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Bühnenchaos im Depot 1Konfetti, Kunstblut und Bier dominieren Jan Bonnys „Eisenfaust“

Lesezeit 4 Minuten
EISENFAUST
Ein Stück deutsche Freiheit
nach Goethe
Regie: Jan Bonny
 
Regie: Jan Bonny
Bühne: Alex Wissel
Kostüme: Ulrike Scharfschwerdt
Musik/Sound: Lucas Croon, Timo Hein, Nikolai Szymanski
Licht: Jan Steinfatt
Live-Video: Nazgol Emami
Dramaturgie: Jan Stephan Schmieding
 
Foto: Krafft Angerer

Als Vater und Sohn: Benjamin Höppner und David Rothe.  

„Eisenfaust“: Im Depot 1 versucht sich Jan Bonny an Goethes „Götz von Berlichingen“

Es gibt Theaterabende, da würde man sich eine Zugabe wünschen - in der man dem Regisseur dabei zuschauen kann, wie er mit Besen und Mopp bewaffnet den Dreck beseitigt, den er sein Ensemble zwei Stunden lang auf der Bühne hat anhäufen lassen.

Denn davon gibt es am Ende von Jan Bonnys Inszenierung „Eisenfaust“ im Depot 1 reichlich: Konfetti, Kunstblut und Bier gehen eine das Reinigungspersonal unnötig herausfordernde Verbindung ein.

Beherzt gestrafft und gekürzt

Mit „Eisenfaust“ erzählen Bonny und Co-Autor Jan Eichberg in einer gestrafften Version Goethes Sturm- und Drang-Drama „Götz von Berlichingen“ nach. Personen und Handlungsstränge werden zwar beherzt gestrichen, dennoch bleibt die Geschichte rund um den Raubritter mit der eisernen Hand kompliziert.

Wie sein reales Vorbild, das von 1480 bis 1562 lebte, muss sich Götz (Benjamin Höppner) mit den sich verändernden Zeiten herumschlagen. Statt wie bisher mit Kämpfen sollen Konflikte durch Rechtssprechung gelöst werden. Dennoch kidnappt er seinen Jugendfreund Weislingen (Thomas Müller), um ihn mit seiner Schwester Maria (Magdalena Laubisch) zu verheiraten.

Kampf an unterschiedlichsten Fronten

Noch vor der Hochzeit lässt Götz ihn an den Hof des verfeindeten Bischofs von Bamberg (Johannes Benecke) reisen, wo Weislingen den Reizen der intriganten Adelheid von Walldorf (Lisa-Katrina Mayer) verfällt.

In der Folge muss Götz an den unterschiedlichsten Fronten agieren: Gegen den Frust der verlassenen Maria, gegen den Sturm und Tatendrang seines Sohnes Georg (David Rothe), die Intrigen des Bischofs, die dazu führen, dass der betagte Kaiser (Rolf Mautz) Götz zum Tod verurteilt, sollte dieser nicht den Fehden abschwören. Der Versuch, sich mit den aufständischen Bauern zu verbünden, geht nach hinten los.

Held auf verlorenem Posten

Bonny zeigt Götz als Kämpfer auf verlorenem Posten, der sich an dem, was er Freiheit nennt, festklammert, ignorierend, dass diese auf der Unfreiheit anderer basiert.

Am Ende des Abends sind zwar neue Zeiten am Horizont aufgetaucht, doch die Mehrzahl der Akteure, Götz inklusive, erlebt dies nicht mehr.

Das Stück hat alles, was ein guter Theaterabend braucht: Konflikte zwischen oben und unten und zwischen den Generationen, unerfüllte Liebe, vielschichtige Charaktere, verkörpert von einem starken Ensemble, angeführt von einem wunderbar pöbelnd-polternden Benjamin Höppner in der Titelrolle.

Aus dem Ruder gelaufene College-Party

Doch dem pfropft der Kino-, TV- und Netflix-erprobte Bonny ein Regiekonzept auf, von dem man das Gefühl hat, es sei vor rund fünfzehn, zwanzig Jahren entstanden, als es noch en vogue war, Bühnen so aussehen zu lassen wie Elternhäuser in US-Teeniekomödien am Ende einer aus dem Ruder gelaufenen College-Party.

Konfetti wird aus Kanonen abgeschossen und aus dem Allerwertesten einer nachgebauten Kölner Rathaus-Figur (jener, die sich selbst mit dem Mund Freude zu bereiten scheint ...). Auf einem Fernseher laufen zunächst Szenen aus dem Film „Der Untergang“, später Ausschnitte aus der neuesten Netflix-Doku von Meghan Markle.

Zwei Autos, die Pferde und Kutschen ersetzen sollen, dürfen einander im Schritttempo verfolgen. Immer mal wieder projiziert man Videobilder der Akteure auf die schlichten Holzbauten eines Zimmers und einer Kapelle (Bühne: Alex Wissel). Gefühlt im Minutentakt werden Bierdosen geöffnet, irgendwann nimmt man das Geräusch nur noch gelangweilt zur Kenntnis.

Goethe trifft Gegenwart

Sprachlich treffen Goethe und Gegenwart aufeinander, im Spiel geht das nahtlos ineinander über. Neue Passagen, in denen Köln thematisiert wird, wirken dagegen wie Ranwanzen auf Schenkelklopferniveau: „In Köln ist ein Auto sowieso Quatsch, da findet man eh keinen Parkplatz“, darf Georg sagen. Oder auch Banalitäten wie „Da sind alle gleich! Da trinkt man zusammen sein Kölsch, egal, zu welchem Stand man gehört.“

Währenddessen darf Götz am rechten Rand entlang schwadronieren: „Köln ist eine Blase aus Ärztesöhnchen, die irgendwas mit Medien machen und sich von den Einwanderern ihre Straßen mit Geldwäscheläden zuballern lassen und sich deswegen für weltgewandt halten.“ Doch man fragt sich, warum Bonny diese Linie zu Wutbürgern und Protestwählern zieht.

Energie verpufft

Und trotz all der Action, all den Dramen ist der Inszenierung die Energie flöten gegangen. Zwar leuchtet hin und wieder Spielfreude auf, doch meistens verwandelt sich die bisweilen stürmische Bühnenaktion auf dem Weg in die Zuschauerreihen in einen drückenden Föhn.

Man möchte das Stück ja gut finden, es gäbe Gründe dafür. Aber dann wird die nächste Bierdose geöffnet, und ihr Inhalt vermischt sich mit dem Konfetti zu einer pappigen Masse. Der Applaus bei der Premiere bleibt überschaubar und gemäßigt.

120 Minuten (keine Pause). Wieder am 9./25. April und 30. Mai, jeweils 19.30 Uhr, 4. und 11. Mai, jeweils 18 Uhr.