Overath – Overath am frühen Montagabend: Im letzten Tageslicht versammeln sich auf dem Bahnhofsplatz um 18 Uhr etwa 40 Menschen zu einer angemeldeten Mahnwache: für die Corona-Toten, gegen die Verharmlosung der Pandemie. Rechts von ihnen kommen 140 „Spaziergänger“ zusammen. Sie gehen neben der Bahn bis zum Steinhofplatz, zum Kreisverkehr, entlang der Hauptstraße, dann zum Ausgangspunkt zurück. Ohne Parolen, ohne Gewalt.
Alles im grünen Bereich in Overath? Nicht nur SPD-Ratsherr Hans Schlömer sieht das anders. Er hat Anzeige erstattet, gegen seinen Ratskollegen von der AfD, Helmut Redmann, wegen Beleidigung und wegen des Aufrufs zu einer unangemeldeten Versammlung, außerdem gegen einen von ihn benannten mutmaßlichen „Reichsbürger“ und gegen unbekannt – wegen diverser Posts in der Telegram-Gruppe „Overath steht auf“.
Staatsschutz ist eingeschaltet
Polizeisprecher Christian Tholl bestätigt den Eingang der Sechs-Seiten-Anzeige, die auch dieser Zeitung vorliegt; sie sei auf dem Weg zum Staatsschutz.
Tatsächlich finden sich in der öffentlich zugänglichen Telegram-Gruppe eine Reihe von Äußerungen, die moralisch inakzeptabel, absurd und zum Teil auch strafbar sein könnten. Im Zusammenhang mit den Polizistenmorden von Kusel heißt es: „Hab ich kein Mitleid mit“. Aber es gibt auch jede Menge Verschwörungserzählungen, darunter eine, die den seit 1582 genutzten Gregorianischen Kalender als „diabolisches Machwerk“ hinterfragt. Und Martialisches.
Regeln gelten für alle
In seiner Anzeige weist Schlömer darauf hin, dass unangemeldete „Spaziergänge“ gegen das Versammlungsrecht verstoßen. Er habe zwar Verständnis für die Zurückhaltung der Polizei, es könne aber „kein dauerhafter Zustand sein, dass sich die »Spaziergänger« nicht an die Regeln halten müssen“.
Dem AfD-Mann Redmann bescheinigt Schlömer, dieser habe zu einer unangemeldeten Versammlung aufgerufen. Er bezieht sich auf Redmanns Vorschlag, sich angesichts der angekündigten Gegendemonstration einfach woanders zu treffen. Beleidigend sei der von Redmann verwendete Begriff „rote Faschisten“ für die SPD.
Distanz zu "Aluhüten"
Redmann selbst reagiert achselzuckend: „Wir werden doch auch immer als die Nazis bezeichnet.“ Auch vom „Rattenfänger von Overath“ im Zusammenhang mit einem Dudelsackspieler an der Spitze eines früheren Umzugs sei die Rede gewesen.
Zugleich distanziert sich der AfD-Politiker aber auch von den Verschwörungserzählern in der genannten Telegram-Gruppe („Da sind einfach zu viele Aluhüte dabei“) und warnt davor, die „Spaziergänger“ damit gleichzusetzen.
Tatsächlich ist es schwierig, den wahren Beweggründen der sich als „Spaziergänger“ mehr schlecht als recht tarnenden Protestler auf den Grund zu gehen. Das liegt an ihrer Dialogverweigerung. Doch immerhin, auf die Frage dieser Zeitung beim Umzug am Montagabend in Höhe Steinhof, wer denn zum Gespräch bereit sei, bleiben ein paar junge Leute stehen. „Ich will über meinen Körper selbst bestimmen“, argumentiert eine junge Frau gegen eine Impflicht.
Dann fällt die Maske der Vernunft
Eine ältere Dame und ihr Ehemann ganz am Ende des Zuges lassen sich auf ein Gespräch erst mit dem Reporter und nachher auch mit Mahnwachen-Teilnehmern ein: Nein, mit „Overath steht auf“ hätten sie nichts zu tun, und sie kämen auch nicht aus der rechten Ecke, betonen sie. So sei das auch bei den meisten anderen „Spaziergängern“. Sie sorgten sich einfach wegen der möglichen Nebenwirkungen beim Impfen.
Irgendwann jedoch fällt die Maske der Vernunft. Der Ehemann bekundet, die Impfstoffe seien ein Instrument, die Überbevölkerung zu regulieren. In dieser „Logik“ wäre dann nicht Corona die „Verschwörung“, sondern die Corona-Impfung Wie soll bei solchen Hyper-Verschwörungstheorien noch eine Annäherung gelingen? Alles im grünen Bereich in Overath wäre jedenfalls anders.