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Schließung in SchleidenWie sich die Notaufnahme in Mechernich auf mehr Patienten einstellt

Lesezeit 6 Minuten
Chefarzt Dr. Marcus Münch ist auf einem Foto von 2021 zu sehen: Vor der Inbetriebnahme hat er die neue Notaufnahme im Kreiskrankenhaus Mechernich vorgestellt.

Die Zentrale Notaufnahme mit dem offenen Raumkonzept wurde im April 2021 vor der Inbetriebnahme von Chefarzt Dr. Marcus Münch vorgestellt. Rund 110 Patienten werden dort aktuell täglich behandelt.

Auf die Schließung der Notaufnahme in Schleiden sieht sich das Kreiskrankenhaus in Mechernich gut vorbereitet.

Rund 8000 Patienten werden pro Jahr in der Notaufnahme des Schleidener Krankenhauses behandelt. Ab Sonntag muss es heißen: wurden. Dann ist die Notaufnahme in dem Haus am Hähnchen Geschichte. Wohin mit den Patienten? Je nach Wohnort werden sicherlich einige nach Simmerath oder Prüm fahren. Doch das Gros wird das Kreiskrankenhaus in Mechernich ansteuern. Stellt sich die Frage: Schaffen die das? Die Antwort von Dr. Marcus Münch, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme (ZNA), ist genauso kurz wie eindeutig: „Ganz klar: Ja!“

30.000 Patienten behandeln er und sein Team bislang pro Jahr. Seine Einschätzung, dass die Qualität der Versorgung nicht unter einem Patienten-Plus leiden wird, begründet er mit mehreren Faktoren.

Bereits jetzt werden deutlich mehr Patienten in Mechernich behandelt

Rund 21 Patienten werden pro Tag im Durchschnitt in Schleiden behandelt, etwa 110 sind es derzeit in Mechernich. Im zweiten Halbjahr 2023, als die ersten Gerüchte der anstehenden Veränderungen in Schleiden die Runde machten, ist laut Münch bereits eine deutliche Verschiebung in Richtung Mechernich feststellbar gewesen: Ein Plus von 24 Prozent sei dort registriert worden. Ähnlich haben sich die Verantwortlichen des Rettungsdienstes geäußert: Dass man seit geraumer Zeit die Schleidener Klinik gar nicht mehr anfahre, wenn von einer stationären Aufnahme auszugehen gewesen sei.

Geschäftsführer Martin Milde und Chefarzt Dr. Marcus Münch stehen vor dem Kreiskrankenhaus Mechernich.

Die Vorbereitungen der Notaufnahme im Kreiskrankenhaus Mechernich erläuterten Martin Milde (l.) und Dr. Marcus Münch.

In Schleiden konnten mehr als 70 Prozent der Patienten das Krankenhaus nach der Behandlung in der Notaufnahme wieder verlassen, in Mechernich liegt diese Quote bei etwa 50 Prozent. Rund 30 der täglich 110 Patienten dort seien eigentlich kein Fall für die Notaufnahme. Eine Ambulanz wäre für sie der geeignetere Ort. Jedoch: „Bei uns wird keiner weggeschickt“, sagt Münch.

Alle Stellen in der Notaufnahme des Kreiskrankenhauses sind besetzt

Glücklicherweise, sagt Münch, herrscht in der ZNA in Mechernich kein Personalmangel. 24 Vollzeitstellen gibt es dort aktuell in der Pflege, alle sind besetzt. Und zu den fünf ZNA-Ärzten sind immer die Dienste der Ärzte aus den Fachdisziplinen zu rechnen, die in die Notaufnahme rotieren.

Verstärkt wird die Notaufnahme um vier Pflegekräfte, die in der kommenden Woche aus Schleiden an den Bleiberg wechseln. Münch: „Damit gehen wir an den Start und schauen, wie es sich entwickelt.“ Denkbar ist, dass das Personal weiter aufgestockt wird.

Möglicherweise braucht die Notaufnahme weitere Räume

Die neue ZNA in Mechernich ist im April 2021 eröffnet worden. 500.000 Euro sind investiert worden. Auf 450 Quadratmetern wird weitgehend in einem offenen Raumkonzept gearbeitet, in dem die Behandlungsplätze im zentralen Bereich durch Vorhänge getrennt sind. Das ist zuweilen Fluch und Segen gleichzeitig: Für die Arbeitskonzeption ist es gut. Doch mehrfach pro Woche komme es vor, so Münch, dass Angehörige oder Begleiter es partout nicht verstehen wollen, dass sie im Wartebereich bleiben müssen und gerade nicht zu ihren Lieben können.

Ob der Platz ausreicht, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Wie Geschäftsführer Martin Milde erklärt, gibt es daher noch kein abschließendes Raumkonzept: „Wir haben aber schon einige Gedanke für neue Räume.“

Wie lange müssen Patienten in Mechernich warten?

Für die Patienten eine ganz entscheidende Frage dürfte sein, wie lange es dauert, bis man in der Notaufnahme in Mechernich versorgt ist. Die Antwort ist ein klares: „Kommt drauf an.“ Priorisieren ist in der ZNA das Entscheidende. Innerhalb von zehn Minuten nach der Ankunft eines Patienten, so Münch, nimmt eine speziell ausgebildete Pflegekraft ihn in Augenschein und legt nach einem international einheitlichen System fest, wie schnell der Patient behandelt werden muss.

Logisch: Schwere Fälle sind sofort an der Reihe. Und wer mit einem umgeknickten Fuß kommt, kann durchaus warten. Da die Einschätzungen bei jedem neu ankommenden Patienten vorgenommen werden, gilt nicht das Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sondern die Frage: „Wer ist am krankesten?“

In Mechernich liegen wir bei den Patienten, die warten können, im Schnitt bei zweieinhalb Stunden.
Dr. Marcus Münch, Chefarzt

Bei Zentralen Notaufnahmen von der Größe Mechernichs beträgt die Wartezeit laut Münch bei den nicht dringenden Fällen (Stichwort umgeknickter Fuß) im bundesweiten Durchschnitt drei bis vier Stunden. In Unikliniken könne man sich auch auf acht bis zwölf Stunden einstellen. „In Mechernich liegen wir bei den Patienten, die warten können, im Schnitt bei zweieinhalb Stunden“, so Münch. Er geht nicht davon aus, dass sich diese Zeitfenster durch die Schleidener Patienten dramatisch ausdehnen werden.

Den Begriff mag Münch eigentlich nicht so gerne. Doch er passt. Warten ist, wenn keine schwere Erkrankung oder Verletzung vorliegt, nur eines: lästig. Hierzu ruft er in Erinnerung, wie die Lage in den Hausarztpraxen ist. Wer da keinen Termin hat, muss sich ebenfalls auf kräftige Wartezeiten einstellen.

Zahlreiche Probleme führen zu der Misere

In den Notaufnahmen werden viele Patienten behandelt, die dort eigentlich gar nicht hingehören. Sie sind aber die einzigen im Kreis, die rund um die Uhr für die Menschen da sind – der ärztliche Bereitschaftsdienst, erreichbar unter der Telefonnummer 116117, ist vielen wohl gar nicht bekannt.

Darüber hinaus ist die Notfallversorgung eine hoch defizitäre Angelegenheit – die Fallpauschalen funktionieren gerade mit Blick auf die hohe Quote der ambulant versorgten Patienten hinten und vorne nicht. Milde: „Im Prinzip ist das Geld kurz nach der Ersteinschätzung aufgebraucht.“ Gerüttelt wird an der Institution aber keinesfalls. Denn die Einstellung bei Milde, Münch und vor allem den Mitarbeitern ist klar: „Der Begriff Kreiskrankenhaus wird ernstgenommen. Wir sind der Notfallversorger für den Kreis.“

Und dann ist da die Einstellung der Menschen, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hat, dass man alles jederzeit erledigen kann, wenn es grade passt – Münch bezeichnet das als „Amazon-Mentalität“. Davon müsse man sich ein stückweit entfernen.

Schnelle Lösungen, etwa für Schleiden, sind nicht in Sicht

Die eine, große Lösung wird es für die Misere im Gesundheitswesen kaum geben, es ist niemand in Sicht, der freudestrahlend ruft: „Ich übernehme!“ Gerade der Fachkräftemangel ist zu eklatant. Er wird wohl eher schlimmer als besser, was die Infoveranstaltung zu dem Thema in Vogelsang vor Augen geführt hat.

„Das Ziel muss sein“, so beschreibt Milde es, „die Patienten an die richtige Stelle zu bringen. Und damit auch die Bagatellfälle besser abzupuffern.“ Dazu sind neben den Notaufnahmen in den Kliniken wohl mehrere Komponenten erforderlich. Grundsätzlich die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu erhöhen, nennt er – und das ohne das Bemühen von Suchmaschinen, was in der Regel nur Ängste schürt. Der Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte, Stichwort 116117 und Notdienstpraxis, ist eine weitere Komponente. Ebenso die Einführung der Gemeindenotfallsanitäter, ein Projekt, das der Kreis angehen will.

Zahlreiche innovative Konzepte schweben auch Münch vor: Kooperationspraxen, an die Patienten vermittelt werden können, nennt er als Beispiel. Den verstärkten Einsatz von Telemedizin ebenso. Er verweist im gleichen Atemzug auf die dicken Bretter, die dann zu bohren sind: Datenschutz, Finanzierung, Systemkompatibilität, gesetzliche Grundlagen. Schnelle Lösungen sind also kaum zu erwarten.