Bergisch Gladbach – Heck- und Seitenscheiben des Autos sind geborsten, die Öffnungen notdürftig mit Plastiktüten zugeklebt. Tiefe Einschusslöcher klaffen in der Karosserie des Wagens mit dem ukrainischen Kennzeichen, das vor dem Wohncontainer der Notaufnahme für Geflüchtete am Schulzentrum Saaler Mühle steht. Als die beiden Frauen, die eine Tasche mit Kleidung von der Rückbank wuchten, die Reporter bemerken, holen sie sie zu sich, deuten mit den Händen Gewehre an, Schüsse, zeigen, wie sie sich auf den Sitzen geduckt haben, als sie auf der Flucht aus ihrer Heimat beschossen wurden.
„Viele Menschen hier sind in einer akuten Traumasituation“, sagt Hans Josef Kunz, Fachberater für Psychotraumatologie der Feuerwehr Bergisch Gladbach. Er vertritt die Stadt in der vom Arbeiter-Samariterbund (ASB) in städtischem Auftrag betriebenen Notaufnahmestelle für Geflüchtete aus der Ukraine, die binnen 48 Stunden am Dienstagabend bereits komplett ausgelastet war.
Den Geflüchteten so viel Sicherheit wie möglich geben
Eine Seelsorge sei noch nicht eingerichtet. Das sei nicht das, was die Geflüchteten in ihrer aktuellen Situation bräuchten. „Das einzige, was wir tun können, ist diesen Menschen so viel Sicherheit wie möglich zu geben – und Ruhe“, sagt Kunz.
In der Ecke der Halle ist eine Spielecke für Kinder eingerichtet. „Wenn es den Kindern gut geht, wird es auch für die Mütter leichter.“ Man versuche, es den Menschen ein wenig angenehmer zu machen. Auch die mentale Gesundheit seiner Mitarbeitenden hält Kunz im Auge: „Noch können sie viel tun und helfen. Aber das ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf“, sagt er.
126 Plätze hat die Einrichtung bereits. „Wir schauen dass wir mit Feldbetten auf insgesamt 150 Plätze aufstocken“, sagt Kunz. „Keiner soll hier abgewiesen werden, auch nicht mitten in der Nacht.“ Deshalb halten die Helfer stets auch Platz für weitere Bustransporte mit Geflüchteten frei, wie sie am Sonntag die Kreisstadt erreichten.
„Ohne Unterstützung der Schule ginge das nicht so“, sagt Kunz, „Schüler haben gestern weitere Klassencontainer leergeräumt und auch ein großes Willkommensbanner gestaltet. Das Engagement ist klasse.“
Zwei Frauen mit Kindern sitzen an einem der Tische in der zum Aufenthaltsraum umfunktionierten Turnhalle. An der Tür hängt eine Liste mit kyrillischen Eintragungen. „Die Frauen haben sich sofort selbst organisiert, nach Putzmittel gefragt und Tischdienst eingeteilt“, sagt Kunz, während Adrián Hermández Rivero und Oliver Bayer vom ASB Tischdecken verteilen.
Helfer in Zwölf-Stunden-Schichten im Einsatz
Die Leiterin des ASB, Karin Hindrius, erzählt, dass die insgesamt sieben Mitarbeitenden, von denen fünf ehrenamtlich sind, in Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten, um die Räume einzurichten, mit den Geflüchteten in Kontakt zu treten und Info-Material zu verteilen. „Die schmeißen hier den Laden“, sagt Kunz und wirkt dankbar für die Arbeit des ASB.
Nicole Haag vom Feuerwehrteam kommt in den Raum gelaufen. Ein Notfall auf der Krankenstation von Arzt Stefan Hinzmann. „Wir brauen dringend einen Übersetzer, sagt Nicole Haag. Hans Josef Kunz wählt die erste Nummer von einer eigens dafür bereitliegenden Liste.
Ob sie sich allein mit dem privaten Auto durchgeschlagen haben, mit dem Zug oder einem der Busse privater Initiativen angekommen sind – der Draht zu den in der Ukraine Zurückgeblieben Freunden und Verwandten ist für alle besonders wichtig. So wichtig wie die ärztliche Versorgung und das Essen der GL Service GmbH ist daher das eilends installierte WLAN in den Wohn- und Aufenthaltsräumen. Wobei das Internet in der Ukraine vielfach bereits ausgefallen sei, wie Kunz weiß. „Die Telefonverbindung ist oft der letzte Kontakt in die Heimat.“