Berufung, statt BerufJosef Evers begleitet Hinterbliebene auf ihrem schwersten Weg
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Zülpich-Niederelvenich – „Sie haben uns stückweise in der schweren Zeit an die Hand genommen“ oder „Für mich selbst hat Ihre Mitwirkung das alles zum einen so erträglich wie nur eben möglich und tatsächlich auch zu einem erinnerungswürdigen Moment gemacht“ – Sätze, die dankbare Menschen ins Gästebuch der Internetseite von Josef Evers aus Niederelvenich schrieben.
Evers übt einen eher ungewöhnlichen Beruf aus: Er ist Trauerredner. Er stellt sich der Herausforderung, über Verstorbene zu sprechen und in der Stunde des endgültigen Abschieds durch passende Worte und Stimmungen die Erinnerungen an die dahingeschiedene Person zu wecken.
Sein Beruf ist einer, der den Umgang mit Emotionen abverlangt. Ein Beruf, bei dem man einen Berg an Verantwortung für die Gefühle der Hinterbliebenen schultern muss und sich somit stets auf dünnem Eis bewegt. Trauerredner zu sein, bezeichnet Evers trotzdem als seine Berufung.
Lebenslauf der verstorbenen Person spielt eine große Rolle
„Ich bin nicht persönlich betroffen, ich mache mich mit den Angehörigen empathisch. Dadurch habe ich die gebotene Distanz, nicht nur über den Verlust zu sprechen, sondern über alle Aspekte des Lebens einer verstorbenen Person“, erzählt Josef Evers.
Die Vita einer Verstorbenen oder eines Verstorbenen beschäftige ihn sehr intensiv und werde stets zu seinem ständigen Begleiter – „bis ich das Gefühl habe, den Menschen gekannt zu haben. Wenn dieses Gefühl auch bei den Hinterbliebenen entstanden ist, ist das für mich das größte Kompliment.“
Auf seinem Lebensweg hat der 60-jährige studierte Pädagoge vieles gesehen, und vielleicht ist das auch einer der Gründe für sein umfassendes Verständnis für die Einzigartigkeit eines jeden Menschen. So einmalig das Leben eines jeden ist, so sollte auch seine Trauerfeier sein.
„Das macht einen freien Trauerredner aus“, sagt Evers im Bezug auf den religiösen Aspekt dieses Themas und führt weiter aus: „Man ist frei von Vorgaben und Dogmen, die im kirchlichen Kontext den Hinterbliebenen oft nur wenig Raum für eine möglichst persönliche Gestaltung der Trauerfeier lassen.“
Weltlich und religiös schließt sich nicht aus
Auch bei Menschen, die der Kirche eher fernstehen, ist laut Josef Evers das Bedürfnis eines gebührenden Abschieds gegeben. Auch hier können ganz nach Wunsch religiöse Elemente – etwa ein gemeinsam gesprochenes Vaterunser – einfließen. Das hängt immer von der Persönlichkeit des Verstorbenen ab oder auch dem Wunsch seiner engsten Angehörigen, ihn auf eine angemessene Weise zu verabschieden.
„Die Corona-Pandemie macht für die Hinterbliebenen die Situation noch schwieriger, als sie sowieso schon ist. Viele denken: Wenn nur eine Handvoll Menschen bei der Beerdigung dabei sein darf, dann brauchen wir auch keine Feier“, führt Josef Evers aus.
Er betont gerade an diesem Punkt, dass Abschiedsrede und -feier für die Trauernden eine einzigartige Gelegenheit bieten, den Fokus nicht nur auf einzelne Lebensstationen des geliebten Menschen oder Anekdoten zu richten, sondern das ganze Leben in den Blick zu nehmen und zu würdigen. Kurzum: Raum für Dankbarkeit am gemeinsam Erlebten zu schaffen.
Zahl der freien Trauerredner steigt kontinuierlich
Bis zu 50 Prozent beträgt zurzeit der Anteil an Verstorbenen in manchen Bundesländern wie Berlin, Hamburg oder Bremen, die sich zu Lebzeiten für eine weltliche Bestattung ausgesprochen haben.
Tendenz: kontinuierlich steigend. Entsprechend steigt auch die Anzahl freier Trauerredner, die seit 1996 in einem Fachverband organisiert sind und oft eng zusammen mit Bestattungsinstituten arbeiten und von ihnen vermittelt werden. Josef Evers beispielsweise arbeitet oft mit dem Ruheforst in Hümmel zusammen, legt aber dennoch sehr viel Wert auf das Wort „Frei“ in seinem Berufsstatus.
Jede Abschiedsfeier ist anders
Eine Anleitung für das „richtige Trauern“ gibt es nicht – und auch keinen Wegweiser für die Gefühle. Ob mit einer Brasskapelle wie in der Netflix-Serie „Das letzte Wort“ oder mit unzähligen Blumenkränzen und einem unsterblichen Lied wie „Somewhere over the rainbow“ in der Version von Israel Kamakawiwo'ole – die Abschiedsfeier ist auch immer der kreative Abschluss eines Lebensweges. Die letzte einer ganzen Reihe von Erinnerungen. Mit anderen Worten: das letzte „Foto“ im Lebensalbum eines jeden Menschen.
Auch wenn dieses abschließende Bild unumgänglich und allen gleichermaßen vorbestimmt ist, so kann es der freie Trauerredner wie ein geschickter Fotograf so schön und so persönlich wie möglich gestalten. So, dass es den Ausspruch der wohl berühmtesten TV-Trauerrednerin Karla Fazius, verkörpert von Anke Engelke in der oben genannten Serie, unterstreicht: „Ich glaube, dass jedes Leben und jeder Tod eine Geschichte haben, die sich erzählt zu werden lohnt.“