Stefan Kühlborn spielte für den SSV Weilerswist und wohnt nun in Erftstadt. Bei der EM war er für die Stadt Köln als Projektleiter im Einsatz.
Für Stadt Köln unterwegsDiese Momente bleiben Weilerswister von der Euro in Erinnerung
Schottische Fans, die einem Senior im strömenden Regen einen Regenschirm halten, während er seinen Rollator über den Alter Markt schiebt. EM-Orakel Hennes IX., der es im Kölner Zoo wirklich geschafft hat, alle fünf Spiele in Köln falsch vorherzusagen.
Die Band Kasalla, die mit Volunteers aus 53 Nationen auf der Bühne am Tanzbrunnen das Lied „Mer sin eins“ gespielt und damit die inoffizielle EM-Hymne geschaffen hat – zumindest in Köln. Fan Andrew aus Edinburgh, der sein Trikot der „Tartan Army“, wie sich die schottischen Fans selbst nennen, gegen ein FC-Trikot tauscht und damit ins Stadion geht.
Oder auch die telefonische Standleitung zur Frau von FC-Legende Toni Schumacher, der Kölns EM-Botschafter war, mit der immer wieder neue Termine abgesprochen werden mussten, weil der ehemalige Nationalspieler den sportlichen Ehrgeiz entwickelt hatte, möglichst viele Termine wahrzunehmen.
EM 2024: Der Fußball bleibt weniger in Erinnerung als die Menschen
Stefan Kühlborn sind viele Momente der Europameisterschaft in Erinnerung geblieben – die wenigsten haben direkt etwas mit Fußball zu tun, sondern sind eher ein Doppelpass zwischen dem Spiel selbst und den Menschen dahinter. „Ich habe in den vergangenen Wochen auch sehr viel Fußball geguckt, erinnere mich aber nur wenig an Fußball“, sagt der Erftstädter, der lange für den SSV Weilerswist gespielt hat: „Im Kopf sind vielmehr die unfassbar vielen tollen Eindrücke, Menschen, Begegnungen rund um die Europameisterschaft geblieben.“
Der 36-Jährige arbeitet beim Sportamt der Stadt Köln im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Organisation von Sportgroßveranstaltungen und ist bei der EM der „Projektkoordinator Kommunikation“ der Stadt Köln rund um die Europameisterschaft. Entsprechend war er mittendrin statt nur dabei bei der Europameisterschaft.
War oder ist? Die letzten Werbebanner am Tanzbrunnen hat der ehemalige Torwart von Frechen 20 nämlich bereits abgehängt. Vorbei ist die Europameisterschaft aber auch in Köln noch nicht – schließlich steht noch das Public Viewing zum Finale am Sonntag an. Die ganze große EM-Euphorie ist auch in Köln nach dem Aus der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Spanien aber nicht mehr zu spüren.
Und der große Stress ist auch vorbei, nachdem das letzte Spiel im Rhein-Energie-Stadion, es war die Achtelfinalpartie zwischen Spanien und Georgien, schon mehr als eine Woche zurückliegt. Vorbei sei die EM aber eben noch nicht ganz – daher sei es auch eher ein „ist“ als ein „war“.
Dennoch, so Kühlborn, könne er ein erstes kleines Fazit ziehen – und das fällt nur positiv aus. Vor allem dann, wenn er an die zahlreichen Freiwilligen denkt, die das Erlebnis Europameisterschaft für die Fans so greifbar wie möglich gemacht haben. „Sie haben eine unglaublich tolle Visitenkarte für die Stadt Köln abgegeben. Es waren so tolle Menschen, mit den unterschiedlichsten Hintergründen, warum sie sich für die EM engagieren. Das bleibt hängen“, so Kühlborn. Zu den Volunteers zählten auch Roland Huppertz, Laurie Simon und Jörg Piana aus dem Kreis Euskirchen.
Aber auch mehr als 50 inklusive Tandems waren dabei – also jeweils ein Volunteer mit Behinderung und ein Volunteer ohne Behinderung, die zusammen ihre Tätigkeiten ausgeführt haben. Die Stadt mit den zweitmeisten inklusiven Volunteers habe zehn gehabt, so Kühlborn: „Köln war mit Abstand die inklusivste Gastgeber-Stadt. Wir haben Inklusion und Teilhabe im Fokus gehabt und dafür ein tolles Feedback erhalten.“
Gelebte Inklusion beim Public Viewing am Tanzbrunnen
Das gab es auch für das Public Viewing am Tanzbrunnen, wo es einen abgetrennten Bereich mit einer separaten Blindenreportage gab und einen Gebärdendolmetscher, der die Spiele kommentierte.
Doch was macht man eigentlich als Projektkoordinator Kommunikation der Stadt Köln? Unter anderem mit schottischen Journalisten in den Zoo gehen und Orakel Hennes nach dem Ausgang des Spiels gegen die Schweiz befragen.
„Die Schotten waren so verzweifelt, dass sie froh waren, dass wenigstens ein Ziegenbock auf sie tippt“, sagt Kühlborn, der vor allem während der EM Kontakt zu Journalisten hatte, die beispielsweise eine Akkreditierung für die Fanzone haben wollten, um darüber für ihr Land zu berichten, oder Fragen der „New York Times“ zur Stadt Köln beantworten musste.
Für Weilerswister startete die EM bereits vor drei Jahren
EM ging vor drei Jahren los Die eigentliche Arbeit war bereits vor drei Jahren losgegangen. Seitdem dreht sich fast alles um die Fußball-EM, auch wenn Kühlborn fast nebenbei auch noch in die Organisation der Handball-Europameisterschaft involviert war oder in das Champions-League-Wochenende der Handballer in Köln.
Genau ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel nahm dann die Werbekampagne für die Fußball-EM auch in Köln so richtig Fahrt auf. Es wurden 365 Elfmeter auf dem Heumarkt in Köln verwandelt, der Original-EM-Pokal war bei vier Vereinen aus dem Fußballverband Mittelrhein zu Gast und die Einsätze von EM-Botschafter Toni Schumacher mussten koordiniert werden. „Für die Planung und die Abstimmung war ich unter anderem zuständig“, erzählt Kühlborn. Das sei eines von sehr vielen Highlights gewesen.
Das Mediencenter der Stadt Köln sei am Alter Markt gewesen – also am Schmelztiegel der Nationen während der EM. „Wir hatten sie alle: die Schotten, die den Alter Markt schon am Tag vor dem Spiel belagert hatten, genauso die Schweizer, die Engländer, Spanier, Georgier. Alles hat sich auf dem Alter Markt getroffen, gesungen, gefeiert, getrunken. Wir mussten nur die Tür aufmachen und standen quasi in den Fangesängen. Das ist dann schon mal ein besonderes Erlebnis“, so der 36-Jährige.
Vor allem die schottischen Fans werden ihm in Erinnerung bleiben: „Ich habe wirklich selten so freundliche und auch trinkfeste Menschen gesehen. Aber Kölner und Schotten passen auch irgendwie zusammen. Beide trinken gerne Bier und müssen damit klarkommen, nicht immer den besten Fußball zu spielen“, sagt Kühlborn, der auf Spanien als Europameister tippt.
Nach dem Finale der Europameisterschaft am Sonntag stehe noch bürokratische Arbeit an. „Wir müssen noch eine Zusammenfassung, eine Dokumentation schreiben, ein paar Rechnungen abarbeiten und danach ist das Turnier hoffentlich Ende Juli abgewickelt und dann kann ich die wohlverdiente in Elternzeit gehen“, sagt Kühlborn. Die Zeit mit der Familie sei nämlich zuletzt deutlich zu kurz gekommen.
Kühlborn: als Fan praktisch nur ein Spiel gesehen
Wenn man in einer verantwortungsvollen Position sei, dann sei Fußball gar nicht so einfach, sagt Stefan Kühlborn, Projektkoordinator Kommunikation der Stadt Köln. Der ständige Blick aufs Handy gehöre dann eben dazu – gerade dann, wenn es beispielsweise Unwetterwarnungen gebe und ein Public Viewing anstehe.
Dennoch sei der emotionale Moment beim 1:1-Ausgleich der Deutschen gegen Spanien natürlich einer, den er sehr intensiv wahrgenommen habe. Genau wie den Treffer zum 1:2 kurz vor dem Ende der Verlängerung. Ein EM-Spiel verfolgte der 36-Jährige aber privat und als Fußballfan – ausgerechnet in Düsseldorf. Kühlborn hat sich die Partie zwischen Frankreich und Österreich angeschaut. Was ihn deutlich mehr begeisterte als die fußballerisch dürftige Leistung beider Teams: die Organisation rund um die An- und die Abreise der Fans.
„Gerade die Abreise war sowas von gut organisiert. Das habe ich tatsächlich selten erlebt. Das Spiel war irgendwie kurz vor 23 Uhr zu Ende und ich war um kurz nach Mitternacht wieder in Köln“, berichtet der Wahl-Kölner. Wer wird Europameister? „Das Viertelfinale gegen Spanien war das vorgezogene Finale. Jetzt glaube ich, dass die Spanier es werden – egal, ob der Gegner England oder Niederlande heißt“, tippt der 36-Jährige, der das Finale beim Public Viewing gucken wird – aber in Köln und nicht in Düsseldorf.