Wieviel Krankenhaus bleibt? Die geplanten Veränderungen am Kreiskrankenhaus-Standort Schleiden beschäftigen auch die Politiker im Stadtrat.
Sorge wegen NotaufnahmeWie viel Krankenhaus bleibt am Ende in Schleiden übrig?
„Keiner weiß, was kommt: Ein Krankenhaus light? Eine Mogelpackung?“ Markige Worte von Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. Sie sind aber keine Generalabrechnung mit Martin Milde, nachdem der Geschäftsführer der Kreiskrankenhaus GmbH die am Standort Schleiden anstehenden Veränderungen skizziert hat. Die Menschen müssen manch eine Kröte schlucken. Durch den Wegfall der Notfallversorgung etwa werden sie nicht mehr wie seit Jahrzehnten gewohnt einfach so ins Krankenhaus marschieren können in der Gewissheit, dass ihnen dort geholfen wird.
Pfennings und die Politiker im Stadtrat attestieren den Mitarbeitern in den Krankenhäusern in Schleiden und Mechernich eine fantastische Arbeit. Auch in Richtung der Geschäftsführung ist keinerlei Vorwurf zu vernehmen. Stattdessen geht der Blick auf das längst nicht mehr funktionierende Klinik-Finanzierungssystem und nach Berlin, wo „abstruse Ideen entwickelt werden und man nicht auf die Praktiker hört“ (Pfennings).
Geld und Personal sind die großen Probleme in Schleiden
Die Fakten hat Milde den Politikern zuvor dargelegt: Der Standort Schleiden schreibt hohe Verluste – rund drei Millionen Euro jährlich in den vergangenen beiden Jahren. Für 2024 sieht die Kalkulation ein Gesamtdefizit von rund sieben Millionen Euro vor – der Schleidener Anteil liegt mit gut 3,6 Millionen bei etwas mehr als der Hälfte.
Personal ist für Schleiden nicht zu bekommen: Chefarzt Dr. Gerald Vey etwa ist 68 und eigentlich längst in Rente, hat seinen Vertrag mehrfach verlängert – und ist kein Einzelfall. „Es funktioniert nur durch den enormen persönlichen Einsatz“, sagt Milde. Die Rahmenbedingungen in Sachen Finanzierung als bescheiden zu bezeichnen, wäre pure Schönrederei. Milde: „Das System Krankenhaus ist mit Ansage gegen die Wand gefahren worden.“
Wut und Frust vereinen Geschäftsführer und Politiker, wenn sie sich über die Ergüsse aus dem Hause Lauterbach auslassen, von denen seit der Ankündigung von vor gut einem Jahr keinerlei Umsetzung in Sicht ist, während die Lage der Krankenhäuser immer bedrohlicher wird. Trotzdem: Das, was auf Schleiden zukommt, lässt die Mitglieder des Stadtrats schlucken.
Im Schleidener Krankenhaus wird es keine Notfallversorgung mehr geben
Dass gehandelt werden muss, ist unstrittig. Der „Schleidener Weg“ soll eingeschlagen werden. Aus Gesprächen mit Krankenkassen und Bezirksregierung berichtet Milde von positiven Signalen, der Verwaltungsrat hat längst grünes Licht gegeben. Und doch wird's zum Jahreswechsel drastisch: keine Intensivstation mehr, keine Innere, keine Geriatrie, keine Unfallchirurgie. Und vor allem: keine Notfallversorgung.
Der Erhalt etwa von Schmerztherapie, von Hand- und Fußchirurgie, von pflegerisch geführten Stationen und dem Notarztstandort wirkt für manch einen im Ratssaal wie ein Trostpflaster. Dass angesichts des Pflegenotstands keiner Pflegekraft ein Kündigungsschreiben ins Haus flattert, versteht sich fast von selbst.
„Es kann doch nicht sein, dass es an einem Krankenhaus-Standort keine Notfallversorgung gibt. Da müsste ein Aufschrei durch die Region gehen“, sagt Gerd Breuer (UWV). Er betrachtet seine Hand, nimmt sie als Beispiel: Es sei völlig egal, ob man einen geplanten handchirurgischen Eingriff in Schleiden, Mechernich oder sonstwo machen lasse. Wenn man sich die Hand jedoch abgeschnitten habe, seien die zusätzlichen Kilometer bis Mechernich „kriegsentscheidend“. Was ihn zu der Forderung bringt: „Die Notfallversorgung im Schleidener Tal muss gewährleistet bleiben.“
70 Prozent der Patienten in der Notaufnahme werden ambulant behandelt
Im Bereich der Notfallversorgung richten Breuer und seine Kollegen ihren Blick zunächst auf die Patienten. Ja, die schweren Fälle – Herzinfarkte, Schlaganfälle und Politraumata etwa – werden ohnehin direkt zu den Spezialisten in Mechernich, Euskirchen oder den umliegenden Unikliniken gebracht.
Doch all die anderen, kleineren Dinge? Ja, einige von ihnen wären eher ein Fall für die Notfalldienstpraxen, die die niedergelassenen Ärzte besetzen. Doch die nächste ist eben erst in Mechernich. Also gehen die Menschen in die Notaufnahme nach Schleiden. In rund 70 Prozent der Fälle, so Michael Thurm, kaufmännischer Direktor der Schleidener Klinik, können die Patienten nach einer ambulanten Behandlung wieder nach Hause gehen.
Die Notaufnahme in Mechernich muss ebenfalls verändert werden
Schon geht der Blick weiter, zum Rettungsdienst, zu Notärzten und Rettungswagen. Wenn die mangels Notaufnahme in Schleiden immer nach Mechernich oder Simmerath fahren müssen, müssen ganz andere Zeiten kalkuliert werden. Von anderthalb Stunden, in denen zuweilen kein Fahrzeug verfügbar ist, ist im Ratssaal die Rede, wenn man Strecke, Patientenübergabe und Fahrzeugreinigung zusammenrechnet.
Dass der Kreis-Rettungsdienst genauso mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat, ist dabei noch gar nicht thematisiert worden. Vielleicht könnten ja Hubschrauber die Lösung sein? Das entlockt Pfennings ein sarkastisches Lachen: „Na, das haben wir in der Flut gesehen, wie gut das funktioniert.“ Nein, verlassen will er sich darauf nicht.
Doch irgendwo müssen die Patienten 2025 hin, wenn es keine Notfallversorgung mehr in Schleiden gibt. Ist die Notaufnahme in Mechernich schon bereit dafür? Nein, auch dort werden dann Umstrukturierungen nötig, sagt Milde: „Die warten ja auch nicht auf die Arbeit.“ Doch wie die aussehen, ist noch nicht erläutert worden.
Den Königsweg zur Lösung des Dilemmas kennt keiner
Einig sind sich alle im Ratssaal, dass schwierige Zeiten kommen. „Die Versorgung im Kreis Euskirchen wird schlechter“, formuliert es Milde unmissverständlich. Und wenn er an die bei den niedergelassenen Ärzten anstehenden Ruhestände in den nächsten fünf Jahren denke, „dann wird einem angst und bange“. Was Ellen Lehner (SPD) zu dem Schluss führt: „Hoffentlich werde ich nicht krank und komme in die Situation.“
In Gesprächen ist Pfennings bereits mit seinem Hellenthaler Kollegen Rudolf Westerburg: Die beiden Kommunen sind von den Veränderungen am deutlichsten betroffen. Gemeinsam, so Pfennings, wolle man versuchen, die Notaufnahme vielleicht doch in irgendeiner Form halten zu können.
Einen Königsweg, das Dilemma zu lösen, kennt auch Milde nicht. Hohe Quoten an Vorhaltekosten für die bereitgestellten Leistungen sind für ihn unerlässlich. Ob vielleicht ein stark zentralisiertes System wie das oft erwähnte in Dänemark die Lösung ist? Für Milde sicherlich nicht: „Dagegen ist die Entfernung von Hellenthal nach Mechernich ein Kindergeburtstag.“
Die Pläne für Schleiden
Zwei Varianten für die Schleidener Klinik waren ganz schnell vom Tisch: Ein „weiter so wie bisher“ kommt für Geschäftsführung und Verwaltungsrat genauso wenig infrage wie die komplette Schließung.
Der „Schleidener Weg“ soll es nun werden, ein Konzept, das es so bislang noch nicht gibt. Stationär versorgt werden weiterhin Patienten aus Schmerztherapie, Hand- und Fußchirurgie. Sprechstunden werden in den Bereichen Innere Medizin und Chirurgie angeboten, ambulante Operationen und Endoskopie sind genauso vorgesehen wie Radiologie und Dialyse. Der Notarzt-Standort bleibt. Auch für niedergelassene Ärzte, so die Hoffnung, könnte dieses Zentrum attraktiv sein.
Realisiert werden soll das Konzept ab dem Jahreswechsel. Bis etwa zu den Sommerferien rechnet Geschäftsführer Martin Milde mit den Entscheidungen dazu, unter anderem vonseiten der Krankenkassen und der Bezirksregierung. Wenn die Planung final steht, wird es in Schleiden die von der FDP-Fraktion beantragte und von allen anderen befürwortete Bürgerversammlung zu dem Thema geben.
Das Votum des Verwaltungsrats
Als nicht selbstverständlich bezeichnet Jochen Kupp das einstimmige Votum des Verwaltungsrats, das Krankenhaus in Schleiden zu verändern, aber zu erhalten. Er ist nicht nur CDU-Fraktionschef im Stadtrat, sondern sitzt als Kreistagsmitglied auch im Verwaltungsrat des Kreiskrankenhauses.
Da in diesem Gremium Vertreter aus dem gesamten Kreis sitzen und Menschen etwa in Euskirchen oder den anderen Nordkreis-Kommunen das Wohl oder Wehe der Klinik in Schleiden nicht unmittelbar betrifft, findet er es beachtlich, dass dort das große Ganze gesehen werde und die Anstrengungen von Geschäftsführung und Träger unterstützt werden. „Wir machen vom Kreis, was wir können, und lassen das Krankenhaus nicht fallen. Aber unsere Mittel sind begrenzt.“
Als Schleidener Politiker bringt er jedoch auch die Sorge zum Ausdruck, dass die Veränderungen auch einen Standort-Malus, etwa bei Ansiedlungen bedeuten. Und Frust klingt mit Blick auf Berlin auch bei ihm durch – nicht nur in Sachen medizinischer Versorgung: „Wie bei so vielem steht die ländliche Region wieder mal hinten an.“