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Keine Hilfe vom StadtratBürger sorgen sich um die Entwicklung Manforts

Lesezeit 4 Minuten
  1. Die für Manfort zuständige Bezirksvertretung I hatte im Oktober noch einstimmig ein umfassendes Stadtteilkonzept gefordert, mit dem ein soziales Abdriften des Stadtteils entgegengewirkt werden soll und seine Infraksturktur verbessert werden soll.
  2. Im März beschlossen sie nun faktisch ein Nichtstun.

Leverkusen – Ist Manfort gegenwärtig der Problemstadtteil Leverkusens schlechthin? Rolf Müller sieht es so. Der 65-Jährige, der immer schon an der Kalkstraße gewohnt hat, sieht die Entwicklung seit vielen Jahren mit Sorge.Dass allerdings der Stadtrat sich jetzt einstimmig dagegen entschieden hat, mit Hilfe eines Integrierten Handlungskonzeptes etwas für Manfort zu tun, treibt Müller die Zornesröte ins Gesicht. Er hat sich mit einem guten Dutzend alter Manforter zusammengetan, die sich schon einmal in der Initiative „Wir in Manfort“ und im Kampf um den Erhalt der Blutbuche im Morsbroicher Schlosspark eingesetzt hatten, und eine Interessengemeinschaft „Für Manfort“ ins Leben gerufen.

Nur nicht aufgeben, ist sein Motto, und er beruft sich auf die ursprünglich aus Liverpool stammende Fußball-Hymne „You’ll Never Walk Alone“, die zum unbeirrten Weitergehen ermuntert, stets mit Hoffnung im Herzen.

„Die Manforter sehen sich durch die Entscheidung des Stadtrates politisch nicht mehr vertreten“, erregen sich Müller und seine Mitstreiter über das Votum vom 1. März. Hatte die für Manfort zuständige Bezirksvertretung I im Oktober noch einstimmig ein umfassendes Stadtteilkonzept gefordert, mit dem einem sozialen Abdriften des Stadtteils entgegenwirkt und seine Infrastruktur nachhaltig verbessert werden sollte, so beschloss der Rat im März nun faktisch ein Nichtstun.

Kein Personal vorhanden

Nicht, weil die Notwendigkeit nicht anerkannt worden wäre. Allein mit Personalmangel in der Verwaltung wurde die Ablehnung begründet. Stadtkämmerer Frank Stein hatte die Ampel auf Rot gestellt und erklärt, dass eine Förderung Manforts wünschenswert sei, es aber für mehr Personal kein Geld gebe. Der Rat fügte sich widerspruchslos.

Nicht so Rolf Müller. Er erinnert an die systematische Zerstörung Manforts: „Was der Zweite Weltkrieg nicht geschafft hat, erfolgte ab den 50er-Jahren durch die städtische Abrissbirne. Manfort wurde durch die damaligen städtischen Verkehrsplaner mit ihrer verfehlten Politik einer autogerechten Stadt als Durchgangspiste von Wiesdorf ins Bergische Land eindeutig vergewaltigt.“Durch den Ausbau von Manforter Straße und Bahnstraße in die vierspurige Gustav-Heinemann-Straße wurde der Kern Manforts vernichtet. „Von insgesamt 136 bestehenden Bürgerhäusern fielen 97 Altgebäude dem Abriss zum Opfer. Auch das Umfeld am Bahnhof Schlebusch wurde plattgemacht, der Manforter Platz als eigentlicher Ortskern dem Stadtteil Wiesdorf zugeschlagen. Es war ein Aderlass an Gebäuden, von dem sich Manfort bis heute nicht erholt hat.“

Für ein soziales Miteinander im zerschnittenen Stadtteil Manfort will sich Rolf Müller mit Gleichgesinnten engagieren.

Aber abgesehen von der radikalen baulichen Veränderung des Stadtteils – Rolf Müller spricht von einer „gewollten Kernschmelze und Enthauptung Manforts“ – leidet der Stadtteil nicht nur unter seiner Zerteilung durch Verkehrsschneisen. Die soziale Struktur des Stadtteils wurde völlig umgekrempelt und wird allgemein als problematisch angesehen. 16,4 Prozent der Haushalte leben von Zuwendungen der Sozialbehörden, über 40 Prozent der Einwohner haben einen Migrationshintergrund. Die Einkommen liegen unter dem städtischen Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit deutlich darüber.

„Ein Armutszeugnis“

Die Ablehnung eines Handlungskonzeptes im Stadtrat ist für Alt-Manforter Rolf Müller und seine Mitstreiter daher „nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch ein Hinweis auf fehlende Fürsorgepflicht und Beweis gegen eine zeitgerechte Wiedergutmachung und Gesundung Manforts anzusehen“.Die Stadt versäume die Nutzung von Landesmitteln, wo diese am meisten gebraucht würden. Mit einer solchen Politik mache sich der Rat womöglich indirekt zu einem Steigbügelhalter der AfD in diesem Stadtteil.Dass stattdessen in einem Ausmaß von knapp 15 Millionen Euro weitere Fördermittel in ein Stadtteilkonzept nach Opladen fließen, will Müller den Opladenern zwar ebenso gönnen wie deren eigenes Autokennzeichen. Doch wären diese Mittel in seinen Augen eine angemessene Soforthilfe-Maßnahme für Manfort. Er selbst will jedenfalls mit dafür sorgen, dass Manfort nicht länger übergangen wird, sondern seine Stimme vernehmlich erhebt. Nicht nur die Geschäftsleute, auch die Einwohner, die sozialen Einrichtungen, die Kirchen sollen sich für ihren Stadtteil engagieren und auch Forderungen artikulieren. „Wir müssen jetzt mit der Faust auf den Tisch hauen!“, so Müller.

Denn in Manfort müsse deutlich mehr geschehen als lediglich die jetzt zugesagte Einrichtung einer Quartieranlaufsstelle, die die Integration für Flüchtlingen fördern solle. Sonst sei dies letztlich nur, was Sozialdezernent Markus Märtens als soziale Flickschusterei anstelle eines ganzheitlichen Ansatzes abgelehnt hat.