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Pfeiflärm endet am 31. JuliDeutsche Bahn macht Übergang für 50.000 Euro sicherer

Lesezeit 4 Minuten

Der Bahnübergang an der Siegburger Straße bleibt erhalten, die Bahn hebt aber den Pfeifzwang zum Monatsende auf.

Overath – Diese Nachricht aus dem Overather Rathaus ist eine Sensation: Die unendliche Geschichte um den Pfeiflärm am unbeschrankten Bahnübergang Siegburger Straße endet am 31. Juli, also am Freitag kommender Woche. „In vielen guten Gesprächen mit der DB ist es gelungen, das Pfeifen der RB 25 am unbeschrankten BÜ Siegburger Straße ab dem 1.8.2020 einzustellen“, teilt Bürgermeister Jörg Weigt mit.

Vom 27. Juli bis 8. August werde die Bahn am Übergang arbeiten. Weigt: „Der Oberflächenbelag, die Umlaufsperren sowie die Beschilderung werden erneuert.“ In der Zeit werde der Übergang gesperrt sein.

Hundert Dezibel

Wer die scheinbar unendliche Geschichte des Konfliktes um den Übergang kennt (siehe Kasten), mag die von der Bahn auf Anfrage bestätigte Nachricht kaum glauben. Der nur für Fußgänger geöffnete Übergang über die eingleisige Oberbergische Bahn verkürzt den Weg vom Wohngebiet am Klarenberg ins Zentrum. Bislang gilt für die Lokführer die Anweisung, zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Warnpfiff abzugeben, wenn sie sich der Stelle nähern, an der am 2. Mai 1979 ein 13-jähriger Junge von einer Bahn überrollt und getötet wurde.

Seit 2012 Anwohner erstmals öffentlich gegen den bis zu hundert Dezibel betragenden Pfeiflärm protestiert haben, wurde immer wieder nach möglichen Lösungen gesucht, die aber als zu teuer und nicht finanzierbar verworfen wurden.

Chronologie des Protestes

27. April 2012 Erster Bericht über den Streit um den Bahnübergang: „Schlaflos in Overath“. Es geht um den Protest von Anwohnern, die angesichts nächtlicher 100 Dezibel „senkrecht im Bett“ stehen.

18. September 2012 Aus Kostengründen streicht der Overather Bauausschuss 5000 Euro für ein Gutachten über mögliche bauliche Veränderungen.

24. September 2013 Helmut Amelung, Vorsitzender der Bürgerstiftung Overath, schlägt vor, den unbeschrankten Fußgängerübergang zu schließen. Ein Umbau mit Schranken wird auf 700 000 Euro Kosten geschätzt. Es bilden sich Initiativen für und gegen die Schließung.

9. Juli 2014 Ergebnis einer vom Rat beschlossenen Anwohnerbefragung: 581 Bürger wollen den Übergang behalten, 143 die Schließung.

9. Oktober 2014 Drei Anlieger beauftragen Rechtsanwalt Wolfram Sedlak. Dieser reicht Klagen beim Landgericht Frankfurt am Main ein. Im Laufe der Instanzen wendet sich das Blatt zusehends zugunsten der Anlieger.

21. Oktober 2019 Der Übergang soll um 50 Meter in Richtung Lohmar verlegt werden, um ihn zu entschärfen. Die Stadt soll die dafür fälligen maximal 20 000 Euro zahlen, doch es droht ein langes Planverfahren.

22. Juli 2020 Das Ende des Pfeifens kommt zum 1. August. (sb)

Jedoch hat die Justiz zusehends Druck auf die Bahn ausgeübt. Zuletzt hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main die DB Netz AG am 24. Oktober 2019 dazu verdonnert, dass sie den Warnpfiff-Zwang abstellt.

Die Richter drohten bis zu 250 000 Euro Ordnungsgeld für „jeden Fall der Zuwiderhandlung“ - oder eine am Vorstandsvorsitzenden zu vollziehende Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Allerdings wurde die Entscheidung zunächst nicht rechtskräftig.

Übergang um 50 Meter verlegt

Die Bahn selbst hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder äußerst dickfellig und nach außen verschlossen präsentiert. Selbst als sich das Transportunternehmen und die Stadt 2019 im Grundsatz darauf verständigt hatten, dass der Übergang auf Kosten der Stadt um 50 Meter verlegt werden sollte, um die Warnpfiffe wegen der dadurch bewirkten besseren Sichtverhältnisse in beide Richtungen überflüssig zu machen, wollte sich die Bahn nicht auf einen Termin festlegen lassen.

Und jetzt plötzlich geht es doch viel schneller? Bürgermeister Weigt: „Hier hat die Stadt entscheidenden Anteil dran, da wir den BÜ-Pass beauftragt haben. Dieser wurde durch ein Dresdener Büro erstellt und der Bahn zur Verfügung gestellt. Dadurch konnten langwierige Planungszeiträume vermieden, im Raum stehende Klagen ausgeräumt und vor allen Dingen den Bürgern an der Siegburger Straße und Umgebung zeitnah geholfen werden.“

DB zahlt Arbeiten

Entscheidenden Anteil an der positiven Entwicklung hatte laut Weigt sein zum Jahreswechsel ausgeschiedener Bau-Beigeordneter Wolfgang Bürger (CDU). Dieser ist seit Jahresbeginn in Lindlar tätig, und zwar gemeinsam mit Gemeindekämmerin Cordula Ahlers als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft BGW.

Der „BÜ-Pass“, erläutert Bürger, ist eine Zertifizierung für Eisenbahnübergänge, die die jetzige Entwicklung möglich gemacht habe. Die Stadt Overath habe ihn für 8- bis 8500 Euro in Auftrag gegeben; die Arbeiten am Übergang zahle die Bahn selbst. Ein Bahn-Sprecher gibt die Instandsetzungskosten mit 50 000 Euro an: „Hier haben wir uns mit der Kommune geeinigt, ohne dass wir in der Öffentlichkeit hierzu weitere Details nennen möchten.“

Entscheidung seit Jahren in Arbeit

Bürger zu der Frage, wie das alles plötzlich möglich geworden sei? „Ich habe mich in Overath seit 12,13 Jahren mit der Bahn beschäftigt und mir in der Zeit ein Netzwerk aufgebaut, was mir sehr geholfen hat.“

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So positiv wie Weigt und Bürger sehen die Eheleute Dieter und Helga Sondhauß , die zu den Klägern gehören, die Rolle der Stadt nicht. Dieter Sondhauß: „Was vor allem zu der Entwicklung beigetragen hat, waren die Ausgaben unserer Rechtsschutzversicherungen und unser Anwalt.“