Heimat-Check LeverkusenIm „Dorf Schlebusch“ kennt und trifft man sich
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Leverkusen-Schlebusch – Wo kann man in Leverkusen am Besten einkaufen? Doch sicher in Wiesdorf, wo Rathaus-Galerie und die Einkaufszone das bunteste Angebot liefern? Oder in der ehemaligen Kreisstadt Opladen mit der langen Fußgängerzone? Die Teilnehmer an der Online-Umfrage zum „Heimat-Check“ haben ein klares Urteil gefällt: Mit der Note von 2,7 für die Einkaufsmöglichkeiten liegt Schlebusch weit vor Opladen (3,5) und auch noch vor Wiesdorf (2,9).
Fußgängerzone hilft dem Viertel
Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses kleinen Zentrums in Zeiten von großen Einkaufstempeln und Onlinehandel? „Die wichtigste Grundlage war sicherlich, dass man sich damals dazu durchgerungen hat, eine Fußgängerzone zu bauen“, sagt Hans-Peter Teitscheid von der Werbe- und Fördergemeinschaft Schlebusch (WFG).
„Sonst hätten wir hier heute Verhältnisse wie in Manfort.“ Dem Bayer-Konzern wäre eine Schnellstraße lieber gewesen, um die Mitarbeiter reibungslos zum Werk zu transportieren. Auch innerhalb der WFG habe es unterschiedliche Meinungen gegeben, erinnert sich Teitscheid.
Im Text zur Eröffnung der Fußgängerzone am 5. August 1994 steht im „Leverkusener Anzeiger“: „Schlebusch – das Klein-Paris von Leverkusen?“ Dabei geht es um den Bogen, der am südlichen Eingang den Beginn der Fußgängerzone markiert und den damaligen Autor des Textes an die „Grande Arche“ der französischen Hauptstadt erinnerte. 40 Jahre Vorbereitung, vier Jahre Bauzeit und 4,8 Millionen Mark (und damit fast eine Millionen weniger als veranschlagt!) habe der Bau der Fußgängerzone gebraucht.
Nicht Paris, sondern Dorf
Die haben sich mittlerweile zigfach bezahlt gemacht. Schlebusch blüht, die Fußgängerzone hat kaum Leerstand, die Stühle der Cafés und Restaurants sind immer gut besetzt und während sich in Opladen Spielhallen und Billigläden breit machen, gibt es hier viele inhabergeführte und Spezialgeschäfte, die zum Teil seit Jahrzehnten an ihrem Standort sind. Und zwar vor allem, weil Schlebusch kein bisschen Paris, sondern immer Dorf geblieben ist. „Wir gehen ins Dorf“, ist nicht nur bei den alteingesessenen Schlebuschern ein geflügeltes Wort, auch die vielen jungen Familien, die sich hier angesiedelt haben, übernehmen das gerne.
„Die dörfliche Atmosphäre ist das besondere an Schlebusch“, sagt auch Verena Thelen die schon ihr ganzes Berufsleben bei Heicken Optik arbeitet. „Viele unserer Kunden kennen sich, es wird viel gesprochen und die Leute fühlen sich hier zu Hause.“ Wenn sie mal in der Filiale in Burscheid aushelfe, bemerke sie schon Mentalitätsunterschiede. „Die Burscheider sind eher pragmatischer und bodenständiger, sie lassen sich gerne alle Details erklären.“ Der Schlebuscher dagegen quatscht auch gerne über persönliches, ihm ist individuelle Beratung und Herzlichkeit wichtig. „Mittlerweile haben wir Kunden in der dritten Generation, da kennt man auch die Familiengeschichten und tauscht sich gerne aus“, sagt Thelen.
Eine gute Entscheidung sei sicher auch der Erhalt der alten Bausubstanz aus Altbau und Gründerzeitfassaden gewesen, sagt Teitscheid. „Das spielt schon eine Rolle, das es hier als schnuckelig und zum Wohlfühlen empfunden wird.“ Umso wichtiger sei es, dass an die Stelle der Ruine des 2003 durch Brandstiftung stark beschädigten Restaurants Alt-Schlebusch „etwas vernünftiges hinkommt“, wie Teitscheid es ausdrückt. Nachdem 16 Jahre lang über den „Schandfleck“ in der Fußgängerzone gestritten wurde, laufen seit August die Abbrucharbeiten. Wenn auch schleppend – es tut sich etwas.
Neue Veranstaltungen für Schlebusch
Dass sich etwas tun muss, um das Leben und Einkaufen in der neuen Fußgängerzone am Laufen zu halten, dessen war sich auch die WFG bewusst und beschloss, nicht mehr nur gemeinsam ein Weihnachts- und ein Sommerfest zu organisieren. Sondern auch Veranstaltungen ins Leben zu rufen, die unverwechselbar für Schlebusch stehen. Heute ist der Veranstaltungskalender voll: Seit 26 Jahren gibt es die Aktion „Kunst im Schaufenster“, dazu kommt der Schlebuscher Kindertag, der Blumenmarkt „Blühendes Schlebusch“, das Schlebuscher Wochenende mit internationalen Ständen, der Martins- und Adventsmarkt. Und der Bauernmarkt, der immer donnerstags und samstags auf dem Arkadenplatz stattfindet.
Das sind auch die Tage, an denen das Modegeschäft „Peppys“ besonders gut besucht ist. „Natürlich haben wir an den Aktions- und Markttagen eine deutlich höhere Kundenfrequenz“, sagt Geschäftsführer Andreas Caspari. Seit mehr als 20 Jahren verkaufen er und seine Frau in Schlebusch Mode für Kinder und Erwachsene. Die Konkurrenz der Rathaus-Galerie haben sie dabei nie wirklich gespürt. „Die Kunden haben an Schlebusch einen anderen Anspruch. Es ist klar, dass die Auswahl hier nicht so riesig ist, dafür zählt hier der persönliche Kontakt und die Beratung, während Wiesdorf eher anonym ist.“
Eine Sorge teilen alle Ladeninhaber: Sie sehen ihr Erfolgsgeheimnis durch die neu eingeführten Parkgebühren bedroht. „Wir merken bei den Bestellungen in unseren Online-Shops, dass Kunden etwa aus Burscheid sich teilweise lieber beliefern lassen, als zu uns zu kommen“, sagt Dirk Müller, Geschäftsführer der „Nähszene“, die unter verschiedenen Namen seit 1950 in Schlebusch Stoffe und Nähbedarf anbietet. „Und Kunden aus dem Kölner Norden fahren teilweise eher in unsere Filiale nach Düsseldorf, weil dort weniger Verkehr und mehr Parkplätze sind.“ Trotz der großen Tradition hänge er nicht unbedingt an dem Standort Schlebusch, wenn sich an der aktuellen Park- und Verkehrssituation nichts ändere. „Es gibt mittlerweile auch viele attraktive Angebote auf der grünen Wiese.“ Damit habe er in Düsseldorf gute Erfahrungen gemacht.
Verena Thelen beobachtet, dass die Parkgebühren die Kunden zwar bislang nicht abhalten, sie aber unentspannter machen. „Einige schauen häufiger auf die Uhr und sagen: Jetzt muss ich aber zurück zum Auto.“ Die Höchstparkdauer im Bereich auf und um den Marktplatz beträgt derzeit zwei Stunden. Danach muss Geld nachgeworfen oder an der Parkscheibe gedreht werden. Das versetze viel Kunden in Unruhe und sie gehen eher zurück, als noch durch einen Laden zu bummeln, einen Kaffee zu trinken oder einen Plausch zu halten. Und Stress ist das, was die Schlebuscher Fußgängerzone am wenigsten gebrauchen kann. Das Dorf lebt von seiner Gemütlichkeit.