AboAbonnieren

Kohlebahnen für GütertransportSchienennetz von RWE soll Bahn-Knoten Köln entlasten

Lesezeit 6 Minuten

Die Braunkohleindustrie geht – was bleibt? Unter anderem ein Gleisnetz von 300 Kilometer Länge, davon 185 Kilometer für den Schwerlastverkehr: Die Werksbahn von RWE Power ist eine der größten Privatbahnen Deutschlands.

Sollen mit Kohlezügen auch die Schienen verschwinden? Oder kann die Infrastruktur weiter genutzt werden? Das Land NRW schreibt jetzt einen entsprechenden Untersuchungsauftrag aus.

Grafik Hambachbahn

Eine Prüfung, ergebnisoffen. Der Studienauftrag schließt nach Rundschau-Informationen alle Überlegungen ein, die dazu führen können, das Schienennetz der RWE Power AG in das öffentliche Schienennetz zu integrieren. Getreu der Linie von Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU), keinen Kilometer Schiene voreilig aufzugeben.

Die Trassen

Herzstück der RWE-Werksbahn sind zwei zweigleisige Strecken: Die Nord-Süd-Bahn verbindet Grevenbroich-Frimmersdorf im Norden mit dem Industriegebiet Hürth-Knapsack im Süden, die Hambachbahn zweigt bei Bergheim-Niederaußem ab und verläuft im Westen parallel zur A4 und zur Bahnstrecke Köln–Aachen. Hauptzweck der Anlagen: Kohle von den Tagebauen Hambach und Garzweiler zu den RWE-Kraftwerken und Veredelungsbetrieben (wie der Brikettfabrik in Frechen) zu bringen. Auch Lössboden und Ton für die Rekultivierung können befördert werden, ebenso Braunkohlestaubwagen zur Übergabe an andere Bahnen.

In spätestens 17 Jahren ist das alles Geschichte. Was passiert, wenn der letzte Kohlenzug entladen worden ist? Immerhin liegt hier ein Gleisnetz, das – teils direkt, teils über die Kölner Stadtwerketochter HGK – mit wichtigen Strecken der Deutschen Bahn (DB) verknüpft ist. Im Norden ist das vor allem die Linie Köln–Venlo, der „Eiserne Rhein“, die zentrale Gütermagistrale für den Verkehr mit dem Hafen Antwerpen. Hinzu kommt die derzeit nur regional bedeutende Linie Horrem–Düsseldorf. Im Süden gibt es zwei Anschlüsse ans HGK-Netz. Besonders wichtig ist die Verbindung zur „Schwarzen Bahn“: Über diese HGK-Strecke von Knapsack durchs Hürther Tälchen und ihre Fortsetzungen ist nicht nur der Rheinhafen Köln-Godorf erreichbar, sondern auch das Containerterminal Eifeltor. Und vor allem: die linke Rheinstrecke nach Mainz (auch wenn die Züge dafür derzeit an der Brühler Bahnhofseinfahrt ein spektakuläres Wendemanöver einlegen müssten). Die Strecke Köln–Aachen dagegen wäre, obwohl sie die Nord-Süd-Bahn kreuzt, zurzeit nur auf Umwegen zu erreichen. Aber von der Hambachbahn aus ließe sich ein direkter Anschluss herstellen.

RWE selbst hat vorgeschlagen, die alten Trassen künftig zu nutzen, um den überlasteten Knoten Köln großräumig zu umfahren. Das also könnte die Perspektive der alten Kohlebahn sein: Güterzüge aus Belgien und den Niederlanden werden weit vor der Kölner Stadtgrenze aus den Fernstrecken ausgefädelt. Sie fahren an Köln vorbei Richtung Süddeutschland, Schweiz und Italien. Auch Züge aus dem Ruhrgebiet könnten über Rommerskirchen und das heutige RWE-Netz nach Süden rollen – und umgekehrt.

Das Untersuchungsziel

Das Wüst-Ministerium lässt die Frage untersuchen, inwieweit die bisherigen Kohlebahnen für den Gütertransport genutzt werden können, nicht für den Personenverkehr. Der Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) müssen also weiter warten.

NVR und VRR wollten die Nutzung des RWE-Netzes im öffentlichen Nahverkehr prüfen. Gemeinsam mit RWE hatte man sich um eine entsprechende Machbarkeitsstudie beworben: Regionalzüge hätten Wohngebiete am Rand der bisherigen Tagebaue erschließen und Querverbindungen schaffen können, eine Art Kölner Westtangente. Bisher ist zum Beispiel die Rhein-Erft-Kreisstadt Bergheim von Wesseling, Hürth oder Brühl aus per Bahn nur über Köln erreichbar. Dabei wird es wohl zunächst bleiben, die von VRR und NVR gewünschte Untersuchung ist nicht in Sicht. Die jetzt ausgeschriebene Studie bezieht sich ausdrücklich nur auf den Güterverkehr. Die Frage des Personenverkehrs gilt als weiterhin offen.

Die Technik

Aber können „normale“ Güterzüge überhaupt auf dem RWE-Netz fahren? Grundsätzliche Antwort: Sie können, deshalb gibt es ja überhaupt die Gleisanschlüsse. Aber es bestehen ein paar wichtige Einschränkungen.

Ohne weiteres nutzbar sind die Gleise selbst: Die Spurweite beträgt 1,435 Meter wie bei der Deutschen Bahn, es werden Standardschienen verbaut. Auf den Hauptachsen nach der Norm UIC 60, bekannt von Hochleistungsstrecken überall in Europa. RWE-eigene Waggons sind bis zu vier Meter breit – das ist viel mehr als im europäischen Güterverkehr maximal erforderlich (3,15 Meter). „Einer Nutzung durch Züge der DB beziehungsweise durch Züge mit Standardabmessungen steht also kein mechanisches Hindernis entgegen“, heißt es bei RWE.

Auch beim zulässigen Gewicht der Züge werden die Normen übererfüllt. Autofahrer würden jetzt nach der Achslast fragen, aber das mögen Eisenbahner nicht hören. Waggons haben keine Achsen, also heißt es – Achtung! – Radsatzlast. Die RWE-Strecken halten da 35 Tonnen aus. Standard für Neubauten in Deutschland ist eine Radsatzlast von maximal 22,5 Tonnen.

Der Güterverkehr der heutigen RWE Power AG

1918

Die Cöln-Bonner Kreisbahnen nehmen die „Schwarze Bahn“, damals noch von Hürth-Hermülheim nach Berrenrath, in Betrieb. Sie wird später bis Köln-Sülz verlängert (Güterbahnhof in Betrieb bis 1974).

1957

Die Roddergrube, ein Vorläuferunternehmen der Rheinbraun (heute RWE Power), nimmt die Nord-Süd-Bahn in Betrieb.

1968

Der Personenverkehr auf der „Schwarzen Bahn“ wird eingestellt.

1972

Die „Schwarze Bahn“ dient nun auch dem Rheinbraun-Werksverkehr, wird mit der Nord-Süd-Bahn verbunden und vorübergehend elektrifiziert (bis 1987).

1983

Die Hambachbahn geht in Betrieb.

2014

Wegen der Erweiterung des Tagebaus Hambach fährt die Hambachbahn auf einer neuen Trasse parallel zur A4. (rn)

Allerdings müssten die Strecken komplett neu mit Signalen ausgestattet werden, das RWE-eigene System entspricht nicht dem bundesweiten Standard. Und dann ist da noch der Strom. Das RWE-Netz ist zum größten Teil elektrifiziert, aber mit einem europaweit einzigartigen System: Wechselstrom mit 50 Hertz (dreimal so viel wie bei der DB) und 6000 Volt Spannung (DB: 15 000 Volt). Kein handelsübliches Fahrzeug verträgt den RWE-Bahnstrom. Die mehr als 140 Tonnen schweren RWE-Loks sind Spezialkonstruktionen. Spitzentempo: 60 km/h.

Und auch wenn man Signale und Stromversorgung auf der RWE-Werksbahn anpasst und das zulässige Tempo erhöht, bleibt der HGK-Anschluss nach Süden ein Problem, nicht nur wegen der verzwickten Streckenführung in Brühl: Wo bei der HGK heute noch Fahrdraht hängt, führt er Gleichstrom für die Stadtbahn. Auf der „Schwarzen Bahn“ ist die Oberleitung längst demontiert. Und zwischen Hürth-Fischenich und Brühl müssten sich die Güterzüge nach heutigem Stand die Gleise mit der zeitweise im Zehn-Minuten-Takt fahrenden Linie 18 teilen. Hier wären also Ausbauten nötig.

Die Zeitachse

RWE legt zwar einen Kraftwerksblock nach dem anderen still. Aber solange noch Strom aus Braunkohle erzeugt wird, braucht das Unternehmen seine Werksbahn selbst, um die Kraftwerke zu versorgen. Hambachkohle wird noch bis 2029 gefördert und transportiert, Garzweiler läuft spätestens 2038, vielleicht schon 2035 aus. Danach könnten die Umbauarbeiten beginnen.

Eine Zwischennutzung, ein vorübergehender Mischbetrieb von Kohlezügen und dieselbetriebenen Zügen anderer Bahnen, scheidet für RWE dagegen aus. Sprecher Guido Steffen verweist auf eine Stellungnahme seines Unternehmens: Die Kohlezüge fahren „so, wie die Abnehmer Nachschub benötigen“ – also ohne Fahrplan. Wo es den nicht gibt, lassen sich auch keine Zeitfenster für fremde Güterzüge einbauen. „Wegen dieser betrieblichen Anforderungen kann das Werksbahnnetz erst nach Ende der Braunkohlen- und Lösstransporte durch Dritte genutzt werden.“