Nettersheim-Marmagen – Am Ende bleibt es wohl Ansichtssache: Sind 140 Meter viel oder wenig? Steht das öffentliche Interesse über dem der Anwohner oder nicht? Im Falle der geplanten Rettungswache, die am 1. Januar in der Marmagener Mühlenstraße ihre neue Unterkunft hätte finden sollen, sind diese Fragen jedenfalls die entscheidenden.
Der Kreis Euskirchen hat dazu eine klare Position eingenommen. Nachdem in einer Anwohnerversammlung kurz vor Weihnachten Bedenken aufgekommen waren, was die Sicherheit der in diesem Bereich wohnenden und auf der Straße spielenden Kinder angeht, wurde das Projekt kurz vor der Unterschrift im fertig verhandelten Mietvertrag gestoppt.
40.000 Euro Investment umsonst
Für Michael Fink und Jörg Koch, Geschäftsführer der Betreuungseinrichtung „Flair“, ist dies ein schwerer Schlag. Innerhalb weniger Wochen hatten sie den Weg für die geplante Wache freigemacht. Mehr als 40.000 Euro haben sie nach eigenen Angaben investiert, um den Anforderungen des Malteser Hilfsdienstes, der die Wachen betreiben sollte, und der Arbeitsstättenverordnung gerecht zu werden.
„Am 22. Dezember sollte der Mietvertrag unterschrieben werden. Am Tag zuvor war die Infoveranstaltung, bei der die Anwohner sich äußern konnten“, berichtet Fink. Die Mühlenstraße, in der das Unternehmen „Flair“ ansässig ist, ist eine Anliegerstraße, in der Tempo 30 ausgeschildert ist. Die Einfahrt von der Marmagener Hauptstraße aus ist recht schmal. Von der Kreuzung aus bis zu der geplanten Rettungswache ist eine Strecke von rund 140 Metern zurückzulegen.
Es ist deutlich zu spüren, dass Fink die kurzfristige Absage des Kreises zu schaffen macht. Und das nicht nur wegen des investierten Geldes, wie Koch betont, denn: „Die Mieteinnahmen in den zwei Jahren, die der Vertrag laufen sollte, hätten die Investition nicht aufgewogen.“ Fink macht noch etwas anderes zu schaffen. „Wir haben in einer Notlage dem Kreis innerhalb von sechs Wochen Wohnraum und Stellplatz zur Verfügung gestellt und haben alle Anforderungen erfüllt“, bricht es aus ihm heraus.
Am 10. Oktober sei ein Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes auf ihn zugekommen, entnimmt Fink seinen Unterlagen. Bis dahin sei die Unterbringung der Wache im Bereich der Eifelhöhen-Klinik geplant gewesen.
Massive Umbauarbeiten, um den Anforderungen zu entsprechen
„Dort wäre aber der Bau einer Rettungswache notwendig gewesen, was eine höhere sechsstellige Summe bedeutet hätte“, erläutert Kreisbrandmeister Udo Crespin im Gespräch mit dieser Zeitung die Hintergründe. Da es aber zunächst nur um eine zweijährige Evaluierungsphase gegangen sei, hätten keine Fakten geschaffen werden sollen, betont er.
Daher gingen Fink und Koch das Projekt in ihrem Haus an. Zahlreiche Umbauarbeiten seien notwendig gewesen, erläutert Fink. Zwei Wohnungen seien im Keller des Hauses miteinander verbunden und mit Büro, Ruhe- und Aufenthaltsraum sowie zwei neu eingerichteten Badezimmern und Umkleideräumen für beide Geschlechter versehen worden. Um den Rettungswagen in der Einfahrt unterbringen zu können, sei diese tiefer gelegt worden. Sie habe auch mit einem Carport versehen werden sollen. Der liege aktuell beim Schlosser. Auch sei vor der geplanten Rettungswache eine Stufe beseitigt worden. Halogenfluter zur Beleuchtung sowie Steckdosen für die Speisung des Rettungswagens wurden gemäß der Anforderung des Kreises eingebaut.
30 Personen seien bei dem Anliegertermin vor Ort gewesen. Erstaunlich, wie Fink sagt: „Da waren Leute dabei, die wohnen nicht hier in der Straße. Und sogar welche, die wohnen noch nicht einmal in Marmagen.“ Hauptthema, so erinnert sich Udo Crespin, seien die Bedenken wegen der Sicherheit der Kinder gewesen. „Es ging nicht gegen die Rettungswache an sich“, betont er.
Marmagen soll Standort der Rettungswache bleiben
Natürlich hätte der Kreis wegen des höherwertigen öffentlichen Interesses trotzdem die Wache bauen können, berichtet Crespin weiter. „Es ging nur um die Sorge: Was ist mit den Kindern, die in dem verkehrsberuhigten Bereich nachmittags auf der Straße spielen?“, skizziert er die Bedenken. Rettungsdienst sei immer ein Integrationsprozess – doch wenn mit solch einer Stimmung in die Situation hineingegangen werde, bleibe ein Unsicherheitsgefühl. Wenn andere Möglichkeiten vorhanden seien, solle besser eine ganz unbelastete Situation hergestellt werden.
„Marmagen wird auf jeden Fall Standort für die Rettungswache bleiben“, betont Crespin. Andere Möglichkeiten gebe es – doch welche es seien, dazu wollte sich der Kreisbrandmeister nicht äußern, da noch kein Vertrag unterschieben sei. Es werde nun kurzfristig – laut Crespin innerhalb von rund sechs Wochen – eine neue Lösung gefunden, die sich in zentraler Lage befinde. Und was die Kosten angeht, die bei den Betreibern von „Flair“ aufgelaufen seien, betont er, das kein bestehender Mietvertrag bestehe. „Da werden wir mit der Einrichtung drüber reden müssen“, sagt Crespin.
Drei weitere Rettungswagen
Steigende Einsatzzahlen führten dazu, dass im Jahr 2016 bei der Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans aus dem Jahr 2007 die Anzahl der Rettungswagen und -wachen im Kreis erhöht werden sollte, erläutert Kreisbrandmeister Udo Crespin. „Die Zahl der Rettungswachen ist auf Kante genäht“, sagt er.
Von 2011 bis 2015 ist die Zahl der Notfalleinsätze mit Rettungswagen von 21 866 auf 27 556 gestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es knapp 17 000.
Zum 1. Januar 2018 sollte deshalb die Anzahl der Rettungsfahrzeuge um drei erhöht werden. Zwölf statt bislang neun Rettungswagen sollten dann im Kreis unterwegs sein. Bisher standen zwei in Euskirchen und je einer in Vernich, Zülpich, Mechernich, Tondorf, Schleiden, Rescheid und Bad Münstereifel. Dazu kommen noch die Notarztstandorte in Euskirchen, Mechernich, Schleiden sowie der Telenotarzt, der seit einem Jahr im Einsatz ist. Außerdem sind laut Crespin im Kreis sechs Krankentransportfahrzeuge im Einsatz. Darüber hinaus stehen laut Crespin für den Spitzenbedarf noch zwei Rettungsdienstfahrzeuge in Reserve, so dass insgesamt 14 Fahrzeuge einsatzbereit seien.
Als zusätzliche Standorte für weitere Rettungsfahrzeuge wurden in dem angepassten Rettungsdienstbedarfsplan die Erweiterung der Kapazitäten in Euskirchen sowie Strempt und Marmagen ins Auge gefasst.
„In einer zweijährigen Evaluierungsphase sollte konzertiert auf Kreisebene mit den Einsatzzahlen geschaut werden, wo der beste Standort wäre“, so Crespin. Neben Marmagen wurde Strempt als Verstärkung für den Bereich Mechernich, sowie ein dritter Wagen für den Standort Euskirchen für die Probephase ausgesucht. (sev)