Minister-E-Mails zu A1-PlänenSo wurde Leverkusen fünf Jahre lang hingehalten
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Leverkusen – Es müsste ein politisches Wunder geschehen, andernfalls kommen sie: Die riesige neue, bis zu elfspurige A-1-Stelze und die fast ums Doppelte verbreiterte, dann zwölfspurige Autobahn 3, fast so breit wie die große Landebahn am Flughafen Köln/Bonn. Das alles wird laut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer jetzt so gebaut. Der Leverkusener Traum vom Tunnel ist geplatzt.
Viele sagen jetzt enttäuscht oder sogar demoralisiert, mit nichts anderem gerechnet zu haben. Roswitha Arnold (Grüne) hat wahrscheinlich recht, wenn sie mutmaßt, der Bund habe in einer gnadenlosen Hinhaltetaktik mit Nebelkerzen agiert. Tatsächlich gibt es handfeste Hinweise, dass die Entscheidung in den Behörden von Anfang an festgestanden hat.
Ringen um die Sprachregelung
E-Mails aus dem Landesverkehrsministerium, die unserer Zeitung vorliegen, zeigen das. Die Mails aus dem Jahr 2015, also ein Jahr vor dem wichtigen ersten Planfeststellungsbeschluss, machen die Entscheidungen und das Ringen um Kommunikation in der Baubehörde transparenter.
Dem damaligen Chefplaner von Straßen NRW, Christoph Jansen, war bei einer Presserunde vor ziemlich genau fünf Jahren herausgerutscht, dass für ihn – und damit Straßen NRW – der Bau einer neuen Stelze nach Erneuerung der Brücke und dem Kreuz „die Idealvorstellung“ sei. Sofort regte sich Widerspruch in Leverkusen. Auch in der Stadtverwaltung war man entsetzt nach den offenen Worten.
E-Mails gingen hin und her
Im Ministerium schickte man sich E-Mails hin und her, beriet wie man reagieren soll: „...war es mit dem Ministerium abgestimmt, dass H. Jansen bezgl. der Stelze in die Offensive geht?“, wollte ein Abteilungsleiter von der Presseabteilung wissen. Man verabredete, eine Sprachregelung zu erarbeiten. „Dann können wir [der Öffentlichkeit] mitteilen, dass wir uns erst nach Vorlage einer Machbarkeitsstudie eine Meinung bilden können“, schlug der Abteilungsleiter als Kommunikationsstrategie vor.
In das Ringen um die Sprachregelung band man damals auch den Landesbauminister Michael Groschek (SPD) selbst ein. Er erhielt eine Mail von seinem Ministerialdirektor Michael Heinze, zuständig für Infrastrukturbau. Auch die liegt dem »Leverkusener Anzeiger« vor.
Er riet seinem Minister: „Zusammengefasst: Der Tunnel ist doppelt so teuer, die Bauzeit doppelt so lang und er ist nicht uneingeschränkt für Gefahrguttransporte frei… Wenn man die Fakten in Summe betrachtet und abwägt, ist aus fachlicher Sicht anzuraten, möglichst frühzeitig für alle Beteiligten Klarheit und Planungssicherheit zu schaffen und die Tunnelvariante für die weitere Planung auszuschließen. Der Bund wird/kann den Bau nicht finanzieren, weil er nicht zwingend erforderlich ist.“
Und: „Der Bund wird den Tunnel öffentlich natürlich [zunächst, d. Red.] nicht ablehnen, er wird »lediglich« von Stadt und Land den Nachweis fordern, dass er zwingend erforderlich ist. Diesen Nachweis können wir aber nicht führen. Die Frage ist, ob wir uns […] diese am Ende fruchtlosen Verhandlungen antun sollten?“ Den Autobahnbau zahlt der Bund, für Pläne und die Ausführung war bisher aber das Land zuständig. Groscheks Antwort ist nicht bekannt.
Aber bekannt ist, man tat sich die „fruchtlosen Verhandlungen“ an und erklärte immer, dass ergebnisoffen geprüft werde. Für einen Tunnel setzte sich Minister Groschek jedenfalls nie öffentlich ein, obwohl der für die Leverkusener Bürger sicherlich die beste Variante gewesen wäre. Unnötig zu erwähnen, dass aus einer solchen Behördenhaltung keine Überzeugungskraft gegenüber einem letztlich federführenden, stets aus dem fernen Bayern geführten Bundesministerium erwachsen kann.
Dass auch die chemische Industrie früh mit am Ball war, als es um die Entscheidung pro oder contra Tunnel ging, ist keine Verschwörungstheorie. Es gab eine klare Ablehnung wegen der Gefahrguttransporte. In der E-Mail von Heinze an Minister Groschek steht wörtlich dieser Satz: „Sowohl Oberbürgermeister Richrath wie auch Herr Deimel von der Chemischen Industrie wünschen sich eine mit Ihnen eng abgestimmte Kommunikation nach draußen. Herrn Deimel sehen Sie am Donnerstag, Herr Richrath würde sich über einen Anruf freuen.“ Gerd Deimel ist ein Lobbyist des Verbands der Chemischen Industrie.
Vorsichtig formuliert
Tatsächlich wurde ab 2015 aus den Landes- und Bundesbehörden immer sehr vorsichtig kommuniziert, die Aussicht auf einen Tunnel von den Behörden nicht mehr öffentlich in Frage gestellt, so wie es Jansen getan hatte.
Wäre irgendetwas anders gelaufen, hätte es mehr Proteste gegeben, wenn Minister Groschek auf seinen Ministerialdirektor gehört und den Leverkusenern schon 2015 reinen Wein eingeschenkt hätte? Möglich, denn dann wären die Fronten klarer gewesen.