Neue Wege: Wie Seelsorger in Bergisch Gladbach in einer Welt der Krisen die Menschen zu Weihnachten zu erreichen versuchen.
Anders WeihnachtenWas Pfarrer in Rhein-Berg den Menschen zu sagen haben
Nie gekannte Einschränkungen durch eine Pandemie, dann eine zuvor unvorstellbare Starkregenflut und nun Kriege , die existenziell betreffen – wirklich zur Ruhe gekommen sind viele Menschen auch zu Weihnachten in den vergangenen Jahren kaum.
„Eigentlich erhöhen Krisen unsere Konjunktur“, sagt Pfarrer Christoph Breer von der evangelischen Kirche zum Heilsbrunnen in Bergisch Gladbach-Hebborn. Zwar sei nach Corona selbst an Feiertagen wie Weihnachten die „3D-Gemeinde“, wie er die Gemeindemitglieder nennt, die in die Kirche kommen, deutlich kleiner geworden. In diesem Jahr aber, so überlegt der auch als Notfallseelsorger erfahrene Pfarrer, könnten es doch wieder mehr werden – angesichts rascher aufeinander folgender existenzieller Krisen.
Zur Person
Christoph Breer (60), der seit 2022 Pfarrer im vierten Bezirks der evangelischen Gemeinde Bergisch Gladbach ist, wurde in Duisburg geboren, hat Theologie studiert und unter anderem 17 Jahre als Schulpfarrer an einem Berufskolleg gearbeitet, bevor er Gemeindepfarrer in Düsseldorf wurde. Breer ist verheiratet und hat mit seiner Frau Angela fünf erwachsene Kinder und zwei Enkel. (wg)
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Was sagt ein Seelsorger den Menschen in so einer Situation? „Die Botschaft auch von Weihnachten ist, die Hoffnung nicht aufzugeben. Zu sehen, dass es über dem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts von Kriegen und Krisen noch eine Ebene gibt: dass Gott seine Schöpfung nicht preisgibt.“
Dabei hat auch Breer festgestellt, dass es schwieriger geworden ist, Menschen zu erreichen. „Die Zahl der Menschen mit psychischen Belastungen hat deutlich zugenommen“, sagt er – und hat nicht nur mit dem Stammtisch für Gemeindeglieder an jedem 12. eines Monats ein neues Angebot geschaffen, miteinander ins Gespräch zu kommen.
„Es gibt mehr Menschen, die das persönliche Gespräch suchen“, hat der Seelsorger festgestellt. Dabei weiß er auch, wo er mit seinem „Handwerkszeug“ Grenzen hat. Auch der Glaube sei vor allem ein Angebot –„aber er immunisiert nicht gegen Depression.“
Corona-Krise hat vielen Menschen den Boden unter den Füßen weggezogen
Corona habe vielen Menschen „den Boden entzogen“, vor allem, weil Gemeinschaft nicht mehr so erlebbar gewesen sei, sagt Pfarrer Breer. Gerade für die Gemeinde Zum Heilsbrunnen, aus der heraus viele unterschiedliche Gottesdienstformen unter anderem mit mehreren Bands gestaltet werden, war das besonders schwer. Trotzdem habe er es beibehalten, die Gottesdienste via Internet-Videostream nach zu Hause zu übertragen.
„Die Streaming-Gemeinde ist manchmal doppelt so groß wie die 3D-Gemeinde“, sagte er. Zu Weihnachten werden die Gottesdienste auch ins Gemeindezentrum übertragen, falls die 150 Plätze in der Kirche nicht reichen sollten. „Ich bin gespannt, wie viele kommen“, sagt Breer.
Nochmals verstärkt hinausgegangen zu den Menschen ist der katholische Kreisdechant Norbert Hörter mit seinem Pastoralteam während der Corona-Zeit. Und das ganz wörtlich genommen. Die Christmette im Stadion und die Krippe auf Rädern mit Andachten in den Wohnsiedlungen seiner Gladbacher St.-Laurentius-Gemeinde wurden auch nach Ende der Pandemie beibehalten. „Niederschwellige Angebote, auf die wir ohne Corona vielleicht nicht gekommen wären“, sagt der Seelsorger. „Mir ist es wichtig, Menschen Begegnung zu ermöglichen“, sagt der 57-Jährige. Angesichts der zentralen Botschaft von Weihnachten, „dass Gott Mensch geworden ist wie du und ich“, sei das besonders wichtig.
Zur Person
Norbert Hörter (57), der seit 2002 Pfarrer an der katholischen Kirche St. Laurentius in Bergisch Gladbach und seit 2009 außerdem Kreisdechant ist, wurde 1966 in Düsseldorf geboren, hat Theologie und Philosophie studiert und war Einkäufer in einer Computerfirma, bevor er 1995 zum Priester geweiht wurde. Nach Kaplanstellen in Monheim und Sankt Augustin kam er 2002 nach Bergisch Gladbach. (wg)
Möglich sei eine solche Willkommenskultur in der Gemeinde auch an den Weihnachtstagen nur, weil sich viele Gemeindemitglieder engagierten, zeigt sich Hörter froh. Gerade angesichts von zwei Kriegen, „die uns besonders nahe gehen, aber auch die Unruhe in unserem eigenen Land“ sei es wichtig zu verdeutlichen, dass an Weihnachten mit Jesus jemand kommt, der für die Liebe stehe, sagt Hörter.
Dabei weiß auch er: „Es ist ein großes Wort, dass niemand durchs Netz fällt.“ Doch gerade deshalb gelte: Dass Gott in Liebe Mensch werde, gehe „nur im Gemeinsamen, nicht im Gegeneinander“. Hörter: „Das ist ein bisschen wie die Verkehrswende, auch in unserer Stadt: Das funktioniert nur miteinander, wenn ich die Menschen mitnehme.“
In der Suppenküche für Bedürftige gibt es mehr Helfer als benötigt werden
Dabei erlebt der Seelsorger gerade angesichts der aufeinander folgenden Krisen der vergangenen Jahre, dass „viele Menschen einen Sensus für das Leben anderer haben“. Das gelte für die Ukraine-Hilfe ebenso wie für die Mitarbeit von Ehrenamtlichen beim Weihnachtsessen der Suppenküche von St. Laurentius an Heiligabend. „Wir haben bald mehr Helfer als wir beschäftigten können“, freut sich der Pfarrer. „Dann ist Weihnachten geworden. Denn die Realität von Weihnachten ist ja, dass Gott Mensch und Gottes Liebe erfahrbar wird – in der Familie, im Freundeskreis, in der Stadt.“
Was er den Menschen in den Gottesdiensten draußen oder in der Kirche zu sagen hat? „Ich versuche, den Menschen etwas zu geben, in dem sie sehen, dass das, was wir an Weihnachten feiern, etwas mit ihnen zu tun hat – ganz persönlich.“
Ein Überblick über die katholischen und evangelischen Gottesdienste an Heiligabend und den Feiertagen gibt es auf den Internetseiten dieser Zeitung.