Abschied vom „Fräulein“Sie war ledig und auch ein Wunder
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Rhein-Berg – Jung, adrett und unverheiratet. So kannte man es, das deutsche Fräulein. Erst mit der Heirat wurde „es“ wirklich eine Frau. Lange Zeit ist die Frauenbewegung gegen die klein machende Anrede Sturm gelaufen. Vor 50 Jahren war Schluss damit: Das „Fräulein“ ist offiziell im Amtsdeutsch abgeschafft worden. Dennoch: Bis in die 80er Jahre hat sich das Fräulein hartnäckig im Sprachgebrauch gehalten und ist in den Köpfen ganz alltäglich geblieben. Sei es nur der Ruf quer durch das Lokal: „Fräulein! Zahlen bitte!“
Energisch war der Ruf nach dem Fräulein zuweilen nicht nur in der Gastronomie. So brachte Dr. von Rüdens beharrliches lautes Rufen nach „Fräulein Heidi!“ im Filmklassiker „Kehraus“ von Gerhard Polt die Sprechanlage im Vorzimmer ebenso zum Vibrieren, wie Fräulein Menkes Lied „Hohe Berge“ die Lautsprecher in TV und Radio. Beides Kultstücke der 80er Jahre.
Anfang der 80er machte auch Magdalene Christ dem Fräulein entschieden ein Ende. „Damals war ich Mitte 20 und schon ein paar Jahre im Beruf. Da habe ich ausdrücklich darum gebeten, mit Frau Christ angesprochen zu werden“, erzählt die Diplom-Archivarin. Ihr Wunsch habe im Kollegenkreis Heiterkeit auslöst, die allerdings nicht lange andauerte. „Denn ein, zwei Jahre später wollte meine Kollegin auch mit Frau angeredet werden.“ Als Magdalene Christ 1989 die Geschäftsführung der Papiergeschichtlichen Sammlung der Stiftung Zanders in Bergisch Gladbach übernommen hat, war die Anrede Fräulein tatsächlich nicht mehr aktuell.
Zum 50. Jahrestag des Abschieds vom Fräulein fallen der Archivarin spontan drei bekannte Fräuleins ein: das Fräuleinwunder, das Fräulein Lehrerin und das Fräulein vom Amt. „Fräuleinwunder ist in den 50er Jahren in den USA geprägt worden. Es stand für attraktive, moderne und selbstbewusste Frauen der deutschen Nachkriegszeit“, erläutert sie. Auslöser sei das Berliner Mannequin Susanne Erichsen gewesen, die 1950 die erste Miss-Germany-Wahl der Bundesrepublik gewonnen hat. Sie ging übrigens als Botschafterin der deutschen Mode in die USA und wurde als das „deutsche Fräuleinwunder“ in Amerika bekannt.
Das Fräulein Lehrerin hat in engem Zusammenhang mit einem Heiratsverbot gestanden. Christ: „Wollte eine Lehrerin heiraten, benötigte sie eine behördliche Erlaubnis. Und nach der Heirat musste sie ihren Beruf aufgeben. Das ist 1919 durch die Weimarer Verfassung aufgehoben worden.“
Die Ehe war auch beim Fräulein vom Amt, den Telefonistinnen, ausgeschlossen. „Sie mussten aus gutem Hause und jung sein und gute Sprachkenntnisse vorweisen“, erinnert die Archivarin an die Historie der Telefonvermittlerinnen. Damit sie keine Privatgespräche führten, seien sie bei ihrer Arbeit streng bewacht worden. Aktuell ist das Fräulein vom Amt inzwischen in der historischen Netflix-Serie zu sehen: „Las chicas del cable“ – Die Telefonistinnen.
Recherche bei Zanders
Bei ihren Recherchen über die Frauen von und bei Zanders hat sich Magdalene Christ unter anderem mit den Schwestern Fräulein Gertrud und Fräulein Margarete Büscher aus Bensberg befasst. „Beide sind 50 Jahre lang als Arbeiterinnen bei Zanders tätig gewesen.“ Fräulein Margarete Büscher hat als Vorsortiererin gearbeitet, erst an den Satiniermaschinen, danach an den Bogenkalander und dann im Sortiersaal.
Das Fräulein erlebt nun im neuen Jahrtausend ein ironisch-kultiges Comeback. In Köln gibt es die Cafés Fräulein Grün und Fräulein Frida, im Internet hilft Fräulein Ordnung beim Aufräumen und literarisch hatte die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff als Fräulein Nette im Roman schon 2018 einen kurzen Sommer.
Seit zehn Jahren ist das Magazin Fräulein am Markt. Eine freche Zeitschrift für selbstbewusste junge Frauen, die Spaß an tiefgründigem Lesestoff haben. „Übrigens ist das Fräuleinwunder in der Modeszene immer noch sehr positiv besetzt“, erzählt Marketingchef Oliver Horn. Dies sind nur einige Beispiele vom Fräulein-Kult heute. Das Männlein gab es übrigens nur einmal – und wo das stand, wissen alle.