Köln – Was geschieht eigentlich nach einer Dopingprobe? Spitzensportler müssen sie in allen Bereichen nach dem Rennen oder dem Schlusspfiff abgeben, ob in der Fußball-Bundesliga oder beim Ski-Langlauf. Positive Befunde landen bei der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) in Bonn, die die sportrechtlichen nächsten Schritte ausführt wie eine Sperre.
Doping Sonderdezernat sorgt für Expertise
Die NADA darf aber nicht mit einem Gerichtsbeschluss Wohnung durchsuchen. Dafür werden strafrechtliche Ermittler benötigt. Für die nötige Expertise in dem Bereich sorgt demnächst das neue Sonderdezernat Doping bei der Zentral- und Anlaufstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS) Nordrhein-Westfalen.
Die Landesregierung hat Anfang Dezember die Einrichtung einer solchen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft beschlossen, wie es sie bereits unter anderem in Bayern und in Baden-Württemberg gibt. „Wir nehmen die Einrichtung des Sonderdezernats sehr positiv auf“, sagt Dr. Lars Mortsiefer, Vorstandsmitglied der NADA: „Wir setzen uns bereits seit Jahren für solche Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften ein.“ Die Grundlage dafür ist das Anti-Doping-Gesetz von 2015, das die Landesregierung gleichermaßen befähigt und verpflichtet, das nötige Fachwissen im Bereich Doping aufzubauen.
Es geht darum die Hintermänner zu finden
Die Einheit in München unter der Leitung von Oberstaatsanwalt Kai Gräber hat bereits große Erfolge im Kampf gegen Doping erreicht. Zuletzt ging die Operation „Aderlass“ zu Beginn dieses Jahres durch die Medien. Einem Mediziner wurden 115 Fälle von gewerbsmäßigen Doping vorgeworfen. Unter anderem gehörte das Österreichische Langläufer-Ass Johannes Dürr zu den Sportlern, die auch vor Gericht aussagten.
Doch diese Hintermänner zu finden, Vertriebswege, Untergrundlabore, das wird die Arbeit des Sonderdezernats in NRW sein. „Die NADA bleibt Hauptlieferant an Ermittlungsansätzen. Aber eine positive Analyse allein reicht nicht für eine Strafverfolgung“, erklärt Chefjustiziar Mortsiefer. Er betont, wie wichtig ausgebildete Fahnder mit dem nötigen Fachwissen sind: „Doping ist keine Kriminalität, der man auf der Straße begegnet. Sie wird erst durch Ermittlungen aufgedeckt.“
Zollbeschlagnahmungen lassen auf Doping Markt in NRW schließen
Durch das Fehlen von Dopingtests gilt das im Freizeit- und Breitensport noch viel mehr als im Spitzensport. Vornehmlich die Bodybuilding-Szene hat den Ruf, dass dort in Sachen Bizeps und Waschbrettbauch mit Mittelchen nachgeholfen wird. Dr. Mario Thevis, Dopingexperte der internationalen Sporthochschule Köln (Spoho), bestätigt, dass es in diesem Segment keine Kontrollzahlen oder Analysen gibt. Das Vorkommen von Mittelchen zur Kraft- oder Muskelwachstumssteigerung sei eine Unbekannte. Lediglich aus den hohen Mengen von Tabletten, Injektionen und Substanzen, die der Zoll jährlich beschlagnahmt, sei abzuleiten, dass es in Deutschland und auch in NRW einen Markt gibt. Lars Mortsiefer von der NADA fügt hinzu, dass auch Funde von Grundsubstanzen für die Herstellung von Dopingmitteln bestätigen, dass es einen Markt gibt.
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In Deutschland hat der Zoll im vergangenen Jahr 191 Kilogramm Wirkstoffe, 102 000 Ampullen und 1,3 Millionen Tabletten beschlagnahmt. In der Jahresbilanz des Zollfahndungsamts in Essen, das für NRW und Teile der umliegenden Bundesländer zuständig ist, ist von 735 427 sichergestellten Tabletten die Rede – fast die Hälfte der bundesweit sichergestellten. 2014, vor dem Anti-Doping-Gesetz, berichtet der Zoll von 1929 Ermittlungsverfahren wegen Dopingmitteln. 2020 waren es erneut 1563 solcher Verfahren. Einer der Knotenpunkten ist laut Lars Mortsiefer der Flughafen Köln/Bonn.
90-95 Prozent der Fälle kommen wohl aus dem Breitensport
Zudem berichtet der Bonner Anwalt: „Die Erkenntnisse zeigen, dass 90 bis 95 Prozent der Fälle aus dem Freizeit- und Breitensport kommen.“ Wieso die Mittel bei Hobbyathleten Anklang finden, versucht Thevis von der Spoho zu erklären: „Die Frage ist: Werden diese Mittel für die sportliche Leistung oder das Erscheinungsbild eingesetzt? Im Freizeit- und Breitensport geht es wahrscheinlich seltener um die sportliche Leistungsfähigkeit.“
Meist gehe es also darum, sein Aussehen mit Mittelchen aufzubessern. Das Gefährliche daran: Die meisten dieser illegalen Steroide und Stimulanzien werden in sogenannten Untergrundlaboren hergestellt. Dort existieren keine Prüfungen, geschweige denn Qualitätssicherungen. „Bei vielen Proben haben sich andere Wirkstoffe gezeigt, als dem Etikett zu entnehmen waren“, berichtet Thevis.
Beispielsweise die Einnahme von Anabolika kann gefährlich sein: Bei Männern können die Hoden schrumpfen, Frauen können Bartwuchs und eine tiefere Stimme bekommen, Leberschäden seien nicht selten und im schlimmsten Fall könne eine Unterversorgung des Herzmuskels zum Infarkt führen. Trotz des Risikos existiert der Markt, vorrangig auch, weil die Gewinnmarge der Händler laut Mortsiefer „riesig“ sei. Deutlich größer als zum Beispiel bei Drogen.
Klärungsbedarf vor dem Start
Wann das Sonderdezernat seine Arbeit aufnimmt, steht noch nicht fest. Das Justizministerium des Landes erklärte auf Anfrage der Rundschau, dass die Frage des Umfangs und der Zuständigkeit noch geklärt werden müsse. „Ziel wird es sein, Strukturen zu schaffen, mit denen insbesondere organisierte Formen des durch Doping berührten Kriminalitätsfelds effektiver bekämpft werden können. Der konkrete Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme eines etwaigen Sonderdezernats kann noch nicht vorhergesagt werden.“