In einer Diskussion über die ärztliche Versorgung im Kreis Euskirchen schlug ein Experte ein Pilotprojekt vor.
Pilotprojekt im Südkreis?Wie Fachleute junge Ärzte in die Eifel locken wollen
Es ist ein Thema, das den Menschen vor allem im Südkreis unter den Nägeln brennt: Wie kann die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum verbessert und langfristig gesichert werden? Um Antworten auf diese Frage zu bekommen, hatte die Gemeinde Kall jetzt Fachleute aus dem Gesundheitsbereich und Vertreter der Nachbarkommunen in den Ausschuss für Entwicklung, Umwelt, Digitalisierung und öffentliche Sicherheit nach Rinnen eingeladen.
Auf großes Interesse stieß dabei der Vorschlag von Helmut Schneider von der AOK-Regionaldirektion Bonn-Rhein-Sieg-Euskirchen. Er regte an, ein Gesundheitszentrum als Pilotprojekt einzurichten, in dem Haus- und Fachärzte untergebracht sind und in dem es auch verschiedene Pflegeangebote gibt.
Kritik von allen Seiten gab es an der Bedarfsplanung der Krankenkassen für die vertragsärztliche Versorgung. Danach liegt die Versorgungsquote im Kreis Euskirchen bei gut 102 Prozent. „Statistisch gesehen haben wir aktuell also keine Mangelversorgung im Kreis, aber angesichts der Altersstruktur der Ärzte werden wir in Kürze ein Problem haben“, erklärte Frank Gummelt von der Kreisstelle Kreis Euskirchen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein.
Problem: Viele Ärzte im Kreis Euskirchen gehen bald in den Ruhestand
Der Anteil der Ärzte, die 60 Jahre und älter sind, liege in den Mittelbereichen Euskirchen, Mechernich und Schleiden bei 34,2 Prozent, 55,6 Prozent und 48,8 Prozent. „Die alten Kollegen retten uns zurzeit den Kopf“, sagte Gummelt. Bei den Fachärzten sei im Kreis je eine Stelle für einen Rheumatologen und einen Kinderarzt unbesetzt. „Wir werben seit zehn Jahren für Neuansiedlungen von Praxen, aber ohne Erfolg“, berichtete Dr. Jörg Schneider von der KV.
Bei der Einführung der Bedarfsplanung 1991 seien einfach die Ist-Zahlen zu Soll-Zahlen gemacht worden, sagte Helmut Schneider. Seitdem habe es kaum Veränderungen gegeben: „Der gefühlte Bedarf ist aber ein ganz anderer.“ Das konnte der Ausschussvorsitzende Bert Spilles (CDU) bestätigen: „Wir haben auf dem Papier eine gute Versorgung. Die Menschen stehen aber vor vollen Praxen und erhalten Termine bei Fachärzten erst in sechs oder noch mehr Monaten.“
Kaum ÖPNV und schlechte Internetverbindungen
Mathias Schumacher von der Gemeinschaftspraxis für Familie und Gesundheit Kall zählte verschiedene Probleme auf, mit denen sich Mediziner auf dem Land herumschlagen. Das Spektrum reiche von schlechten ÖPNV- und Internetverbindungen über Bürokratie bis hin zum Fachkräftemangel. „Ich kann die Ärzte und Medizinischen Fachangestellten oft nicht rausschicken, weil ich sie in der Praxis brauche. Ich habe einfach nicht das Personal dafür.“ Er schlug vor, über Zuschüsse für Ärzte nachzudenken, die sich ansiedeln wollen. „Wer sich bislang hier niederlässt, kommt meist aus der Region.“ Die Zahl der Interessenten von außerhalb sei sehr gering.
Helmut Schneider gab zu bedenken, dass es mittlerweile mehr weibliche als männliche Ärzte gebe und dass viele lieber angestellt arbeiten wollten, anstatt eine eigene Praxis aufzumachen. Um Ansiedlungen zu unterstützen, könnten Kommunen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen, in denen mehrere ambulant tätige Ärzte unter einem Dach zusammenarbeiten.
„Das ist aber nicht der große Wurf“, meinte Schneider. Die AOK favorisiere stattdessen die Einrichtung von Gesundheitszentren, in denen Haus- und Fachärzte sowie Pflegedienste ihre Leistungen anbieten. Diese Zentren könnten von einem Geschäftsführer geleitet und so die Mediziner von der lästigen Verwaltungsarbeit befreit werden.
AOK-Chef Helmut Schneider: „Könnte mit Pilotprojekt im Südkreis gut vorstellen“
„Das Land NRW und die Krankenkassen sind bereit, solche Pilotprojekte zu fördern. Ich könnte mir so ein Zentrum im Südkreis gut vorstellen“, erklärte Schneider. Wer sich zuerst melde, werde gefördert. „Wenn wir nichts machen, wissen wir, wo es hingehen wird“, warnte der AOK-Vertreter, der seinen Vorschlag nun mit Landrat Markus Ramers besprechen will.
„Es gibt keine einfachen Lösungen. Deshalb sollten wir uns frühzeitig mit dem Problem befassen“, meinte Emmanuel Kunz (SPD). „Ärzte in die Region zu bekommen, muss uns etwas wert sein. Es dürfen aber keine Mediziner aus Nachbarkommunen abgeworben werden“, stellte Kunz klar. “
„Wir sollten zweigleisig fahren und Ärzte ansprechen, die sich selbstständig machen oder als Angestellte arbeiten wollen“, meinte Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg. Wichtig sei auch, dass man Angebote für die Familien der Mediziner habe. Ferner müsse die Digitalisierung ausgebaut werden, damit auch mehr Telemedizin angeboten werden könne: „Das würde die Ärzte entlasten.“ Man müsse mit allen Beteiligten gemeinsam nach Lösungen suchen.
Martina Moersch, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Ordnung und Soziales bei der Stadt Schleiden, berichtete, dass es in Schleiden bereits ein Treffen mit Akteuren aus der Gesundheitsbranche gegeben habe. Auch dabei hätten Ärzte geklagt, wie schwer es sei, einen Nachfolger zu finden.