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„Leader-Region Voreifel“Fünf Kommunen wollen die Voreifel voranbringen

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Die Swist, hier in Heimerzheim, verbindet die linksrheinischen Voreifel-Kommunen Swisttal, Rheinbach, Meckenheim, Wachtberg und Euskirchen.

Rhein-Sieg-Kreis – „Gemeinsam wiederauferstehen aus dem Schlamm und der Verwüstung – Hand in Hand in eine neue Zukunft“, das haben sich die linksrheinischen Kommunen Swisttal, Rheinbach, Meckenheim, Wachtberg und Euskirchen nach der Starkregenkatastrophe auf die Fahne geschrieben. Gemeinsam bewarben sie sich als „LEADER-Region Voreifel“ mit dem Projektnamen „Die Bäche der Swist“, um Fördermittel aus der Europäischen Union und hatten damit auch Erfolg.

Den Voreifelkommunen in der „Leader-Region“ stehen von nächstem Jahr an bis 2027 insgesamt 2,7 Millionen Euro aus dem EU-Landwirtschaftsfond und aus Landesmitteln zu Verfügung. Den Eigenanteil der Kommunen in Höhe von etwa 350.000 Euro will der Rhein-Sieg-Kreis übernehmen.

Das erläuterte Initiatorin Angela Gilges vom Bürgerverein Odendorf jüngst dem Swisttaler Gemeinderat. Außerdem könnten zusätzliche kleine Projekte zum Wiederaufbau nach der Flut aus einem Regionalbudget gefördert werden. Dazu zählten etwa Einrichtungsgegenstände, Material für Zeltlager, Spielplatzerneuerung, Storchennester oder Dachsanierungen.

Wobei es allerdings keine „Betonförderung“ gebe, also nicht in Gebäude oder Infrastruktur investiert werden dürfe. Vielmehr solle hauptsächlich ehrenamtliches Engagement unterstützt werden.

Regionale Aktionsgruppe soll entstehen

Zunächst sei eine regionale Entwicklungsstrategie mit dem Titel „Bäche der Swist – gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft!“ entwickelt worden, so Gilges. Sie solle als Leitbild und Leitidee für die kommenden fünf Jahre dienen. „Die Bäche der Swist zeigen einerseits die Verletzlichkeit unserer Umwelt. Sie sorgen andererseits aber auch für ein Miteinander und die Entwicklung unserer nachhaltigen Zukunft“, sagte Gilges.

Dabei sollen die regionalen Akteure „stark mit eingebunden werden“. Die Bildung einer regionalen Aktionsgruppe ist beabsichtigt, in der möglichst viele Bürger und die in der Region ansässigen „Wirtschafts- und Sozialpartner“ mitarbeiten sollen. Die Aktionsgruppe werde sich aus öffentlichen, privaten und gesellschaftlichen Vertretern zusammensetzen, zumindest zu einem Drittel aus Frauen bestehen und auch die Interessen von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen. Wobei keine einzelne Gruppe mehr als 49 Prozent einnehmen dürfe.

Weiter wurden drei Handlungsfelder identifiziert mit jeweils drei bis sechs Unterpunkten, die als Rahmen für künftige Aktivitäten dienen sollen. „Handlungsfeld 1“ dreht sich darum, die Dörfer wiederzubeleben und das Miteinander weiterzuentwickeln. „Handlungsfeld 2“ will den Natur- und Kulturraum stärken und die Umwelt verstehen. „Handlungsfeld 3“ schließlich kümmert sich um die nachhaltige Wirtschaft und den regionalen Arbeitsmarkt.

Schließlich wurden die beiden „Querschnittsziele“ namens „Resilienz“ und „Element Wasser“ festgelegt. Resilienz schaffen heißt Widerstandsfähigkeit aufbauen. So könne ökologische, ökonomische und soziale Resilienz durch Lernen aus der Katastrophe verbessert werden. Das Element Wasser sei ein Merkmal der regionalen Identität, denn die Voreifel sei geprägt von kleinen Bächen. Wasser spiele für die Kulturlandschaft eine große Rolle, unter anderem für die Bewässerung der Sonderkulturen. Die Bewohner müssten mit dem Wasser leben, das sich mitunter auch zu einer mit Schmerz und Verlust verbundenen Bedrohung verwandeln könne, was angesichts der beiden Hochwasser von 2016 und 2021 nachvollziehbar sei. Zudem erhoffen sich die beteiligten Kommunen, dass mit dem „Leader-Projekt“ die nachbarschaftliche und überregionale Hilfe und das starke Gemeinschaftsgefühl, das nach der Flut zu erleben war, erhalten und gestärkt werden können.

Stärkere und bessere Vernetzung untereinander

Vernetzung zwischen Jung und Alt, zwischen den einzelnen Dörfern und nicht zuletzt zwischen „Alteingesessenen“ und „Zugezogenen“ steht ebenfalls auf der Agenda, etwa durch gemeinsame Aktivitäten wie Musik, Theater, Lesungen oder Feiern. Kinder und Jugendliche sowie die älteste Generation sollen mit ihren Wünschen und Plänen ebenfalls aktiv am Wiederaufbau beteiligt werden. „Dorfverschönerungen, Dorfgastronomie, dörfliche Wirtschaft und Sportmöglichkeiten sollen aus der Taufe gehoben werden und somit das Leben nach der Zerstörung durch die Flut doppelt so stark zurückkommen“, so Gilges.

Nach der Förderzusage müsse nun als erstes eine lokale Aktionsgruppe als Verein gegründet werden, deren durch die Mitgliederversammlung gewählter Vorstand letztlich die Projekte auswähle, die zum Zuge kommen sollen. Außerdem seien anderthalb Vollzeitstellen des Regionalmanagements auszuschreiben. Anfang 2023 sei dann mit der offiziellen Anerkennung als „Leader-Region“ zu rechnen. Dann solle auch das Regionalmanagement seine Arbeit aufnehmen und die ersten Projektaufrufe starten. Im kommenden Jahr schon sei auch eine Vernetzung mit weiteren Leader-Regionen wünschenswert, mit denen Kooperationsprojekte ausgearbeitet werden sollen.

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Die Pflege von Streuobstwiesen, wie hier durch den Streuobstwiesenverein Swisttal mit (v. l.) Rainer Bartsch-Pago, Paul Pago und Thomas Riedl, ist eines der möglichen Projekte.

Zum Schluss nannte Gilges auch schon einige mögliche Projekte. In Meckenheim könnte etwa ein „Makerspace“ (das heißt Raum für Macher) als Werkstatt für alle entstehen, in der Kindern und Jugendlichen ein Raum geboten werde, um das Handwerk zu entdecken. Damit sollen junge Menschen für gewerbliche Arbeit begeistert und vor Ort gehalten werden. Ein „Begegnungsmobil“ und ein „Klön- und Reparaturbus“ als mobile Begegnungsstätten seien denkbar, die zu festen Zeiten die einzelnen Dörfer anfahren. „Das wäre ein mobiler Ort des Beisammenseins, für Gespräche von Herz zu Herz, aber auch ein Ort für gemeinsames Werkeln bei leckerem Kaffee.“

Die Steinbachtalsperre könne als Ort der Naherholung und Bildung weiterentwickelt werden, rund um die Themen Wasser, Forst, Natur und Umwelt. Obstfeste mit mobilen Saftpressen seien ebenso wie gemeinsame Obst-Sammeltage und Einkochtage sowie Kooperationen mit den heimischen Streuobstwiesenvereinen denkbar. Das gelte auch für „Dorfgärten für die Region“, indem neu ausgewiesene Überflutungsgebiete als Orte der Begegnung genutzt und zum Teil in Permakultur angelegt werden könnten. Gemeinsam mit dem „Naturpark Rheinland“ könnte ein „Blaues Klassenzimmer“ an der Swist zur Wasser- und Umweltbildung angelegt werden. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und der Landwirtschaftskammer sollen „Humusaufbau und Dekarbonisierung“ die Wasseraufnahmekapazität landwirtschaftlicher Böden verbessern und zugleich CO2 binden. Die Idee von „Schwammdörfern“ ist es, anfallendes Regenwasser in Retentionsflächen lokal aufzunehmen und zu speichern und es dann zeitvermindert wieder abzugeben.

Entscheidend für den Erfolg sei allerdings die Einbindung der Menschen vor Ort und deren anhaltendes Engagement für das Leader-Projekt, findet Gilges. Diese könnten sich dann in verschiedenen Arbeitsgruppen einbringen, die zum Teil bereits bestehen und zum Teil noch gegründet werden sollen. Erste Exkursionen der bereits vorhandene Arbeitsgruppen habe es schon gegeben. So habe sich die Forstwirtschafts-AG das „Life+“-Projekt „Villewälder im Kottenforst“ zum Thema Wasser und Wald angeschaut. Die Landwirtschafts-AG habe sich über regenerative Landwirtschaft auf Gut Hohn und zum Thema Humusaufbau informiert. Die Dorfgärten-AG schließlich besuchte Schloss Türnich mit Blick auf Agroforst und Permakultur. „Wir müssen vor allem die Jugend mitnehmen, denn das ganze Projekt lebt einzig und allein von den Menschen, die sich bereit erklären, mitzumachen“, schloss Gilges ihren Vortrag.