Dies ist ein Text aus unserem Archiv. Er erschien ursprünglich am 1. Oktober 2021.
Rhein-Berg – Was passiert, wenn kreative Pioniere Wege finden, um Engpässe beim Impfstoff abzumildern, und das Ganze nicht ins Konzept eines Ministeriums passt, sorgte vom Gladbacher Impfzentrum ausgehend bundesweit für Schlagzeilen – und Kopfschütteln über Beamte im NRW-Gesundheitsministerium.
Als der Corona-Impfstoff noch knapp und die Nachfrage nach Impfungen übergroß war, fand der Leitende Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer heraus, dass sich mit Hilfe von speziellen Zero-Residual-Spritzen sieben statt der sonst üblichen sechs Impfdosen aus jeder Impfstoffampulle des Herstellers Biontech/Pfizer ziehen ließen. Das lag daran, wie er erklärte, dass die Spezialspritzen kein Totraumvolumen haben, in das Impfstoff aufgezogen wird, der dann bei der Impfung nicht wieder herausgedrückt wird und damit anschließend mit der Spritze entsorgt werden muss.
Santelmann bestellt 25.000 Spezialspritzen für Kreis
Mit Hilfe des Wermelskirchener Vize-Bürgermeister Stefan Leßenich und des Landtagsabgeordneten Rainer Deppe stellte er sein Projekt dem zuständigen Staatssekretär im NRW-Gesundheitsministerium als Pilotprojekt vor. Und der gab erst einmal grünes Licht. Auch der Rheinisch-Bergische Kreis unterstützte das Projekt, Landrat Stephan Santelmann ließ 25.000 der Spezialspritzen bestellen, die auch umgehend im Impfzentrum eingesetzt wurden. Bis das Gesundheitsministerium plötzlich und unerwartet die Reißleine zog.
Laut Ministerium hätten die betreffenden Spritzen nicht die notwendigen Zulassungen. Dem widersprach nicht nur der Vertreiber, sondern auf Anfrage dieser Zeitung auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn: Die Spritzen hätten eine CE-Zertifizierung und „damit auch die Marktzulassungsvoraussetzung für den gesamten europäischen Markt“. Das NRW-Gesundheitsministerium hinterfragte nun den Zulassungsprozess – ohne Ergebnis.
Bis heute keine Antwort auf Brief nach Düsseldorf
Nachdem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet – in einer Talkshow auf den Gladbacher Spritzenstreit mit dem Ministerium angesprochen – sagte „Machen! Wenn Ihr es könnt, wenn es verantwortbar ist, macht es“, erhielt der Kreis vom Ministerium zähneknirschend eine Genehmigung – aber nur für die bereits gekauften Spritzen. Landrat und Bürgermeister intervenierten nochmals mit einem Brief nach Düsseldorf.
Auf den gab’s aber bis heute keine Antwort, wie der Kreis gestern bestätigte. Das Ministerium hatte den Streit am Ende offenbar ausgesessen. Als die Impfstofflieferungen zunahmen, war die siebte Dosis nicht mehr so entscheidend. Eine rheinisch-bergische Pionierleistung war die Idee dazu aber allemal.