Einen Tag später als geplant startet die Unterkunft für Geflüchtete in der einstigen Eifelhöhen-Klinik Marmagen. Zunächst dürfen nur 100 Menschen untergebracht werden. Die fehlende Transparenz wird weiterhin kritisiert.
Ehemalige Eifelhöhen-KlinikVerzögerter Start und zunächst weniger Geflüchtete in Marmagen
Fehlende Transparenz, fehlende Kommunikation – zwei Punkte, die Andreas Winkler mit Blick auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik moniert. Hinzu komme eine große Unsicherheit im Ort, weil viele Fragen offen seien, sagt der Marmagener. Winkler ist nicht nur Marmagener Bürger, sondern auch Vorsitzender der CDU in der Gemeinde Nettersheim.
Er nimmt die Sorgen der Bewohner ernst. Der 1800-Einwohner-Ort steht vor einer Herausforderung. Am Dienstag – einen Tag später als von der Bezirksregierung Köln angekündigt – sollen die ersten Geflüchteten in Marmagen ankommen. Im ersten Schritt war eine Belegung mit 375 Schutzsuchenden anvisiert, die auf bis zu 750 gesteigert werden sollte.
Wegen Auflagen beim Brandschutz zunächst nur 100 Geflüchtete
Diese Zahlen sind aber nicht maßgeblich. Aufgrund der Auflagen beim Brandschutz dürfen zunächst nur 100 Geflüchtete in der ehemaligen Reha-Klinik untergebracht werden. Die Genehmigung gelte, so betont der Kreis Euskirchen auf Nachfrage, weiter bei einer Belegung mit bis zu 750 Menschen.
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„Wie in solchen Fällen üblich, gibt es klare Vorgaben – beispielsweise einen Brandsicherheitswachdienst zur Kontrolle der Brandschutzklappen, zur Kennzeichnung von Fluchtwegen und zur Einweisung der Bewohner in die Brandschutzordnung“, sagt Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises Euskirchen.
Die Vorgaben seien universell, sagt Andres: „Der Erlass des Landes gilt für alle Unterbringungsvarianten, von der Turnhalle bis zur ehemaligen Klinik. Die jeweiligen Auflagen werden aber einrichtungsbezogen erlassen.“ Über allem stehe die sichere und angemessene Unterbringung der Geflüchteten. Wie das jeweils umgesetzt werde, hänge von der Einrichtung und den jeweiligen Rahmenbedingungen ab.
Brandsicherheitswachdienst durch Kräfte der Einrichtung
Bis zu einer Belegung von 100 Menschen kann laut Andres der Brandsicherheitswachdienst durch eigene, geschulte Kräfte der Einrichtung sichergestellt werden – im Fall der Eifelhöhen-Klinik durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das Betreiber der Unterkunft ist.
Sollten mehr Schutzsuchende untergebracht werden, muss nach Informationen dieser Zeitung eine externe Brandsicherheitswache installiert werden. Die ist teuer und muss von der Bezirksregierung ausgeschrieben werden. Der Brandschutz für 750 Geflüchtete sei „grundsätzlich gewährleistet“, sagt Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung Köln.
Der Brandschutz werde durch die verschiedensten Faktoren gewährleistet. Die Bezirksregierung habe ein Brandschutzkonzept erarbeiten lassen, so Nolte: „Auf dieser Basis wurde ein Evakuierungskonzept erstellt und mit den Dienstleistern sowie dem Kreis Euskirchen abgesprochen. Die Mitarbeitenden des Betreuungs- und Sicherheitsdienstes sind und werden zudem dementsprechend geschult.“
Der Betrieb in Nettersheim-Marmagen startet am 3. Januar
Nolte bestätigt, dass der Betrieb am 3. Januar mit zunächst 100 Schutzsuchenden startet. „Die Kapazität soll dann in Absprache mit den Dienstleistern sukzessiv erhöht werden“, so die Pressesprecherin.
„In der vergangenen Woche war die Feuerwehr mehrfach vor Ort. Der Grund: Probleme mit der Brandmeldeanlage“, berichtet Winkler: „Sollte sich das Problem nicht lösen, steigt der Frust bei der Feuerwehr. Für Ehrenamtler ist das nicht zu leisten.“
Nach Informationen dieser Zeitung hatte unter anderem ein Mitarbeiter der Security-Firma heiß geduscht. Der Wasserdampf hatte dann die Rauchmelder ausgelöst und die Rettungskette in Gang gesetzt.
Die Einrichtung ist ständiges Gesprächsthema im Ort
Die marode Technik und die Gerüchte über die nach wie vor mangelhafte Hygiene infolge der Legionellenproblematik seien im Ort – aufgrund mangelnder Aufklärung durch die Behörden – ständiges Gesprächsthema, sagt der CDU-Politiker.
Ortsvorsteher Bernhard Maus ergänzt: „Die Eifelhöhen-Klinik ist für den Ort eine emotionale Sache. Die Klinik war über Jahrzehnte der größte Arbeitgeber der Gemeinde. Entsprechend hoffen die Menschen hier, bestmöglich mitgenommen zu werden.“
Das sei aktuell aber nicht der Fall, sagen Winkler und Maus unisono. Vieles erfahre man hintenrum oder aus der Zeitung. „Es gibt ein Informationsdefizit“, sagt Winkler.
Marmagener üben Kritik an der Informationspolitik
Warum werde beispielsweise nicht konkret benannt, welche Mängel es beim Brandschutz oder der Hygiene gebe? Warum nenne niemand die Auflagen, unter denen die Nutzung des Gebäudes erlaubt werde, fragt Winkler: „Als Bürger hat man immer das Gefühl, dass nicht mit der ganzen Wahrheit gespielt wird. Jüngstes Beispiel ist ja jetzt die deutlich reduzierte Anzahl an Geflüchteten, die kommen sollen – oder besser gesagt: kommen dürfen.“
Dies gelte auch für die Anmietung der ehemaligen Reha-Klinik als Flüchtlingsunterkunft durch die Bezirksregierung Köln. Laut dieser Behörde gilt der Vertrag zunächst bis zum 30. April 2023. Das Land NRW beabsichtige, die Laufzeit seiner Notunterkünfte bis zum 31. Dezember 2023 zu verlängern, hieß es in der jüngsten Pressemitteilung der Bezirksregierung.
Dass die Eifelhöhen-Klinik nur bis Ende April als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird, glauben weder Winkler und Maus noch Rolf Klöcker, Kreis-Geschäftsführer des DRK. Entsprechend habe das DRK als Betreiber sämtliche neuen Mitarbeitern mit Verträgen ausgestattet, die zunächst eine Laufzeit von zehn Monaten haben. „Sonst würden wir doch niemanden bekommen“, sagt Klöcker. 50 neue DRK-Mitarbeiter sitzen laut Klöcker in den Startlöchern, um an diesem Montag ihre Arbeit in Marmagen aufzunehmen: „Sie sind eingewiesen und eingearbeitet worden. Und haben beispielsweise Evakuierungsschulungen erhalten.“
Marmagener: „Auch da wird nicht mit offenen Karten gespielt“
Während das Rote Kreuz seine Stellen auf zehn Monate befristet hat, hat die Bezirksregierung die Stelle der Einrichtungsleitung auf zwei Jahre befristet. Ein Umstand, der etwa bei Marzellus Boos für Kopfschütteln sorgt. „Auch da wird nicht mit offenen Karten gespielt“, sagt der Marmagener Bürger, der sich an die Redaktion gewandt hat.
Klöcker kann die Entscheidung zumindest in Teilen nachvollziehen. „Wir haben überall Fachkräftemangel. Derjenige oder diejenige wird sicherlich in einer anderen Einrichtung weitere Arbeit finden, wenn Marmagen spätestens am Jahresende geschlossen werden sollte“, sagt der DRK-Chef. Die Bezirksregierung beantwortete die Frage nach der Dauer der Befristung auf Nachfrage nicht.
Auch Boos beklagt die fehlende Mitnahme der Bevölkerung und die fehlende Transparenz seitens der Bezirksregierung. „Dass nicht nur ukrainische Mütter mit Kindern kommen, hat man durch die Hintertür erfahren und die Probleme der Immobilie sind aus meiner Sicht auch nicht gelöst worden“, sagt der Marmagener. Laut Nolte steht die Bezirksregierung im Austausch mit dem Kreis – insbesondere mit dem Gesundheitsamt, damit die Mängel dauerhaft beseitigt werden können.
Schließung der Eifelhöhen-Klinik 2020 war unternehmerische Entscheidung
Dass die Eifelhöhen-Klinik 2020 geschlossen wurde, sei keine Entscheidung des Kreises oder der Bezirksregierung gewesen, sondern eine rein unternehmerische Entscheidung, sagt Kreissprecher Andres. Dass es aus Sicht der Behörden keine Bedenken gegen einen Weiterbetrieb gab, zeigte sich laut Kreis unmittelbar nach der Flutkatastrophe. Zeitweise waren dort zwei Pflegeeinrichtungen und die Caritas Eifel untergebracht. Zudem wurde sie als Impfzentrum genutzt.
„Die Einrichtung konnte und kann also – unter gewissen Auflagen – genutzt werden“, so Andres. Zu diesen Auflagen gehört unter anderem die Installation von speziellen Filtern, die die Legionellen im Trinkwasser reduzieren.
Unabhängig davon, wie viele Schutzsuchende nach Marmagen kommen werden, werde man versuchen, ehrenamtliches Engagement innerhalb des Dorfes auf die Beine zu stellen, versichert Ortsvorsteher Maus. „Im Ort besteht eine große Hilfsbereitschaft, das Projekt und die Menschen bestmöglich zu unterstützen“, ergänzt Winkler.
Menschen vor Ort besorgt wegen fehlender Infrastruktur
Beide sagen aber auch, dass es eine gewisse Verunsicherung gebe. Dabei kommen sie wieder auf die fehlende Transparenz der Behörden zu sprechen – und auch die fehlende Infrastruktur. „Die Bahn in Nettersheim fährt nicht. Also müssen die Menschen mit dem Bus nach Kall. Das ÖPNV-Angebot ist aber auch nicht das beste“, sagt Winkler.
Es fehle an konkreten Ansprechpartnern, sagt Maus. Er habe das Gefühl, dass die Bezirksregierung „mehr oder weniger locker an die Sache rangeht“. Entsprechend hoffe er, dass Regierungspräsident Dr. Thomas Wilk sein Wort halte und die Kommunikation verbessere – und kurzfristig Hilfe komme, wenn sie benötigt werde.
Wichtig sei auch, dass sowohl die Turnhalle in der Eifelhöhen-Klinik als auch die Kapelle von den Vereinen weiter genutzt werden könnten. Eine entsprechende Zusage gebe es von allen Beteiligten, sagt Maus, der sich im Laufe der Woche vor Ort ein Bild von der Situation machen will. Für den 17. Januar sei zudem für 16 Uhr ein Gespräch in der Eifelhöhen-Klinik geplant – unter anderem mit den Nettersheimer Fraktionsvorsitzenden und Bürgermeister Norbert Crump.
Machbarkeitsstudie
Nach Angaben von Andreas Winkler, dem Vorsitzenden der Nettersheimer CDU, soll eine Machbarkeitsstudie für die Eifelhöhen-Klinik erstellt werden. 100 000 Euro seien dafür im Haushaltsentwurf der Gemeinde vorgesehen. Ein Gewerbegebiet sei kein Thema, sagt Winkler. Das Areal rund um die Eifelhöhen-Klinik sei aber als Sonderbaufläche eingetragen, die sogar noch erweitert werden könne. „Die jetzige und die künftige Nutzung der Eifelhöhen-Klinik sind ein emotionales Thema für den Ort“, sagt Winkler. (tom)