Eine zentrale Straße über das Zanders-Gelände ist für Fußgänger und Radler freigegeben worden. Der Insolvenzverwalter übergab die Schlüssel.
Neue Achse durchs Herz der StadtBergisch Gladbacher Zanders-Gelände wird zum Teil eröffnet
Das durchschnittene rote Band fällt auf den Boden, und Ferdinand Tönnemann tritt in die Pedale, genießt die freie Fahrt mitten durchs Zanders-Gelände. Keine fünf Minuten später ist der 17-Jährige zurück: „Schöne Strecke, hat was Industrielles und man ist jetzt viel schneller von der Stadtmitte in Refrath“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung und fährt gleich nochmal die „Mainstreet“ genannte Hauptverkehrsachse durchs Zanders-Gelände, die am Samstag für Fußgänger und Radfahrer dauerhaft freigegeben worden ist – und Hunderte Menschen zu Fuß und auf dem Rad zu einem wahren Volksfest lockte.
Wenige Minuten zuvor hatte Bergisch Gladbachs Bürgermeister Frank Stein gemeinsam mit Udo Krause und Jonas Geist von der städtischen Projektgruppe, die sich um die Umwandlung des früheren Industriegeländes kümmert, von Insolvenzverwalter Dr. Marc d'Avoine, eine Kiste voll mit Schlüsseln übergeben bekommen.
Symbolischer Akt dafür, dass nun die Arbeiten des Insolvenzverwalters der ersten Insolvenz im Jahr 2018 abgeschlossen sind und die Stadt als Eigentümer des Geländes im Rahmen des Strukturförderprogramms Regionale 2025 an die Vorbereitung für die neue Nutzung des 36 Hektar großen Areals im Herzen der Kreisstadt gehen kann.
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„Wir haben aus dem, was geschehen ist, das Richtige und noch etwas sehr Gutes gemacht“, so Bürgermeister Frank Stein rückblickend auf die beiden Insolvenzen der Papierfabrik und deren endgültige Stilllegung Anfang Mai 2021. Die Regionale 2025 sei bei dem Konversionsprozess, für den die Gladbacher Politik die Schaffung von 3000 neuen Arbeitsplätzen und Wohnraum für 3000 Menschen vorgegeben hat, ein unverzichtbarer Unterstützer. Ein „mindestens klimaneutraler Standort“ solle das neue Stadtviertel werden, kündigte der Bürgermeister an.
Die Uhr im „Museum“ genannten Raum, in dem die offizielle Schlüsselübergabe stattfand, ist zwar stehengeblieben, die Zeichen auf dem ganzen Gelände aber standen auch am Samstag auf Zukunft. So konnten Besucher faszinierende Einblicke etwa in das riesige Rollenzentrallager erhalten, das zur Lagerung tonnenschwerer Papierrollen 2003 mitten in eine Sheddachfabrikhalle gebaut wurde und sich – wie mancher Besucher staunend feststellte – für ein Großkino ebenso eignen könnte wie für eine außergewöhnliche Musiklocation.
Für die ehemalige Zentralwerkstatt gleich gegenüber gibt’s bereits Pläne – und zehn Millionen Euro Fördermittel. Sie soll wie berichtet zu einem sozio-kulturellen Bürgerzentrum umfunktioniert werden. Inbetriebnahme ist nach derzeitigem Stand im Jahr 2027, wie Planer Udo Krause auf Nachfrage in Aussicht stellte.
Was in den vergangenen drei Jahren auf dem Zanders-Areal gesichert werden musste
Was allein in den vergangenen drei Jahren des Rückbaus von Maschinen und noch zu verwertenden Inventars an Aufgaben auf dem Zanders-Areal gestemmt wurde, hatte Jonas Geist vom Liegenschaftsmanagement des Projekts vor der offiziellen Schlüsselübergabe durch den Insolvenzverwalter dargelegt. So hatten nicht nur der Brandschutz sichergestellt, das Grundwasser und die teils für den Abbau von Maschinen massiv geöffneten Gebäude gesichert werden müssen, sondern die Wertgegenstände und die Gebäude auf dem Gelände mussten auch vor Einbruchdiebstahl und Vandalismus geschützt werden.
Es habe eine „Menge Überraschungen auf dem Gelände“ gegeben, sagte Insolvenzverwalter Marc d'Avoine und wies unter anderem auf das „Spinnennetz“ von Leitungen und Rohren auf dem Gelände hin, das es ganz ohne Pläne zu durchschauen und entwirren gelte. In mehr als 25 Länder seien Maschinen und Wertgegenstände aus der insolventen Papierfabrik veräußert worden, um Geld für die Gläubiger zu erzielen.
Dabei machte d'Avoine kein Geheimnis daraus, dass auch die Stadt als Gläubiger noch auf Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren warte. Neben dem Dank an die früheren Zandrianer, die mit ihrem Wissen auch die Abwicklung der Papierfabrik unterstützten, freuten sich die Beteiligten darüber, dass die Bezirksregierung jüngst attestiert habe, dass das Gelände sauber und frei sei – und damit bereit für eine neue Zukunft.
„Was Sie uns hinterlassen ist ein Schatz“, sagte Planer Udo Krause, „es geht darum, das Herz der Stadt neu zu beleben.“ Dazu gehöre auch, das bislang abgeschlossene Gelände in die Stadt zu integrieren. Die Eröffnungsgäste ließen sich das nicht zweimal sagen, testeten die freigegebene „Mainstreet“ ausgiebig und nahmen die Gelegenheit wahr, in die entlang der Hauptverkehrsachse im Stundenrhythmus geöffneten Gebäude zu schauen.
Besucherin Ulrike Olpen fand auf einer Wand sogar die Durchwahl ihres Mannes wieder. In der Zentralwerkstatt war sie neben dem Telefon an die Wand gekritzelt – falls der Zanders-Elektriker mal rasch gebraucht wurde. „Ein Teil der Geschichte wird im Neuen hoffentlich weiterleben.“
Stimmen zur Öffnung der „Mainstreet“ über das Zanders-Gelände
Luca Krükel (33) ist am Samstag mit gemischten Gefühlen zur Teilöffnung des Zanders-Geländes für die Öffentlichkeit gekommen. Bis einen Monat vor der Schließung der Papierfabrik hat er selbst als Schlosser in ihr gearbeitet. „Das Ende war natürlich hart“, sagt er und wünscht sich, dass noch mehr mit Fotos an die frühere Nutzung der Gebäude und Anlagen auf dem historischen Industriegelände der Papierfabrik erinnert wird.
Monika Krämer (64) hat viele Jahre nur einen Steinwurf vom Zanders-Gelände gewohnt. „Drauf bin ich aber heute zum ersten Mal“, sagt sie und hofft, dass auf dem ehemaligen Industriegelände auch kulturelle und Freizeitangebote entstehen. „Ich kann zwar nicht mehr tanzen, aber vielleicht gibt es ja was für junge Leute, eine Tanzschule oder einen Ort, wo Techno gespielt wird. Und ein Kino haben wir in der Stadtmitte ja auch nicht mehr.“
Bernd Beckermann (70) wird künftig wohl zwei- bis dreimal wöchentlich die neue schnelle Radverbindung von der Stadtmitte übers Zanders-Gelände nutzen, schätzt der engagierte Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC): „Die neue Verbindung verkürzt den Weg zwischen Stadtmitte und Gronau natürlich enorm und erspart einem die bislang schlechte Fahrradinfrastruktur an Haupt- und Richard-Zanders-Straße.“
Doris Wollersheim (76) hat schon mehrfach versucht, mit einer der von der Stadt angebotenen Führungen aufs Zanders-Gelände zu kommen: „Die waren immer schon ausgebucht, aber heute kann ich einfach so hierher“, sagt sie strahlend. „Es ist alles sehr interessant.“ Was einmal auf dem Gelände entstehen kann, davon habe sie noch keine genaue Vorstellung, sagt die 76-Jährige: „Aber was es mal war, kann man hier sehr gut sehen – spannend.“
Erich Olpen (66) war 40 Jahre als Elektriker in der Papierfabrik Zanders beschäftigt, war die letzten drei Jahre noch für den Insolvenzverwalter tätig. „Das hat schon weh getan, als alles zu Ende war. Wir hatten Tränen in den Augen“, sagt er, ist aber auch froh, „dass so viele Leute heute zur Teilöffnung des Geländes gekommen sind. Toll wäre es, wenn auf dem Gelände auch etwas für die Jugend gemacht würde, ein Jugendtreff, eine Disco oder so.“