Gummersbach – Das Problem ist nicht neu: Wenn die mobilen Impfteams in den Alten- und Pflegeeinrichtungen im Oberbergischen unterwegs sind, können schon mal mehr als nur ein paar Dosen des wertvollen Corona-Impfstoffs der Firma Biontech übrig bleiben. Dass es schon mal sechs Dosen sind, sei keine Ausnahme, sagt die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberberg, Dr. Renate Krug-Peltier. Und sie ergänzt: „Bei der Entscheidung, wer geimpft werden soll, sind die Kolleginnen und Kollegen nach wie vor auf sich allein gestellt.“ Listen mit Personen, die an Stelle der vorgesehenen Impflinge in der Reihenfolge vorgezogen werden könnten, gebe es vom Kreis nach wie vor nicht.
Weiter Probleme mit Astrazeneca-Absatz
Die Ablehnung des Corona-Impfstoffes von Astrazeneca im Gummersbacher Impfzentrum hält an. KV-Chefin Dr. Renate Krug-Peltier berichtet, dass man so viel Impfstoff an Astrazeneca gelagert habe, dass man bei der nächsten Bestellung erst einmal weniger anfordern werde. Ein weiteres Problem bei der Durchimpfung der Bevölkerung ist nach der Aussage der Medizinerin, dass der Impfstoff Astrazeneca aktuell nur für Menschen bis zu einem Alter von 65 Jahren zugelassen sei.
„Sobald dieser Impfstoff für die Personen zwischen 65 und 80 zugelassen ist, können wir hier ganz anders arbeiten und weitaus mehr Menschen durchschleusen.“ Die Kapazitäten dafür habe das Impfzentrum allemal. „Stattdessen ist die Impfstraße, in der wir Astrazeneca verimpfen, teilweise völlig leer“, berichtet Krug-Peltier.
Am Dienstag meldete der Kreis 22 neue laborbestätigte Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt damit laut LZG auf 81,2. Damit liegt sie nach wie vor über dem Landesschnitt (NRW: 64,3). Zudem gibt es den nächsten Todesfall: Gestorben ist laut Kreis ein 85-jähriger Wiehler, der zuvor positiv auf das Virus getestet worden war. (ar)
Dabei war dem Kreis spätestens seit dem Impfstart am 27. Dezember bewusst, wie wichtig solche Listen sein könnten. Damals blieb erstmals Impfstoff übrig. Landrat Jochen Hagt hatte vor einigen Wochen eingeräumt, dass seinerzeit auch weitere Personen aus der Kreisverwaltung geimpft wurden, die dazu nicht berechtigt gewesen seien. Das, so Hagt zuletzt im Gesundheitsausschuss, sei aber vor allem auf die besondere Situation am ersten Tag der Impfung zurückzuführen gewesen.
Der Kreis hält sich bedeckt
Tatsächlich gab es in den Wochen danach eine Art Plan: Auch wegen interner Streitigkeiten aufgrund der frühen Impfung von Mitarbeitern der Kreisleitstelle wurde offenbar vor allem Personal des Rettungsdienstes aus den weiter übrig bleibenden Dosen geimpft. Wie das genau organisiert wurde, dazu hat sich der Kreis bisher immer bedeckt gehalten. Die ausdrückliche Nachfrage, ob es jetzt Listen für Nachrücker gebe und wie diese aufgestellt werden, haben die Verantwortlichen um Landrat Hagt sowohl auf Anfrage dieser Zeitung als auch auf Fragen aus der Politik bislang aber unbeantwortet gelassen. Aus gutem Grund, denn: Echte Listen gibt es nicht, wie jetzt auch der Kreis auf Nachfrage bestätigt.
Stattdessen werden die Impfteams, die vor Ort im Einsatz sind, mit der Entscheidung allein gelassen. Krug-Peltier berichtet, dass sich ihre Kolleginnen und Kollegen vor ihren Einsätze in den Altenheimen in ihren persönlichen Umfeld nach in Frage kommenden Impfkandidaten umschauen und diese ansprechen würden. Denn: Im Zweifel sind sie es, die am Ende Impfstoff wegschmeißen müssten.
Impfteams vor Ort tragen große Verantwortung
Keine einfache Aufgabe, aber eine, der die Mediziner durchaus gerecht werden, sagt die KV-Vorsitzende: „Gerade die niedergelassenen Hausärzte haben ja genügend Patienten aus dem Personenkreis Ü80.“ Werden sie vor ihrem eigentlichen Termin im Gummersbacher Impfzentrum von einem der mobilen Teams geimpft, müssen sie ihren Termin allerdings noch absagen.
Aber wen impft man, wenn die Gruppe der Über-80-Jährigen durchgeimpft ist? Was ist mit Menschen mit erheblichen Vorerkrankungen, die in Impfgruppe zwei zum Zuge kommen würden? Auch dafür gibt es keine Listen. Erst neulich hatte der Kreis auf Anfrage betont, für deren Impfung noch keine Vorbereitungen treffen zu können, weil es noch keine Vorgaben vom Land dafür gebe. Auch hier könnte man davon ausgehen, dass Ärzte aus der Praxis eher wissen, wen sie im Notfall anrufen können.
Trotzdem eine große Verantwortung für die Impfteams vor Ort: Wen impfen sie, wenn sie keinen mehr kennen? Und was sagt der Kreis dazu? „Als oberste Maxime ist ausgerufen, dass kein Impfstoff verfallen soll“, antwortet der Kreis auf Anfrage. Das heißt: Im Zweifel müssen die Impfteams immer noch jemanden von der Straße holen.
Macht das Sinn? Für das Impfzentrum selbst gebe es jetzt Nachrückerlisten, heißt es vom Kreis. Für mobile Teams in den Pflegeeinrichtungen „hat die Kreisverwaltung bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Düsseldorf um Benennung von Personen gebeten, welche zu der priorisierten Impfgruppe gehören, impfwillig sind und einen späten Impftermin erhalten haben“. Man warte aber noch auf Antwort, so der Kreis.Die könnte zu spät kommen: Selbst die Zweitimpfungen in den Einrichtungen stehen vor dem Abschluss. Bis dahin mussten die Impfteams vor Ort dafür sorgen, dass kein Impfstoff verloren geht. Ganz allein. Respekt!