Neuer Alltag in LeverkusenWie Mitzwanziger mit Projekten die Corona-Zeit überbrücken
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Unsere Autorin gehört zu der Generation an Mitzwanzigern, für die Produktivität und Leistung der heilige Gral sind.
Corona macht dem jetzt einen Strich durch die Rechnung. Zukunftspläne und Verpflichtungen liegen auf Eis.
Eine Kolumne über das Nichtstun und den Antreiber im Kopf.
Leverkusen – Corona schenkt uns mehr freie Zeit. Weniger Verpflichtungen, weniger Termine, weniger Druck, weniger Hektik. Eigentlich. Denn was nach dem klingt, was sich alle immer wünschen, bedeutet in der Realität ein Übermaß an ungewohnter Stille und Ungewissheit. Das sind wir Mitzwanziger nicht gewohnt. G8 und die Bologna-Reform haben uns zur maximalen Effizienz erzogen. Die sozialen Medien spiegeln uns jeden Tag, was wir sein und wie wir aussehen könnten.
In Corona-Zeiten heißt das: Bananenbrot backen und Home Workouts, statt Reisen und Bewerbungen schreiben. Unsere Zukunftsplanung liegt auf Eis. Corona ist für manche die erste Erfahrung damit, dass sich das Leben nicht am Reißbrett entwerfen lässt. Der Einstieg in den Job verschiebt sich, Vorstellungsgespräche werden abgesagt, Nebenjobs gestrichen.
Das schlechte Gewissen und die Corona-To-Do-Liste
Sofort setzen ein automatisierter Reflex und die Frage ein, wie die gewonnene Zeit nun bestmöglich zu nutzen ist. Droht doch mal ein Moment der Entspannung, fragt sich eine kleine Stimme in unseren Köpfen, ob das so wohl wirklich okay ist. Ob wir nicht doch noch ein paar Seiten lesen sollten, statt Netflix einzuschalten? Drinnen auf der Couch bleiben, statt raus in die Sonne gehen - ist das erlaubt? Die Ausrede „zu wenig Zeit“ zieht nicht mehr. Dann also jetzt alles abarbeiten, was sonst immer liegengeblieben ist. In meinem Fall stand im Nu eine CoronaTo-Do-Liste. Projekt an Projekt, zu erledigen sofort und schnellstmöglich.
Es liegt sich deutlich besser auf dem Balkon, wenn der Papierstapel, Geschirr und offene Rechnungen nicht mehr im Kopf herumschwirren. Wenn allerdings das Prinzip „kein Aufschub geduldet“ angewendet wird und die Motivation in Frust kippt, wenn nicht alles nach Plan läuft - und wann tut es das gerade schon - ist niemandem geholfen. Das, was Corona uns an Entzerrung schenkt, füllen wir selbst wieder mit Druck und Stress auf.
Nichtstun und Serien statt selbstauferlegtem Stress
Wir sind es so sehr gewohnt, dem kleinen Antreiber in unseren Köpfen zu gehorchen, dass uns der Standby-Corona-Modus nervös macht. Und wir ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn wir die Zeit nicht produktiv nutzen. Am besten gleichzeitig chinesisch lernen, zur Sterneköchin mutieren, Online-Kurse absolvieren, jeden Tag Sport machen.
Ich für meinen Teil beschließe jetzt, meinen Antreiber zum Mond zu schießen. Innerlich habe ich den Sprachkurs gecancelt, der Sport pausiert seit einigen Tagen und mit dem Projekt Fotoalben komme ich gerade auch nicht voran. Stattdessen habe ich die zweite Staffel von Bad Banks im Usain Bolt Tempo durchgesuchtet und gelesen. Weil ich Lust dazu hatte. Das war Grund genug.