- Matthias Erdmann stoppte den Sattelzug auf der A1 in einer spektakulären Aktion.
- Das größte Problem war überhaupt in die Fahrerkabine des Lkw zu kommen.
- Nach seiner Rettungstag fuhr Erdmann zum Dienst – wie immer.
Köln/Leverkusen – Seine Hände sind auch am Freitag noch von Schnittwunden gezeichnet, aber: Er würde es auf jeden Fall wieder machen, sagt der „Retter von der A1“. Mittwochabend hat der 43 Jahre alte Matthias Erdmann in Höhe der Anschlussstelle Wermelskirchen einen führerlosen Lastwagen gestoppt, dessen Fahrer am Steuer tot zusammengebrochen war. Die Ursache ist noch unklar.
Nach seiner spektakulären Rettungsaktion und einem kurzen Abstecher ins Krankenhaus hatte Erdmann wie vorgesehen seine Nachtschicht in einem Wuppertaler Betrieb angetreten – als sei nichts geschehen. „Meine Kollegen haben sich nur gewundert, warum ich zu spät kam“, sagte der 43-jährige Mann aus Langenfeld der „Rheinischen Post“. Nach Feierabend um sechs Uhr legte er sich erst einmal schlafen. „Es hat mich dann schon gefreut, als ich gesehen habe, dass überall in Deutschland über meine Aktion berichtet wird“, sagte er der Zeitung.
Lkw-Fahrer sei er übrigens nicht, stellte Erdmann bei der Gelegenheit einen Bericht der Polizei richtig. Vielmehr sei er mit seinem Kleinwagen auf der A1 in Richtung Dortmund unterwegs gewesen, als er den 40-Tonner sah, der über die linke Spur schlingerte und immer wieder gegen die Betonwand schrammte, die die Richtungsfahrbahnen voneinander trennt. „Ich dachte mir: Was treibt der denn da?“, erzählt der 43-Jährige.
Dann hab ich gesehen: Da ist niemand am Lenkrad.“ Der Fahrer des Sattelzugs war zwischen die Sitze gerutscht und offenbar sofort gestorben– womöglich wegen eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls. Die Polizei spricht von einem „internistischen Notfall“.
Sein Lastwagen war automatikbetrieben. Das Fahrzeug fuhr mit Standgas und einer Geschwindigkeit von etwa 15 Kilometern pro Stunde weiter geradeaus.
Fahrertür verschlossen
Während andere Lkw-Fahrer die gefährliche Situation sofort begriffen und die Autobahn blockierten, um andere Autos zum Bremsen zu zwingen, parkte Matthias Erdmann seinen Kia Picanto mitten auf der leeren Fahrbahn. Er rannte zu dem rollenden Lkw und versuchte, die Tür zu öffnen – vergeblich. Sie war verschlossen.
Erdmann lief zu seinem Auto zurück, fuhr dem Lkw hinterher, griff nach einem Taschenmesser und sprintete damit zum Lastwagen zurück, um die Seitenscheibe einzuschlagen. Aber auch das klappte nicht.
Unterdessen hatte ein VW-Bulli der Polizei den Sattelzug erreicht. Ein Beamter stieg aus und versuchte wie Erdmann, in die Fahrerkabine zu gelangen. Der andere Beamte stellte den Bulli versetzt vor den Lastwagen, um ihn abzubremsen. Die Polizei berichtete in ihrer Pressemeldung vom Vortag zudem noch von einem weiteren Autofahrer, der ebenfalls ausgestiegen und gemeinsam mit Erdmann neben dem 40-Tonner hergelaufen war.
„Ich bin dann auf die Bulli-Stoßstange geklettert und habe die Scheibe der Beifahrerseite mit einem Nothammer eingeschlagen“, berichtet Matthias Erdmann. Den Hammer hatte ihm ein Lastwagen-Fahrer gegeben.
Der 43-Jährige kletterte in das Fahrzeug, stieg über die Leiche des Sattelzug-Fahrers und trat auf die Bremse. „Dann hab ich den Zündschlüssel rumgedreht und das war’s.“ Matthias Erdmann versuchte noch, den Puls des 54-Jährigen zu tasten, aber der war Mann war bereits tot.
Insgesamt hatte der führerlose Lastwagen ungefähr einen Kilometer Strecke zurückgelegt, bis knapp hinter die Anschlussstelle Wermelskirchen. Dass der Lkw zwischendurch nicht umgestürzt oder womöglich auch über die hüfthohe Betonwand in den Gegenverkehr gekracht war, bezeichnete ein Polizist als „reines Glück“.
Viel weiter hätte der 40-Tonner einer deutschen Spedition auch nicht fahren dürfen, ehe er gestoppt wurde. Davon ist Erdmann überzeugt. „Wir hatten echt Glück. Bei Remscheid wäre ein starkes Gefälle gekommen.“
Erst später, als alles überstanden war, habe er seine zitternden Hände bemerkt. Sie bluteten, weil Erdmann sich an der zerborstenen Scheibe geschnitten hatte. 160 Anrufe habe er nach dem Zeitungsinterview auf seinem Handy gehabt, erzählt er: „Da habe ich mir auch erst mal gedacht, was hast du denn da wieder gemacht?“