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Neue MarkierungenStadt Bergisch Gladbach drängt Fahrradfahrer von Radwegen

Lesezeit 3 Minuten
Radweg teilt sich auf 010822

Ein Radfahrer auf der Bensberger Straße.

Bergisch Gladbach – Fahrradfahren soll in Bergisch Gladbach laut Stadtverwaltung sicherer werden. Und dafür wurde an 20 Kreuzungen der Pinsel herausgeholt. Es geht darum, mit neuen Markierungen auf querende Radfahrer aufmerksam zu machen. Das ist die eine Geschichte. Die andere versteckt sich in einer Mitteilung der Stadt in der Rubrik „Hintergrund“ zur Pinselaktion – und die hat es in sich.

Nach dem aktuellen Stand der Straßenverkehrsordnung ist vorgesehen, den Radverkehr auf die Straße zu bekommen. Die vorhandenen Radwege können, müssen aber nicht mehr genutzt werden.

Schilder werden in Bergisch Gladbach kontinuierlich ersetzt

Um das zu verstehen, ist eine kleine Schilderkunde notwendig. Bislang dominieren in der Stadt die blauen Schilder mit den Fußgängern (Frau und Kind) oben und dem Fahrrad unten. Bei diesem Schild ist die Benutzung des Radweges Pflicht. Diese Schilder wurden und werden kontinuierlich ersetzt. Stattdessen gibt es nun das blaue Fußgängerschild mit einem zweiten Schild darunter, auf dem ein Fahrradsymbol und das Wort „frei“ zu sehen ist.

Fahrrad Schilder 1 010822

Beim Schild mit den Fußgängern kann der Radweg benutzt werden.

Dieses Schild besagt, dass das „Hochbord“, also der Bürgersteig, von Radfahrern benutzt werden kann – aber nicht muss. Im Beamtendeutsch ist von der „Aufhebung der Benutzungspflicht“ die Rede.

Durcheinander in Bergisch Gladbach

In Bergisch Gladbach ist das Durcheinander nirgendwo besser zu sehen als auf der Bensberger Straße, kurz hinter der Schnabelsmühle Richtung Bensberg. Dort wird dem Radfahrer klar gemacht, dass er nun die freie Wahl hat: Straße oder Radweg. Politisch gewollt ist die Benutzung der Straße. Der Radweg ist zu schmal, als dass Radfahrer gezwungen werden könnten, ihn zu benutzen. Radfahrer sollen runter vom Hochbord.

Aber an der Bensberger Straße zeigen sich auch die Grenzen dieser Politik. Wer die Bensberger Straße mit dem Rad schon mal gefahren ist, weiß, was passiert. Direkt hinter dem Radfahrer bildet sich ein Stau. Die Straße ist zu schmal, um den Radfahrer zu überholen, ohne auf die Spur des Gegenverkehrs zu kommen.

ADFC: Autoverkehr auf Bensberger Straße zu stark

Bernhard Werheid, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Rhein-Berg, kennt die Situation gut. Und grundsätzlich ist er auch der Meinung, dass Fahrräder auf die Straße gehören. Aber bei der Bensberger Straße winkt er ab: „Der Autoverkehr ist viel zu stark.“ Er selber fährt dort „freiwillig“ auf dem Hochbord.

Werheid spricht aber auch davon, dass sich die Autofahrer daran gewöhnen müssten, Rücksicht auf Fahrradfahrer auf der Straße zu nehmen. Er selbst fahre auf sehr vielen Straßen ganz bewusst mit einem Abstand von mindestens 1,50 Meter zum Bürgersteig. Den Stau hinter sich nimmt er in Kauf. „Da müssen sich die Autofahrer an die neuen Verkehrsregeln anpassen.“

Radfahrer dürfen rot markierten Weg nicht mehr nutzen

Der ADFC hat eine Broschüre („So geht Verkehrswende – Infrastrukturelemente für den Radverkehr“) herausgegeben, in der eine Situation wie auf der Bensberger Straße besonders kritisch gesehen wird. Sie verursache bei den Radfahrern das höchste Stresslevel. Nur „starke und furchtlose Radfahrer“ benutzen solche Wege.

Ein Beispiel dafür, wie Radfahrer in Bergisch Gladbach auf die Straße gezwungen werden, ist die untere Hauptstraße. Dort gibt es zwar noch einen rot markierten Weg, den dürfen Radfahrer aber nicht mehr benutzen. Auf der Straße An der Gohrsmühle werden Radfahrer ebenfalls vom Hochbord heruntergeholt. Eine in der ganzen Stadt sonst nirgends anzutreffende Luxussituation erwartet sie dort: eine eigene Radspur. Dort gibt es nun einen Bürgersteig, einen rot markierten Radweg, eine Fahrradspur (auf der auch Busse fahren dürfen) und eine Spur für Autos und Lastkraftwagen. Oder anders gesagt: Der Großteil der öffentlichen Verkehrswege gehört Fußgängern, Radfahrern und Bussen – eine Ausnahmesituation.

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Für die Markierungsarbeiten hat die Stadt rund 90.000 Euro eingeplant. Etwa ein Drittel sei bereits abgerufen worden, teilt sie mit. Es wird also weiter gepinselt.