Aus für Notaufnahme und StationenSchließungen im Schleidener Krankenhaus beginnen im Juli

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Das Bild zeigt den Haupteingang des Krankenhauses Schleiden, davor parkt ein Auto.

Harte Einschnitte kommen auf das Krankenhaus Schleiden zu, der deutlichste ist die Schließung der Notaufnahme im September.   

Der deutlichste Einschnitt fürs Krankenhaus Schleiden kommt zum 1. September: Dann gibt es dort keine Notfallversorgung mehr.

Dass sie kommen werden, die bitteren Pillen für die Menschen im Südkreis, steht seit Monaten fest. Doch sie werden nun früher verabreicht als angenommen: Am 1. Juli wird die Geriatrie in Schleiden geschlossen, am 15. Juli werden die zwei verbliebenen Stationen zu einer zusammengelegt, am 1. September schließen Unfallchirurgie, Innere – und vor allem das, was richtig wehtut: die Notaufnahme.

Die tiefgreifenden Veränderungen für den Schleidener Standort der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH hatte Geschäftsführer Martin Milde bereits Anfang des Jahres angekündigt und den 1. Januar 2025 als Termin für die Umsetzung genannt. Doch schon im Januar sagte Milde auch, dass die Maßnahmen in der zweiten Jahreshälfte vorbereitet und angegangen werden. Nun wird gehandelt, auch wenn die Planungen für das Pilotprojekt zur Zukunft des Schleidener Hauses noch nicht final abgesegnet sind. Die Termine dazu bei Bezirksregierung und Gesundheitsministerium stehen in den kommenden Wochen an.

Das System Krankenhaus ist mit Ansage gegen die Wand gefahren worden.
Martin Milde, Geschäftsführer

Ein Vergnügen ist das Verkünden derartiger Maßnahmen für Milde wahrlich nicht. Sie resultieren aus einer unheiligen Allianz von sich kontinuierlich verschlechternden finanziellen Rahmenbedingungen und Fachkräftemangel. Um rund 700.000 Euro ist der Umsatz laut Milde am Standort Schleiden im Vergleich zum „schon schwachen“ gleichen Zeitraum 2023 gefallen. Irgendwann sei dies alles nicht mehr zu kompensieren, betont Milde mehrfach. Und dieses irgendwann ist im Fall Schleidens jetzt, im Sommer 2024. „Das System Krankenhaus ist mit Ansage gegen die Wand gefahren worden“, sagt Milde immer wieder.

Die Geriatrie wird im Juli nach Mechernich verlegt

Knackpunkt: das Personal. Chefarzt Dr. Michael Gehlen geht Ende des Jahres in den Ruhestand. Dann wäre in Schleiden nur eine Oberärztin in der Geriatrie. „Wir brauchen aber zwei Fachärzte, um die Leistungen erbringen zu dürfen“, sagt Milde. Und die seien eben für Schleiden nicht zu bekommen.

15 Betten für die Geriatrie gibt es in Schleiden, 44 in Mechernich. Dort beginnt nun das „Bettenrücken“, um die Patienten aufnehmen zu können. Die seit Corona nicht mehr belegte Station Innere 4 mit 22 Betten ist laut Milde in den vergangenen Wochen wieder betriebsbereit gemacht worden. Dort wird die Urologie einziehen. Die dann frei werdende Station wird ebenfalls ertüchtigt und bietet dann – laut Milde ab etwa Anfang August – Platz für Patienten aus Schleiden.

Unfallchirurgie und Innere in Schleiden schließen Ende August

Knackpunkt: das Personal. In beiden Disziplinen ist der ärztliche Dienst laut Milde nicht mehr ausreichend besetzt. Innere-Chefarzt Dr. Gerald Vey ist da nur ein Beispiel. Eigentlich ist er längst in Rente, hat seinen Vertrag bereits mehrfach verlängert. „Wir haben auch mit einem Headhunter einen Nachfolger gesucht – aber keinen geeigneten gefunden“, sagt Milde. „Dann fallen die Dominosteine“, drückt er den Effekt aus, den das Ausscheiden von Ärzten hat, die für das Erbringen bestimmter Leistungen in einem Krankenhaus zwingend erforderlich sind.

Durch den Einsatz von Ärzten aus Mechernich und von Honorarkräften werden die Stationen im Juli und August noch betrieben. „Wir hätten die Innere vielleicht ein, zwei Monate länger betreiben können. Aber das macht keinen Sinn. Daher der harte Schnitt zum 1. September“, sagt Milde.

Für die Notaufnahme kommt das Aus ebenfalls zum 1. September

Knackpunkt: das Personal. Hier ist es die Summe der Dominosteine, die fallen. Zur Notfallversorgung in einem Krankenhaus gehören neben Chirurgie und Innerer die Intensivstation und die Zentrale Notaufnahme. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche muss dies alles betriebsbereit sein, inklusive des OP. Was wiederum viel Personal erfordert, im ärztlichen wie im pflegerischen Bereich. Personal, das Schleiden schlicht nicht hat.

Solange wir es konnten, haben wir es fortgesetzt – aber jetzt können wir es nicht mehr.
Martin Milde, Geschäftsführer

Die Schließung der Notaufnahme zum 1. September ist ein harter Schlag ins Kontor fürs Schleidener Tal. Ja, die schweren Fälle wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Polytraumata werden seit Jahren schon auf direktem Weg zu spezialisierten Häusern gebracht – nach Mechernich, nach Euskirchen, in die Unikliniken. Es geht vor Ort um die weniger dramatischen Fälle. Es geht um 8000 Patienten im Jahr. So viele kamen 2023 in die Schleidener Notaufnahme. Mehr als die Hälfte von ihnen hatte sich an Armen oder Beinen verletzt, war gestürzt, hatte einen Arbeitsunfall. Und rund 75 Prozent von ihnen konnten nach einer ambulanten Behandlung wieder nach Hause gehen.

Dies ist für Milde ein weiterer Knackpunkt: „Auch wenn es hart klingt: Wir sind als Krankenhaus nicht für die ambulante Versorgung zuständig. Wir machen es seit Jahren, aber es ist nicht wirtschaftlich. Solange wir es konnten, haben wir es fortgesetzt – aber jetzt können wir es nicht mehr.“

Die Stationen in Schleiden werden zusammengelegt

Knackpunkt: das Personal. Aufgrund des Mangels an Pflegepersonal werden die erste und dritte Etage in Schleiden Mitte Juli zusammengelegt. In den 30 Betten der dritten Etage werden dann die Patienten aller Disziplinen versorgt – weil diese laut Milde in einem besseren Zustand und dort auch die Privatstation ist. In der zweiten Etage werden weiterhin die Patienten nach ambulanten Operationen behandelt.

In der Pflege wird keinem Mitarbeiter in Schleiden gekündigt

„Ich kündige keinem. Das wäre ja verrückt“, sagt Milde mit Blick auf die Mitarbeiter in der Pflege – wenig verwunderlich angesichts des Fachkräftemangels. Am Mittwochnachmittag hat Milde die Crew in Schleiden über den Zeitplan informiert.

Die Zukunft der Pflegekräfte ist laut Milde geklärt. 60 Vollzeitstellen gibt es aktuell in Schleiden, die von 94 Mitarbeitern ausgefüllt werden. 43 Stellen werden in Schleiden bleiben, 13 nach Mechernich verlagert, zwei zum Vivant-Pflegedienst. Die Mitarbeiter von zwei Vollzeitstellen haben sich laut Milde entschieden, den Konzern zu verlassen.

Die Patienten sind deutlich länger nach Mechernich unterwegs

Das Gesundheitssystem ist komplex, fragil und hochgradig belastet. Wird an einer Stellschraube gedreht und wie in Schleiden eine Notaufnahme dichtgemacht, hat das Auswirkungen auf alle anderen Akteure.

Zuallererst auf die Patienten: Sie müssen nun deutlich längere Fahrtzeiten auf sich nehmen. In den Rathäusern in Schleiden und Hellenthal hat man die Rechnungen aufgemacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass die im Krankenhausplan NRW vorgesehene Erreichbarkeit binnen 20 Minuten aus ganz vielen Orten auch bei bester Verkehrslage nicht machbar ist. Vorgesehen ist dies für 90 Prozent der Bevölkerung – die Menschen im Schleidener Tal und den Höhenorten fallen dann durchs Raster.

Die Schließung hat auch Auswirkungen auf den Rettungsdienst

Auf den Rettungsdienst, den der Kreis betreibt und der sich auf deutlich längere Fahrzeiten, dadurch längere Belegung der Rettungswagen und womöglich obendrauf mehr Einsätze einstellen muss. Hat das Kreiskrankenhaus das Problem zum Kreis-Rettungsdienst abgeschoben? Nun, begeistert sei man da nicht gewesen, sagt Milde: „Aber die Gespräche waren immer konstruktiv.“ Man müsse das Thema insgesamt ins Auge fassen. Vollumfänglich lösen werde man es wohl nicht können. Der Fachkräftemangel macht schließlich vor keinem halt.

Und dann ist da die Notaufnahme in Mechernich. Mehr als 32.000 Patienten hat das Team um Chefarzt Dr. Marcus Münch dort 2023 behandelt – auf Arbeit wartet man dort wahrlich nicht. Ein großer Teil der 8000 Schleidener Patienten wird künftig dazukommen. „Wir werden das Personal aufstocken“, kündigt Milde an – und bezeichnet den Standort Mechernich als attraktiv, etwa durch die Ausstattung.

Auch eine räumliche Erweiterung werde geprüft. Schließlich habe Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Krankenhausplan 2,5 Milliarden an Fördermitteln vorgesehen. Von diesem Kuchen möchte man ein Stück abbekommen, für die Notaufnahme in Mechernich, aber gerne auch für die Renovierung des OP-Bereichs in Schleiden.

Gibt es noch einen Funken Hoffnung für eine Notfallversorgung?

Schluss. Aus. Vorbei. Haben die Bemühungen um die Notfallversorgung im Schleidener Tal keinen Effekt? Verpuffen die Resolutionen, die die Politiker in Schleiden und Hellenthal verabschiedet haben, einfach so?   Gibt es vielleicht doch eine Option, eine (ambulante) Versorgung von Notfällen einzurichten, die nicht den komplexen Apparat der klinischen Notfallversorgung erfordert?

Man will sich zumindest noch einmal zusammensetzen. Nach den Sommerferien, so Milde, soll es einen Termin geben mit Kreiskrankenhaus, Marien-Hospital Euskirchen, Rettungsdienst und Kassenärztlicher Vereinigung, in dem es um die Notfallversorgung im gesamten Kreis geht. Doch viel Hoffnung macht Milde nicht: „Ich glaube nicht, dass das gehen wird. Ich wüsste nicht, wie man es personell besetzen sollte – Stichwort Fachkräftemangel.“ Er redet da nicht um den heißen Brei: „Die Versorgung im Kreis Euskirchen wird schlechter.“ Und ergänzt: „Aber nicht schlecht.“


Der Schleidener Weg

Tiefrote Zahlen führen neben dem Personalmangel zu den drastischen Einschnitten. In Mechernich wurden im vergangenen Jahr 19.070 Patienten behandelt, in Schleiden 3392 – der deutlich kleinere Standort ist jedoch für die Hälfte des Defizits verantwortlich: Ein Minus von sieben Millionen Euro sind für 2024 insgesamt geplant, der Schleidener Anteil liegt darin bei gut 3,6 Millionen.

Die Schließung ist weder im Sinne von Geschäftsführer Martin Milde noch in dem der Gremien. Gesellschafterversammlung wie Verwaltungsrat haben klar für Schleiden votiert – wenn auch Veränderungen angesichts der Lage unumgänglich sind. Ein „Weiter so“ war nämlich genauso schnell vom Tisch. Ein Pilotprojekt soll gestartet werden, der Schleidener Weg. Das finale Grüne Licht aus Köln und Düsseldorf fehlt zwar noch, das Konzept ist laut Milde aber maßgeblich verhandelt und abgestimmt. Die Signale sind für ihn deutlich: „Sie wollen Schleiden nicht kaputtgehen lassen.“

Stationär versorgt werden in Schleiden weiterhin Patienten aus Schmerztherapie, Hand- und Fußchirurgie. Abteilungen, die sich über die Region hinaus eines sehr guten Rufes erfreuen. Sprechstunden werden in den Bereichen Innere und Chirurgie angeboten, ambulante Operationen und Endoskopie sind vorgesehen, ebenso Radiologie und Dialyse. Der Notarzt-Standort bleibt.

Eine Hausarztpraxis wird im Februar 2025 ins Erdgeschoss des Schleidener Krankenhauses einziehen. Es ist für Milde ein Schritt auf dem Weg zum „Campus Hähnchen“, wie er es bezeichnet. Dieses „Zentrum für Gesundheit“ könne Möglichkeiten zur Vernetzung sowie Nutzung von Infrastruktur und technischer Ausstattung bieten. Jedoch: Zu einer höheren Ärztedichte im Schleidener Tal kommt es zunächst nicht. Die Ansiedlung ist ein Umzug einer bestehenden Praxis. 

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