Bergisch Gladbach – "Nur kein marmornes Museum“, soll der große Wunsch von Maria Zanders für ihre eigene Bestattung gewesen sein. Dieser Wunsch wurde der Papierfabrikantin, die 1904 starb, erfüllt. Und so ruht sie auf dem neuen, evangelischen Friedhof, hoch oben auf dem Quirlsberg, unter einer schlichten Grabplatte.
Allerdings vor einem nur wenige Jahre später errichteten repräsentativen Bau, den viele – Ironie der Geschichte – für ein Mausoleum halten. „Das ist aber falsch“, sagt Prof. Michael Werling. Denn die Gedächtnishalle der Familie Zanders verfügt, anders als ein Mausoleum, über keine Gruft.
Friedhöfe erzählen Geschichten
Gemeinsam mit dem Lokalhistoriker Peter Lückerath, einem Spezialisten für Ahnenforschung, spürt Werling den Menschen nach, die auf dem evangelischen Friedhof bestattet worden sind. Denn Friedhöfe sind zwar Orte der Stille, aber Geschichten erzählen sie dennoch. „Es sind Fundgruben der Stadtgeschichte“ sagt Werling.
Wie Peter Lückerath geht es ihm nicht nur darum, Architekturgeschichte auf Friedhöfen zu beschreiben, obwohl auch die Arbeiten von Steinmetzen und Bildhauern bestimmten Modestilen folgen, sondern beide wollen das Leben der hier Bestatteten nachzeichnen. Soweit das Gespräche mit Nachfahren und Recherchen in Archiven heute noch zulassen.
Das Buch soll im Herbst erscheinen
„Ein bisschen wollen wir die Toten wieder zum Leben erwecken“, sagt Werling lächelnd; ein Vorhaben, das die beiden Autoren vor zwei Jahren bereits mit einer Publikation über den katholischen St. Laurentiusfriedhof umgesetzt haben.
Nun also sollen auch die Toten auf dem Quirlsberg sprechen, das rund 500 Seiten starke Buch ist fast abgeschlossen und soll im Herbst erscheinen. 61 Grabstellen mit oft mehreren Gräbern haben die beiden Autoren dafür bereits bearbeitet, „sechs bis acht Gräber fehlen noch“, so Werling.
Viele Unternehmer gehörten der evangelischen Gemeinde an
Viele der ältesten Grabstätten sind moosbewachsen und verwittert, die Inschriften nur noch mit Mühe zu entziffern, manche Steine bereits entfernt. Und doch liegen hier Angehörige der Crème de la Crème der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte. Denn viele für den Ort prägende Unternehmer gehörten dem evangelischen Glauben an und wurden entweder bis 1869 auf dem alten Friedhof direkt neben der Gnadenkirche beigesetzt, oder später auf dem neuen Begräbnisplatz weiter oben am Berg.
Und so fanden sich ganz am Ende viele der zu Lebzeiten wichtigen Akteure der Stadt hier ein: die Zanders von der Gohrsmühle und die vom Höfels von der Locher Mühle, die Wachendorfs von der Kradepohlsmühle in Gronau und die Poensgens von der nahen Kieppemühle, auch ein Zweig der mit Zanders verbundenen Familie von Siemens.
Entwarf Adolf von Hildebrand die Gedächtnishalle?
1915 wurde hier auch der unglückliche Helmut Feiber beigesetzt, ein Schuljunge, der ein Held sein wollte in einer der schrecklichen Schlachten des Ersten Weltkrieges. Er wurde nur 17 Jahre alt. Seit 1966 ruht auf dem Quirlsberg auch Walter Kleppi, Chef der Molkereien im Bergischen, so Werling. Und auch der Politiker Hermann Schwann, der es wagte, „als erster nach China zu reisen und dort dem damaligen Ministerpräsidenten der Volksrepublik Zhou Enlai die Hand zu schütteln“, berichtet Werling.
„Wir haben ganz viel herausgefunden“, freut er sich. Das gilt wohl auch für den Architekten, der die eingangs erwähnte Gedächtnishalle im Stil des Neo-Klassizismus für die Familie Zanders entwarf. Alle Indizien sprächen für Adolf von Hildebrand (1847-1921) als Urheber, meint Werling.
Der Friedhof
Eine private Initiative
Seit 1777 waren auf dem kleinen Friedhof neben der Gnadenkirche in Bergisch Gladbach die Verstobenen der evangelischen Gemeinde zur letzten Ruhe gebettet worden. Insgesamt 612 Menschen, darunter viele Honoratioren der Stadt, Kaufleute und Papiermacherfamilien liegen hier begraben. Weil das kleine Areal 1869 so stark belegt war, dass keine einzige Stelle mehr zur Verfügung stand, an der „ein Grab in gesetzlicher Tiefe“ ausgehoben werden konnte, wurden die Mühlenbesitzer Wilhelm und Julius vom Hövel und der Papierunternehmer Richard Zanders aktiv. Am Ende finanzierte Wilhelm vom Hövel den neuen Begräbnisplatz oben auf dem Quirlsberg, der schon im Januar 1870 eingeweiht wurde und bis heute als Friedhof dient. Vom Hövel hatte 1856 die Locher Mühle, eine Walkmühle an der Strunde, übernommen und seinen Spinnereibetrieb von Opladen hierhin verlegt. Der Unternehmer war ab 1877 auch „königlich preußischer Kommerzienrat“. Auf dem neuen Friedhof ließ er eine große Familiengrabstätte an der Hauptachse des Parks anlegen und liegt hier auch selbst begraben. (spe)
Hildebrand gilt als einer der führenden deutschen Bildhauer seiner Zeit. In seinem Werkverzeichnis seien „32 Grabmäler und acht Mausoleums-Entwürfe nachweisbar“, so Werling. Vor allem aber hatte Hildebrand auch Kontakt nach Bergisch Gladbach, wo er unter anderem den Brunnen entwarf, der früher am Rathaus plätscherte und heute zwischen Villa Zanders und dem Bergischen Löwen zu finden ist.
Als wichtigstes Indiz gilt Werling aber die Kopie eines Briefes, auf den Irmtraud Schumacher im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde gestoßen war. Das Schreiben richtete Adolf von Hildebrand um 1900 an die Architektin Clotilde Kate Brewster. Inhalt: ein Entwurf Hildebrands für die Zanders-Gedächtnishalle. Ob Hildebrand den Auftrag am Ende auch erhielt, dazu schweigen die Quellen bisher – und die Verstorbenen auf dem Quirlsberg auch.