AboAbonnieren

Gute Laune als Therapie

Lesezeit 3 Minuten

Durch die Lieder werden Erinnerungen hervorgerufen, das Gedächtnis für Melodien und Texte wird trainiert, motorische Abläufe geübt: Musikgeragogik macht den älteren Menschen Spaß.

Die Frauen sitzen im Halbkreis, klatschen, stampfen und schwingen die Arme im Rhythmus. Es wird gelacht und mitgesungen, die Melodien kennen sie alle. Helge Weber hat die Akkordeontöne auf dem Keyboard eingestellt und begleitet die wohlbekannten Volkslieder. Weber, der eigentlich als Pflegefachkraft im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt Schlebusch arbeitet, hat sein Aufgabengebiet ausgeweitet: Seit zwei Jahren trifft man sich jeden Freitag im Gemeinschaftssaal an der Tempelhofstraße, um gemeinsam zu singen und zu musizieren – und im Sitzen zu tanzen.

Die Älteste ist 92 Jahre alt

Lissi Weyer hat sichtlich Spaß an den eingeübten Choreografien, die sie fehlerfrei beherrscht. Lissi wird in diesem Jahr 85. Neben ihr tanzt Inge Dzekanek, mit 92 Jahren die Älteste der Gruppe. Doch das Alter merkt man keiner der Teilnehmerinnen an. „Wir freuen uns die ganze Woche lang auf den Freitag“, erzählen sie. Für die Frauen, die alle selbstständig in Wohnungen der Wohnungsgesellschaft um das Seniorenzentrum herum wohnen, gehört der musikalische Nachmittag fest zum Alltag.

Musikgeragogik ist der Fachbegriff für das, was Helge Weber erlernt hat und nun freiberuflich anbietet. Durch die Lieder werden Erinnerungen hervorgerufen, das Gedächtnis für Melodien und Texte wird trainiert, motorische Abläufe geübt. So kann man bis ins hohe Alter aktiv und fit bleiben – Musik als Therapie.

Nach einer besonders aufwendigen Klopf-und-Klatsch-Abfolge ist die Stimmung im Raum noch einmal merklich gestiegen. „Danach tut erstmal alles weh“, sagt Katharina lachend. Im Anschluss gibt es Kuchen, Kaffee und nette Pläuschchen. Inge erzählt, dass sie immer gemalt, gesungen und Geige gespielt hat: „Das entspannt, und man kann währenddessen alles um einen herum vergessen. Das ist hier auch so.“ Viele Aktivitäten sind im Alter nicht mehr so leicht auszuüben, die Finger wollen nicht mehr so schnell, die Augen werden schwächer. Doch in Webers Gruppe geben alle, was sie können, und erfreuen sich an der gemeinsamen Musik. Immer wieder hat die Gruppe sogar kleine Auftritte, zuletzt an Weiberfastnacht.

„Vor zehn Jahren habe ich aufgehört, im Chor zu singen“, erzählt Lissi. Sie musste ihren Mann pflegen, viele Jahre lebten die beiden in Lützenkirchen. Nun fühlt sie sich in Schlebusch wohl und freut sich vor allem auf die Volkslieder, die freitags gesungen werden. „Wir bringen alle immer mal wieder Stücke mit, die wir gerne singen möchten. So pflegen wir das alte Liedgut“.

Auch ein paar echte Kölsche Mädels sind dabei. „Es ist noch Kaffee da“, klingt es um die lange, frühlingshaft gedeckte Tafel. Jeder, der bei so einem Musiknachmittag dabei sein darf, geht gut gelaunt ins Wochenende.