Rhein-Berg – Zufrieden und froh legt der Leitende Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer am Mittwochabend im Gladbacher Impfzentrum die Aufzeichnungen des Tages zusammen: Mit den nun wieder eingesetzten Zero-Residual-Spritzen ist es zuverlässig gelungen, aus jeder Impfstoffampulle sieben statt sechs Impfdosen zu ziehen.
Doch die Freude ist nicht ganz ungetrübt. Nach der vierwöchigen Hängepartie aufgrund des Stopps durch das NRW-Gesundheitsministeriums sowie zwei weiteren Tagen, in denen der Kreis die vom Ministerium nun überraschend zurückgewiesener Verantwortung für die Verwendung der Spritzen juristisch geprüft hatte, haben sich die Beteiligten vor Ort nur aus der Not heraus entschieden, die Verantwortung für den Spritzeneinsatz nun selbst zu schultern.
„Wir sehen da kein größeres Haftungsrisiko“, sagte Kreissprecherin Birgit Bär auf Anfrage. Sämtliche Schritte würden von unterwiesenem Fachpersonal vorgenommen und das gesamte Verfahren genauestens dokumentiert – so wie dies in dem vor mehr als sechs Wochen auch vom Ministerium befürworteten Pilotprojekt vorgesehen gewesen sei.
Impfstoffmenge wird mit Null-Rückstand-Spritzen um 15 Prozent erhöht
Wenngleich alle Beteiligten vor Ort überrascht wurden, dass das NRW-Gesundheitsministerium nun erst einmal alle Verantwortung für die dafür laut Impfarzt notwendigen Spritzen von sich weist: „Es geht uns nicht darum, weiter zu streiten, sondern zu handeln, um unsere über-80-jährigen Bürgerinnen und Bürger schneller impfen zu können“, so Kreissprecherin Birgit Bär. „Es kann nicht angehen, dass Impfstoff weggeworfen wird, weil wir die dort liegenden Spezialspritzen nicht verwenden.“
Laut Leitendem Impfarzt wird die Impfstoffmenge um 15 Prozent erhöht, weil in den Null-Rückstand-Spritzen – anders als in den vom Land gelieferten – kein Impfstoff zurückbleibt, der nach der Impfung mit weggeworfen wird.
Wie berichtet hatte das Düsseldorfer Ministerium die Verwendung der vom Kreis beschafften 25 000 Spezialspritzen am Donnerstag kurzfristig nur „ausnahmsweise“ und in Eigenverantwortung der Betroffenen vor Ort gestattet, nachdem Ministerpräsident Armin Laschet in der ARD-Talkshow „Maischberger – Die Woche“ den Bergisch Gladbacher Fall angesprochen und gesagt hatte, die Verantwortlichen vor Ort sollten „einfach machen“. Begründet hatte Laschet das damit, dass ein Arzt „das im Zweifel besser beurteilen“ könne als ein Beamter.
Bürgermeister des Kreises wenden sich an Laschet
Unterdessen haben sich auch sämtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Rheinisch-Bergischen Kreises gemeinsam mit Landrat Stephan Santelmann in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten gewendet und kritisiert, dass das NRW-Gesundheitsministerium nach Laschets „Einfach machen“-Machtwort die Verantwortung von sich schiebt: „So haben wir uns die Rückendeckung der Landesregierung für verantwortungsvolles Handeln vor Ort nicht vorgestellt. Genau das ist doch die »ganze Bürokratie«, die Sie zu Recht kritisiert haben“, schreiben die Rathauschefs in einem von Gladbachs Bürgermeister Frank Stein (SPD) maßgeblich mitinitiierten Brief. „Wir sind uns nach unserer Überzeugung doch völlig einig, dass in Anbetracht der wachsenden Risiken in der dritten Welle dem Impfen herausragende Bedeutung zukommt“, heißt es in dem Schreiben weiter.
Spritzen-Streit könnte Modellprojekt werden
Vorschlag der Bürgermeister-Landrat-Runde: Um die Angelegenheit genehmigungs- und versicherungsrechtlich doch noch auf solide Füße stellen zu können, wollen sie den „ursprünglichen Vorschlag des Ministeriums aufgreifen, das seinerzeit vorgeschlagen hatte, die Sache als Modellprojekt einzustufen, welches dann auch wissenschaftlich begleitet werden könnte“.
Dabei strecken Rhein-Bergs Kommunalvertreter auch dem Gesundheitsministerium die Hand aus. „Wir wären Ihnen dankbar“, schreiben sie an Laschet, „wenn Sie uns mitteilen könnten, wie wir ein solches Modellprojekt unter Beteiligung möglichst vieler Akteure (Ministerium, Kassenärztliche Vereinigung, Apotheker in den Impfzentren) möglichst kurzfristig initiieren könnten.“
Landrat Stephan Santelmann (CDU) freut sich über die einmütige Unterstützung durch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister: „Gut dass alle gemeinsam für unsere Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen, damit wir unsere Über-80-Jährigen schneller impfen können.“