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Raser auf der Autobahn 1Immer mehr Gladbacher legen Einspruch gegen Blitzer ein

Lesezeit 3 Minuten

Beschert dem Kreis Einnahmen und der Justiz Arbeit: Die Blitzanlage an der A 1 wurde installiert, um die Raser zu bremsen.

Rhein-Berg – Ein bisschen wirken die Verhandlungen an diesem Vormittag wie Fließbandarbeit. Einen Bußgeld-Einspruch nach dem anderen handelt Richterin Milena Zippelius-Rönz ab. Gelegentlich erstaunt die Kreativität, die die mutmaßlichen Temposünder und ihre Anwälte an den Tag legen.

Mal soll der Messwagen der Polizei nicht den flotten Motorradfahrer geblitzt haben, sondern den Porsche vor ihm, dann soll ein Fälschungsschutz-Etikett auf dem Beweisfoto der Behörde fehlen, und schließlich ist das Beweisfoto einfach unterirdisch schlecht.

Zahl der Widersprüche fast verdoppelt

Die Bensberger Justiz hat viel zu tun mit den Bußgeldbescheiden der Kreisverwaltung, denn die Einsprüche landen bei ihr. Und die Sache boomt: „Bei den Ordnungswidrigkeitenverfahren hat sich die Zahl der Eingänge beinahe verdoppelt“, sagt Amtsgerichtsdirektorin Johanna Saul-Krickeberg.

Hatten die Bensberger Richterinnen und Richter früher 700 bis 800 Verfahren pro Jahr in der Post, so werden es bis Ende 2021 hochgerechnet 1301 Fälle werden.

Drei Richterinnen bearbeiten die Fälle

Um die Bußgeld-Richterinnen nicht in Arbeit ertrinken zu lassen, kümmern sich aktuell gleich drei Juristinnen darum: Zwei Richterinnen teilen sich die Erwachsenen-Fälle anhand der Endnummern der Bußgeld-Bescheide, die dritte übernimmt die Jugendlichen und Heranwachsenden. Alle drei tun das in Teilzeit.

Dabei geht der Löwenanteil der Verfahren offenkundig nicht von den Messwagen der Polizei und der Kreisverwaltung aus, sondern vom stationären Blitzer an der Autobahn 1 bei Wermelskirchen.

Baustelle und Corona beruhigten die Lage

Darauf deutet allein schon hin, wie sehr die Verfahrenszahlen für die einzelnen Jahre mit dem Blitzer-Betrieb korrespondieren: 2016 gab es 873 Verfahren, die 2017 mit der Inbetriebnahme der Messstation auf 1323 emporschnellten.

2018 ging die Zahl auf 1067 zurück, weil eine Langzeit-Baustelle im Bereich der Brücke „Lambertsmühle“ eingerichtet wurde, und 2020 folgte Corona. Entsprechend gingen die Verfahren am Gericht auf 749 beziehungsweise 853 zurück, und in diesem Jahr geht die Zahl wieder steil nach oben.

Weitere Steigerung zu erwarten

Dabei muss aber durchaus noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Die Zahl der Einsprüche dürfte weiter steigen, nachdem soeben die Regelsätze für verbotenes Rasen deutlich erhöht worden sind (wir berichteten).

Corona-Bußgeldverfahren

Bußgeld-Prozesse gegen Maskenverweigerer sind im Zuständigkeitsbereich des Bergisch Gladbacher Amtsgerichts die Ausnahme. „Das macht unter fünf Prozent der Fälle bei den Erwachsenen aus“, sagt Amtsgerichtsdirektorin Johanna Saul-Krickeberg.

Immer noch keine Ende gefunden hat der Prozess gegen zwei pensionierte Lehrer, die nach Masken-Verstößen je 50 Euro zahlen sollten. Durch einen erfolglosen Befangenheitsantrag hat sich das Verfahren verzögert und soll nun Ende März abgeschlossen werden. (sb)

Die Kreisverwaltung, die ja bekanntlich nach der Installierung des Autobahn-Blitzers das Personal ihrer Bußgeldstelle erheblich aufstocken musste, rechnet jedenfalls mit einer höheren Zahl von Einsprüchen, wie sie in ihrem jüngsten Controlling-Bericht ausführt.

Betroffene nicht chancenlos

In diesem Bericht wagt die Kreisverwaltung die Prognose, dass die erwarteten 5,7 Millionen Euro Einnahmen aus Bußgeldern um eine Million Euro verfehlt würden. Durch die Verteuerung im Bußgeldkatalog könne aber der Einnahmeverlust wohl auf eine halbe Million Euro vermindert werden.

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Damit wird den drei Bensberger Richterinnen für Bußgeldsachen die Arbeit wohl auch in Zukunft nicht ausgehen. Mit ihren Einsprüchen, wenn sie denn qualifiziert sind, haben die Betroffenen durchaus Chancen, erhört zu werden.

Teure Gutachten

So zum Beispiel ein 19-jähriger Autofahrer aus Engelskirchen, der am 25. Mai 2021 mit 132 statt der erlaubten 100 Sachen auf der A1 geblitzt wurde. „Mein Mandant bestreitet die Fahrereigenschaft“, formulierte sein Verteidiger, und tatsächlich war das Foto auch in den Augen von Richterin Zippelius-Rönz Richterin von derart schlechter Qualität, dass sie das Bußgeldverfahren kurzerhand einstellte. Die Alternative dazu wäre gewesen, ein mehr als 2000 Euro teures Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.