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Ponton 220 SKindheitstraum mit einem fast 60 Jahre alten Mercedes erfüllt

Lesezeit 4 Minuten

Vor der historischen Kulisse des 1441 erstmals erwähnten Leimbacher Hofs in Schlebusch machen Dietmar Häger und sein Ponton eine besonders gute Figur.

Leverkusen – Ein Leben ohne Oldtimer ist möglich, aber sinnlos. Dietmar Häger dürfte dieser leicht abgewandelten Loriot-Weisheit kaum widersprechen. Kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut – ob zwei- oder vierräderig – begleitet den 61-jährigen Bankkaufmann schon seit seinen Jugendjahren.

Und er weiß auch noch genau, wann und wo der Keim dafür gelegt wurde. „Als sechsjähriger Knirps habe ich die Ferien mit meinen Eltern in Ofterschwang im Allgäu verbracht. Wir hatten kein Auto und sind mit dem Zug angereist. Aber ein älteres Ehepaar in unserer Pension war mit seinem Ponton da und hat mich einmal mit nach Sonthofen genommen. Seitdem stand für mich fest, dass ich eines Tages auch so einen Wagen haben würde.“

Dietmar Häger musste dann allerdings etliche Jahrzehnte auf den heiß ersehnten Mercedes der ersten Nachkriegsbaureihe W 180 mit selbsttragender Karosserie warten. Jahrzehnte, über die er sich mit einer ganzen Reihe anderer historisch bedeutsamer Fahrzeuge hinwegtröstete. Wenn auch anfangs eher ein bisschen aus der Verlegenheit heraus. Geld war im Schlebuscher Elternhaus des hoffnungsvollen Sprösslings nämlich keineswegs im Überfluss vorhanden, was auch den Verzicht auf ein eigenes Auto erklärt.

Vor 60 Jahren hochmodern: Walnuss-Armaturenbrett, Lenkradschaltung, Hupring als Blinkerhebel.

Mobil wollte der junge Mann natürlich dennoch sein, und da kam ihm eine zwar reichlich gebrauchte, aber dafür preiswerte NSU Quickly gerade recht. Beinahe zwangsläufig lernte er mit ihr auch das Schrauben, weil an dem betagten Moped eigentlich ständig etwas zu richten war. Der Mensch wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben, und so folgten der zierlichen Quickly bald deutlich größere Kaliber, darunter eine Horex Resident und mehrere BMW von der einzylindrigen R 25 bis zum Vollschwingen-Modell R 50 mit Zweizylinder-Boxermotor. Irgendwann bekam Dietmar Häger dann allerdings Probleme mit der Leiste, die mehrere Operationen erforderten. Weil körperliche Einschränkungen alles andere als hilfreich sind im Umgang mit bis zu 360 Kilo schweren Zweirädern, verkaufte der Schlebuscher die komplette Motorrad-Sammlung schließlich und verabschiedete sich für eine ganze Weile von der Oldtimerei.

Lack und Chrom zeigen hier und da erste Bläschen und fordern bald Zuwendung vom Besitzer.

Das galt im übrigen auch für seine beiden alten Löschfahrzeuge. Denn der kleine Dietmar hatte einst nicht nur staunend im Ponton-Mercedes gesessen, sondern einmal auch die Schlebuscher Feuerwehrwache besichtigen dürfen. Und prompt, man ahnt es schon, beschlossen: „So ein großes, rotes Auto will ich eines Tages auch mal haben“. Anfang der 90er-Jahre holte das rostigste Hobby der Welt Häger dann aber wieder ein. Schuld waren sein Schwager und seine Schwägerin, die zu ihrer Hochzeit nach einem angemessenen Vehikel suchten und ihn als ausgewiesenen Experten um Rat fragten. Rein zufällig, versteht sich, war dem Bankkaufmann kurz zuvor ein Inserat in der Fachzeitschrift „Oldtimer Markt“ aufgefallen, in der ein Mercedes 220 S aus einer abgebrochenen Restaurierung angeboten wurde. Der Eigentümer, ein an sich wohlhabender Unternehmer aus den damals noch neuen Bundesländern, hatte sich an dem Ponton finanziell verhoben und musste nun die Segel streichen.

Zwei Drittel des Kaufpreises übernahm Häger, den Rest steuerte das angehende Ehepaar bei. Die 100 PS starke Limousine, Baujahr 1958, wird seither gehegt und gepflegt, „wobei es an so einem Auto immer etwas zu tun gibt, wenn sich kleinere Gebrechen nicht zu teuren Folgeschäden auswachsen sollen“. So bekam der zu seiner Zeit ebenso flotte wie komfortable Viertürer im Lauf der Zeit neue Lederpolster, und vor kurzem ist der nun wieder seidenweich laufende Sechszylindermotor in einer Kölner Fachwerkstatt von Grund auf überholt worden. Als nächstes muss sich Dietmar Häger Lack und Chrom widmen, auf denen sich hier und da erste, kleine Bläschen zeigen. Inzwischen alleiniger Besitzer des 220er, legt er allerdings keinerlei Wert darauf, den Wagen in Neuzustand zu versetzen, sondern bevorzugt eine altersgemäße Patina. Welche Distanz der Ponton im Lauf seines Lebens zurückgelegt hat, weiß ohnehin niemand so ganz genau. Der Tacho zeigt nur wenig über 50 000 Kilometer, hat aber wahrscheinlich schon mindestens einmal genullt.

Der Innenraum des fast 60 Jahre alten Mercedes’ verwöhnt seine Insassen dafür immer noch mit einem beinahe makellosen Interieur, das vor allem durch ein Armaturenbrett aus echtem Wurzelholz und die dezent tickende Uhr in dessen Mitte besticht. Die Sitze nehmen ihre Passagiere auf wie ein guter, alter Ohrensessel, und statt eines schnöden Plastikgriffs bietet sich eine geflochtene Kordel am Dachhimmel zum Festhalten an. So lässt es sich auch heute noch vortrefflich reisen, wobei Häger seinem Ponton zwar regelmäßig Auslauf gönnt, aber meist in heimischen Gefilden bleibt.

Insgeheim träumt der 61-Jährige jedoch davon, einmal an der berühmten Mille Miglia oder der Deutschland-Rallye teilzunehmen. Allein geblieben ist der Mercedes natürlich nicht: Inzwischen besitzt Dietmar Häger auch wieder eine Quickly, eine NSU Konsul – und ein Feuerwehrauto von Magirus-Deutz.