für die Einstellung von 100.000 neuen Lehrern und für Schulsozialarbeiter an allen Schulen. Das Programm der Linke sei ein Angebot gegen die Bildungsmisere.
Und wen würde Isabelle Casel am 26. September wählen? Zwischen Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) fällt ihr die Entscheidung schwer. „Eher Scholz“, meint sie schließlich. Ihr Wahlkampf werde von Ehrenamtlern getragen, was es gegen Politprofis wie Hermann-Josef Tebroke (CDU) und Christian Lindner (FDP) schwer mache. Auf der Landesliste belegt Isabelle Casel Platz 19. Zum Einzug in den Deutschen Bundestag müssten zwölf Prozent die Linke wählen, sagt sie. Daran werde in den nächsten Wochen gearbeitet.
Direktkandidaten
Um das Direktmandat für den Bundestag im Wahlkreis 100/Rheinisch-Bergischer Kreis bewerben sich bei der Bundestagswahl am 26. September Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU), Kastriot Krasniqi (SPD), Christian Lindner (FDP), Maik Außendorf (Grüne), Dr. Harald Weyel (AfD), Isabelle Casel (Linke) , Uwe Wirges (Freie Wähler), Markus Blümke (Volt) und Helga Aufmkolk (Die Basis). (wg)
Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete der Linken, kommt am Mittwoch, 22. September, ab 18.30 Uhr zum Wahlkampf mit Isabelle Casel auf den Marktplatz nach Bergisch Gladbach.