Schleiden – Einen Moment des Innehaltens inmitten der Zerstörung und des immer noch währenden Entsetzens nach der Flutkatastrophe bot der ökumenische Gottesdienst, mit dem die katholische und evangelische Kirche der Opfer und des Leids der Betroffenen gedachten. Nach einem Gottesdienst in der Schleidener Schlosskirche zogen die Gläubigen in einer Prozession zur evangelischen Kirche, wo die Zusammenkunft ihren Abschluss nahm.
Rund 100 Menschen waren zu dem Gedenkgottesdienst gekommen. Ruhig und gefasst gingen die Menschen in die Schlosskirche und anschließend durch die Schleidener Innenstadt, in der die Spuren der Flut immer noch unübersehbar sind. Wegen der noch virulenten Corona-Pandemie musste auf körperliche Nähe verzichtet werden. Angesichts der guten Beteiligung, auch von den Feuerwehren aus Hellenthal und Schleiden sowie den Einsatzkräften des THW, wurde die eigentlich für die leer geräumte evangelische Kirche vorgesehene Schlussrunde auf den Friedhof verlegt.
In der Schlosskirche standen neben den evangelischen Pfarrern Christoph Ude und Erik Schumacher die katholischen Pastoren Philipp Cuck, Hans-Joachim Hellwig und Theo Tümmler sowie Diakon Klaus Hövel am Altar. An der evangelischen Kirche warteten darüber hinaus Pfarrer Oliver Joswig und die Presbyterinnen Gaby Leufgen und Charlotte Roux-Bücker.
Eröffnet wurde der Gottesdienst in der Schlosskirche von Philipp Cuck. Diese Kirche sei eine gute Zuhörerin, sagte er. Bereits vor 400 Jahren habe sie in den Zeiten der Pest die Gemeinde beherbergt. „Diese Mauern haben viel gehört“, sagte er. Seine Erlebnisse in der Flutnacht schilderte anschließend der Kaller Pastor Hellwig. Er sei im Urlaub gewesen, als er die Nachricht von der Flut erhalten habe. Erst am Freitagmorgen sei er wieder in Kall gewesen. „Die Flut hatte die Infrastruktur des Ortskerns zum Erliegen gebracht“, sagte er. Auch das Pfarrhaus sei betroffen gewesen. Mit Helfern sei es ausgeräumt worden.
Doch bedrückender sei es gewesen, die Geschichten zu hören, wie Menschen in Todesangst Hilferufe gehört hätten, aber nicht hätten helfen können. „Bis das Leben sich wieder normalisiert, werden Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen“, so Hellwig.
„Gott hilf mir, denn das Wasser geht mir bis zur Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist.“Diesen Psalm las Pfarrer Schumacher gemeinsam mit den Anwesenden in der Schlosskirche. „Lange haben wir diese Worte im übertragenen Sinne gehört“, sagte er dazu. Stets habe man gedacht, das könne einem nicht passieren. „Doch, es kann“, so Schumacher. Nach zwei Wochen voller Aktivität, nachdem die Opfer zu Grabe getragen worden seien, komme nun die Leere.
„Die Erinnerung an angstvolle Stunden verschlägt die Sprache“
Viele Wunden seien geschlagen worden, viel sei zu tun. Das brauche Zeit und einen langen Atem, „So wie es war, wird es nicht mehr werden“, prophezeite er. Viele seien auf Hilfe angewiesen, würden es auf lange Zeit sein. Das brauche die Zuversicht auf Gott. Das dreckverschmierte Kruzifix, das ein Gemeindemitglied fotografiert habe, sei Christus im Schlamm. „Er ist auch hier bei uns ganz unten“, so Schumacher. Es habe einen Sinn, weiterzumachen.
Von den Gesprächen mit Angehörigen und Betroffenen berichtete Pfarrer Ude. „Die Erinnerung an angstvolle Stunden verschlägt die Sprache“, sagte er. Viele hätten mehr als materielle Dinge verloren. Doch viele hätten Hilfe und Solidarität in Familie, Nachbarschaft oder auch von Fremden erfahren. Über Dankbarkeit und Hilfe sei es möglich, den Blick nach vorne zu richten.
Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung
Hotlines des Kreises Euskirchen: Bürgerfragen, Helfer
Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-KatastropheViele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:
In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.
Hotline der Bezirksregierung
Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.
Bargeld-Versorgung
Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.
Zwei Osterkerzen standen an diesem Tag vor dem Altar der Schlosskirche. Denn die Kerze, die traditionell in der Osternacht von dort zur evangelischen Kirche gebracht wird, stand wegen der Corona-Einschränkungen immer noch in der katholischen Kirche. Nun wurde sie in einer Prozession in das evangelische Gotteshaus gebracht, die durch die Flut schwer beschädigt ist. Auf dem Kirchhof versammelten sich die rund 100 Teilnehmer des Gottesdienstes in einem großen Kreis.
Im Gedenken an die 26 Toten im Kreis Euskirchen stellten Leufgen, Roux-Bücker und Joswig 26 Kerzen auf die Friedhofsmauer zum Driesch. Dazu kam noch eine 27., die für jene, die noch nicht bekannt geworden seien, gedacht war. Die Osterkerze aus der Schlosskirche wurde neben die Osterkerze gestellt, die Joswig aus der Hellenthaler Kirche mitgebracht hatte. „Mit den Symbolen der Osterzeit wollen wir den Tod überwinden“, sagte Joswig.
In einem langen Zug stellten die Teilnehmer des Gedenkgottesdienstes Kerzen in der evangelischen Kirche im Gedenken an die Flutnacht auf. Der Abschluss fand wieder auf dem Kirchhof statt, wo die Anwesenden gemeinsam das Vaterunser sprachen. Im Anschluss standen Notfallseelsorger bereit, um mit den Menschen zu sprechen.