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Konfrontation im Rat LeichlingenSPD lehnt Etat ab – „Misstrauensvotum gegen Jamaika“

Lesezeit 4 Minuten

Im Saal im Rathaus tagt der Leichlinger Stadtrat derzeit wegen der Corona-Schutzvorkehrungen nicht. Aber Personalnot, Arbeitsklima und Aufgabenerledigung der Stadtverwaltung wurden bei der Etatdebatte in der Aula in Witzhelden kontrovers diskutiert.

Leichlingen – Die Haushalts-Debatte zur Verabschiedung des Etats ist traditionell nicht nur im Bundestag, sondern auch auf kommunaler Ebene der Anlass zum politischen Schlagabtausch. Der Leichlinger Stadtrat nutzte die Gelegenheit am Donnerstagabend. Der Etat der Stadt für 2022, der mit einem Defizit in Höhe von 2,7 Millionen Euro abschließt, wurde nicht einstimmig beschlossen, sondern kontrovers mit 21 gegen die zehn Stimmen der SPD.

Was schon an diesem Abstimmungsergebnis abzulesen ist, wurde in den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden noch deutlicher: Differenzen zwischen dem Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP und dem Rest des Rates. Sie betreffen über inhaltliche Meinungsverschiedenheiten hinaus auch Stilfragen des demokratischen Umgangs und führen allmählich zu unversöhnlichen Konfrontationen. Giftig war die Kritik der CDU an SPD-Bürgermeister Frank Steffes.

SPD lehnte den Haushalt ab

Die SPD zerriss das Tischtuch zwischen den Fronten, die sich nach der Kommunalwahl gebildet haben: Ihr Fraktionsvorsitzender Matthias Ebecke warf dem Trio, das die Mehrheit knapp übernommen hat, eine „wert- und verantwortungslose Politik“ in Hinterzimmern vor, eine Entmachtung der Fachausschüsse und einen Rachefeldzug gegenüber der Minderheit: „Jamaika spaltet genussvoll und beharrlich“, kritisierte er.

Die Ablehnung des Haushaltsplans durch seine Fraktion sei kein Votum gegen die Arbeit der Verwaltung, sondern ein „Misstrauensvotum gegen Jamaika“. Nach 27 Jahren trage die SPD den Etat erstmals nicht mit: „Wir ziehen die Konsequenzen. Ab sofort werden wir unser Augenmerk von der Kontrolle der Verwaltung auf die Kontrolle Ihrer Politik richten“ rief er der CDU zu.

CDU kritisiert den SPD-Bürgermeister

CDU-Fraktionsvorsitzender Helmut Wagner griff in seiner Etatrede mehrfach Verwaltungschef Steffes an, den er für verschleppte Investitionsprojekte, mangelhafte Finanz- und Personalplanungen und ein schlechtes Betriebsklima im Rathaus verantwortlich machte. Er sei „gefordert, endlich einmal Sorge dafür zu tragen“, dass die digitale Infrastruktur, Hochwasserschutz und Starkregenprävention gestärkt würden.

Für die Bewältigung der Flutkatastrophe im Juli dankte Wagner neben Verwaltungsmitarbeitern und freiwilligen Helfern bezeichnenderweise namentlich Fachbereichsleiter Ingolf Bergerhoff, der das Katastrophenmanagement innehatte, bis Steffes aus dem Urlaub zurückgeeilt war. Trotz oppositionellem Habitus, Zweifeln an der Solidität der Etatzahlen und Kritik an fehlenden Einsparungen stimmte die CDU mit ihren beiden Bündnispartnern für den Etat.

2,7 Millionen Defizit

Der Haushaltsplan der Stadt Leichlingen für 2022 schließt nach den Änderungen, die sich bei den Etatberatungen in den vergangenen Wochen ergeben haben, bei Erträgen in Höhe von 68,7 und Aufwendungen von 71,4 Millionen Euro mit einem Defizit in Höhe von 2,7 Millionen ab. Das ist fast doppelt so viel als bei der Einbringung des Entwurfs Anfang Januar.

Die Grundsteuer B, die Hauseigentümer und Mieter zahlen, soll 2022 und 2023 stabil bei 550 Prozentpunkten bleiben, aber nach den neuen Zahlen nun doch schon 2024 auf 650 angehoben werden, damit die Stadt den geforderten Etatausgleich dann nachweisen kann. Die Gewerbesteuer bleibt bei 445. (hgb)

Wolfgang Müller-Breuer ließ durchblicken, dass sich die Grünen etwa bei der Baumschutzsatzung, die nur für öffentliche Flächen gelten soll, mehr gewünscht hätten, als im Jamaika-Bündnis verhandelbar war. Aber seine Fraktion steht neuerdings eng an der Seite von CDU und FDP. Der Vorsitzende zählte den Klimaschutzplan, die Mobilitätswende, eine bessere Hochwasservorsorge bei Bauprojekten, die Fair-Trade-Stadt, mehr Geld für den Denkmalschutz und die Kulturarbeit als Pluspunkte auf.

FDP-Ratsherr Thomas Richter blickte mit Sorge auf die „Ausgabenexplosion“ in den vergangenen Jahren, aktuell bei der Freibadsanierung, die statt 2,9 mittlerweile 4,8 Millionen kosten könnte, und warnte vor zusätzlichen Steuererhöhungen. Er mahnte Sparsamkeit und den Rathaus-Neubau an und wünschte sich ein besseres Arbeitsumfeld in der Verwaltung, um qualifiziertes Personal zu gewinnen.

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Auch Martin Steinhäuser, der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste (BWL), kritisierte die steigenden Kosten bei der Freibadmodernisierung als „Kompetenz- und Planlosigkeit“ bei der Bädergesellschaft LBB, die ein Ende haben müsse. Die halbgare Baumschutzsatzung der Jamaika-Partner nannte er „Greenwashing“. Beim Mobilitätskonzept dürften „bei aller Euphorie für den Fahrradverkehr“ die aufs Auto angewiesenen Pendler nicht vergessen werden. Alarmiert sei die BWL wegen des mangelnden Denkmalschutzes im Witzheldener Ortskern, für den am Donnerstag noch die Erarbeitung einer wirkungsvolleren Satzung beschlossen wurde.

Linke und AfD waren in der Ratssitzung nicht vertreten.