Die Redaktion hat mit Jugendverbänden, Schulleitern und dem Kreisbauernverband über die Ergebnisse der Europawahl gesprochen.
StimmenDas sagen Menschen aus dem Kreis Euskirchen zum Ausgang der Europawahl
Die Verluste der Grünen bei der Europawahl sind dramatisch. Dagegen hat vor allem die AfD kräftig an Stimmen hinzugewonnen und fuhr das zweitbeste Ergebnis im Kreis Euskirchen ein. Der Wahlsieger ist aber eindeutig und mit großem Abstand die CDU.
Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Euskirchen ist zufrieden
Entsprechend gut gelaunt, zeigt sich am Montag Simon Hofmann. Er ist Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Euskirchen. Das Abschneiden der CDU im Kreis habe ein Gefühl der Zufriedenheit hinterlassen, sagt er: „Das Ergebnis zeigt ganz klar, dass Sachpolitik, orientiert an den Bürgerinnen und Bürgern, gut ankommt.“
Es sei wichtig, die Menschen weiter in den Fokus des Handelns zu stellen. „Wir wollen für die jungen Menschen da sein. Daran messen wir uns in der Jungen Union“, so Hofmann: „Kirchturmdenken und die darauf gerichtete Politik bringen keinen weiter.“
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Ein Beispiel seien die Landwirte, die man als CDU besonders in den Fokus gerückt und bewusst den Dialog gesucht habe. „Diesen Weg müssen wir weitergehen. Wir müssen die Bedürfnisse aller Menschen ernstnehmen und keine Politik machen, die an den Menschen vorbeigeht – so wie die Ampel es mit den Landwirten getan hat“, sagt Hofmann. Es bringe nichts, Lösungen vorzugeben. Lösungen müssten entwickelt werden.
Chef der Landwirte zeigt sich erschrocken über die Stärke der AfD
„Ich bin erschrocken darüber, wie stark die Rechte geworden ist – in Europa und Deutschland“, sagt Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen: „Ich fühle mich erschöpft und politisch ratlos.“ Für ihn ist im Wahlergebnis eine Unzufriedenheit abzulesen. „Ein Zeichen dafür, dass die Politik anfangen muss, die Bürger mitzunehmen“, sagt er. Das starke Wahlergebnis der AfD sieht er als Protest an der Regierung. „Das haben wir auch schon bei den landwirtschaftlichen Protesten gemerkt, dass die Leute sich überfordert und nicht wahrgenommen fühlen“, so Dahmen.
Aber aus Protest eine Partei zu wählen, die in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt? „Ich glaube, die Wähler machen sich da keine Gedanken“, sagt Dahmen. Es gehe eher darum, „der Regierung Bescheid zu sagen“. Es müsse sich etwas ändern – etwa, was die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft angehe. Dort werde viel gefordert, aber wenig gefördert. Die Bauernschaft hält er selbst größtenteils nicht für AfD-Wähler, sondern für „typische CDU-Wähler“.
Die Juniorwahl der Gesamtschule Eifel spiegelt im Kleinen die Europawahl
In der Gesamtschule Eifel mit ihren Standorten in Blankenheim und Nettersheim haben sich nach Angaben von Schulleiterin Eva Balduin etwa 350 Schülerinnen und Schüler an der sogenannten Juniorwahl beteiligt. Die Stimmen sind zwar nicht in die reguläre Wahl eingeflossen, zeigen aber, wie junge Eifeler aktuell über Politik denken. Und das ist nach Angaben der Schulleiterin nicht anders als im bundes- oder kreisweiten Trend. „Auch bei uns ist die Ampel-Koalition abgestraft worden“, so Balduin: „Die Oppositionsparteien, besonders die konservativen und die rechten, sind verstärkt gewählt worden.“
Ein konkretes Wahlergebnis werde aber nicht an die Öffentlichkeit kommen, sagt die Schulleiterin. Es sei ein Beschluss der Schulpflegschaft, dass das Ergebnis nur intern weitergegeben werde – und das auch nicht mit harten Prozentzahlen, sondern nur „trendig“. Aber der Trend sei eindeutig. „Die rechtspopulistischen Parteien haben schon viele Stimmen erhalten. Der Trend geht aber auch dahin, dass die Schüler kleinere Parteien gewählt haben“, sagt Balduin.
AfD bekommt in der Oberstufe weniger Stimmen als in unteren Klassen
Aufgerufen, ihr Kreuz bei der imaginären Europawahl zu machen, waren alle Schülerinnen und Schüler von der Jahrgangsstufe 8 bis zum Abitur-Jahrgang. „In der Oberstufe haben wir ein ganz anderes Ergebnis als in der Mittelstufe. Die Oberstufe hat deutlich differenzierter gewählt. Daran sieht man, wie reflektiert ältere Schüler sind“, so Balduin.
In der Oberstufe hätten AfD und Co. deutlich weniger Stimmen erhalten als in den unteren Klassen. Es sei sehr wichtig, die Wahl gemacht zu haben, sagt die Chefin der Gesamtschule Eifel: „Das Ergebnis macht deutlich, dass wir noch weiter informieren, reflektieren und aufklären müssen.“
Verunsicherung bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Euskirchen
Aufklärungsarbeit ist auch immer mal wieder in der Jugendvilla der Caritas in Euskirchen nötig. „Ich bin von Jugendlichen schon angesprochen worden, ob sie nun abgeschoben würden“, sagt Pascal Steinberger, Mitarbeiter der Caritas in der Jugendvilla.
Vor allem nach den Potsdam-Enthüllungen rund um die AfD sei die Verunsicherung bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund spürbar gewesen, sagt Steinberger. „Die AfD ist auf TikTok unterwegs. Und Jugendliche bekommt man da, wo die sich eben aufhalten – und das ist in jungen Sozialen Netzwerken“, sagt Steinberger. Politik sei mitunter zu komplex, um sie für junge Menschen greifbar zu machen. Der AfD sei es aber scheinbar gelungen, sie mit populistischen Thesen zu überrumpeln.
Chef der Jungen Liberalen appelliert an andere Jugendverbände
Lukas Krüger ist der Vorsitzende der Jungen Liberalen im Kreis Euskirchen. Er kommt aus Firmenich. „Das Dorf tickt eher konservativ. Dass man aber so zur AfD tendiert, überrascht mich“, sagt er: „Dass die CDI in der Eifel stark ist, ist traditionell gewachsen. Dass die AfD so viele Stimmen bekommt, finde ich beängstigend.“ Dass die AfD bei Jung- und Erstwählern so gut abgeschnitten hat – laut Umfragewerte hat die AfD bei 16- bis 24-Jährigen 11 Prozentpunkte hinzugewonnen, die Grünen 23 verloren – könne er nicht verstehen, sagt Krüger: „Die sind doch im neuen Europa aufgewachsen und sollten es doch beibehalten wollen.“
Mit dem Ergebnis seiner Partei im Kreis Euskirchen sei er durchaus zufrieden. Das Ergebnis mache ihm Mut, im kommenden Jahr noch mehr Werbung für die Liberalen zu machen. „Wir müssen als Demokraten zusammenstehen. Wir haben im Kreis Euskirchen das große Glück, mit den Jusos, der Jungen Union und der Grünen Jugend gut zusammenarbeiten zu können. Wir wir uns als demokratische Parteien zusammentun, können wir ein Gegengewicht bilden“, so Krüger.
Juso-Vize kritisiert den Wahlkampf und die politische Linie der SPD
Als der Prozentbalken der AfD immer weiter stieg, war Marvin Strick, stellvertretender Vorsitzender der Jusos im Kreis Euskirchen, schockiert und verängstigt. Aus Zülpich war Strick zur SPD-Wahlparty nach Berlin gefahren. Doch eine richtige Party blieb aus. „Ich habe mich gefragt, wie die kommenden Jahre werden sollen“, sagt er. Und: „Ich habe echt Angst um die Zukunft.“ Seine Sorgen um die Zukunft hat der 23-Jährige auch mit dem Bundeskanzler geteilt, den er nur „Olaf“ nennt. „Aber ich glaube, das wurde nicht so ernst genommen“, sagt Strick.
Nicht ernst genommen zu werden mit den eigenen Problemen und Nöten, das ist laut ihm eines der großen Probleme der jungen Wählenden. „Eigentlich ist meine Generation politisch sehr interessiert“, sagt Strick. Das habe schließlich noch 2019 zu einer Veränderung der Parteienlandschaft geführt. Dann hätten sich aber die Themen in der Politik verschoben und die jungen Leute seien auf der Strecke geblieben.
„Sowohl die CDU als auch die AfD versprechen gerade eine sehr stabile Version von Sicherheit“, sagt er. Corona, Krieg, Wehrpflicht, Inflation, Klimakrise. Das Sicherheitsbedürfnis sei in seiner von Krisen geplagten Generation aktuell sehr hoch. Gerade die AfD schaffe es derzeit über Social Media, vor allem über die Plattform TikTok, ein klares und einfaches Bild von Europa und der Welt zu vermitteln. Das komme bei jungen Wählern gut an, sagt er.
„Wir hingegen hatten keine Vision für Europa“, spricht Strick für die SPD. „Wir haben nur Ampel-Wahlkampf gemacht, und die Quittung bekommen“, sagt Strick. Und dass er sich in Zukunft eine bessere Repräsentation junger Leute in der Regierung wünsche. „Olaf Scholz wird in meiner Generation nicht als ein Kanzler wahrgenommen, der sich um die Probleme kümmert.“
Dabei gebe es sie, die jungen Politiker wie etwa Bundestagsmitglied Robin Mesarosch, die auf Instagram aktiv sind, den Kontakt zu jungen Leuten suchen und „komplexe Probleme toll erklären können“. Leider würden die von der Parteispitze aber nicht priorisiert. Schlimmer noch: nicht wahrgenommen.
Wohlstandversprechen etablierter Parteien ist aufgezehrt
Laura Alderath (22), Landessprecherin der Grünen Jugend NRW erklärt: „Die großen Protestwellen rund um Fridays for Future sind vorbei.“ Die Jugendstudie zeige, dass junge Menschen massiv verunsichert in die Zukunft blicken. Und das könne sie verstehen, wenn man zum Beispiel aus dem ländlichen Raum komme und überlegen müsse, ob man sich ein Studium in Köln überhaupt leisten könne. Von dem Wohlstandsversprechen, dass die etablierten Parteien über viele Jahre gegeben hätten, sei kaum noch etwas übrig geblieben.
Und dann gebe es plötzlich eine Partei, die Einfachheit, Sicherheit und schnelle Antworten liefere. Das könnten die etablierten Parteien überhaupt nicht leisten, da sich die Welt hier auf einer komplexeren Ebene darstelle. „Künftig muss eine konkrete Verbesserung in das Leben der Jugendlichen einkehren“, findet sie. Und das gehe nur, wenn man die soziale Frage wieder mehr in den Blick nehme. Das habe das Wahlergebnis für sie gezeigt.
Eine große Verwirrung um Bleistifte gab es am Wahlsonntag in Schleiden
Verwirrung gab es am Wahlsonntag in Schleiden. Dort lagen in manchen Wahlkabinen vermeintliche Bleistifte. Dabei handelte es sich nach Angaben von Wahlleiter Ingo Pfennings um Kopierstifte: „Diese ähneln in ihrer Optik zwar einem Bleistift, bringen aber nicht dessen Eigenschaften mit sich. Es handelt sich um einen dokumentenechten Stift. Im Vergleich zum Bleistift lässt sich das mit einem Kopierstift Geschriebene oder Gekennzeichnete nicht durch Radieren entfernen.“
Das sind die Wahlergebnisse aus den Kommunen im Kreis Euskirchen
In den Kommunen im Kreis ist die Europawahl sehr unterschiedlich ausgegangen. Das beginnt schon bei der Wahlbeteiligung. Lag die in der Stadt Euskirchen mit 59,3 Prozent am niedrigsten, so ist Nettersheim (wie schon 2019) Spitzenreiter, diesmal sogar mit 73,8 Prozent, dicht gefolgt von Dahlem mit 71,6 Prozent.
Die CDU gewann in allen Kreiskommunen Wähler dazu, außer in der Gemeinde Dahlem: Dort holte die CDU mit 42,3 Prozent ihr bestes Ergebnis im Kreis, blieb damit aber exakt auf dem Stand der Europawahl von 2019. Nah dran liegt das Ergebnis der Union in Blankenheim mit 42,0 Prozent. Das im kreisweiten Vergleich schlechteste Ergebnis fuhr die Union mit 33,9 Prozent in der Stadt Euskirchen ein. Am meisten dazugewonnen hat die CDU mit 4,8 Prozentpunkten in der Gemeinde Weilerswist, gefolgt von der Gemeinde Kall mit einem Plus von 4,7 Prozentpunkten.
AfD gewinnt im Kreis Euskirchen am kräftigsten dazu
Die AfD hat im Kreis am kräftigsten dazugewonnen. Sie holte in Euskirchen mit 16,4 Prozent ihr bestes Ergebnis, gefolgt von Zülpich mit 16,3 Prozent und Kall mit 16,0 Prozent. Mit einem Zuwachs von 7,0 Prozentpunkten legte die AfD in der Römerstadt Zülpich am stärksten zu, gefolgt von der Gemeinde Hellenthal mit einem Plus von 6,5 Prozentpunkten und Blankenheim mit plus 5,9 Prozentpunkten. Ihr schlechtestes Wahlergebnis holte die AfD in Dahlem mit 11,6 Prozent. In Nettersheim, Bad Münstereifel und Blankenheim kam sie jeweils auf 13,1 Prozent.
Für die Grünen war die Europawahl auch im Kreis ein Desaster. In allen Kommunen erlebten die Grünen eine Talfahrt, am kräftigsten fiel die in der Stadt Schleiden mit einem Verlust von 9,7 Prozentpunkten aus, gefolgt von der Stadt Euskirchen mit minus 9,6 Punkten, der Stadt Mechernich mit minus 9,2 und der Gemeinde Hellenthal mit minus 9,0 Punkten. Ihr bestes Ergebnis hatten die Grünen in Bad Münstereifel mit 11,6 Prozent, ihr schlechtestes in Hellenthal mit 7,6 Prozent.
Für Grüne und SPD ist das Wahlergebnis ein Desaster
Die SPD liegt nicht nur im Kreisergebnis (13,5 Prozent) , sondern auch in den meisten Kommunen hinter der AfD (im Kreis 14,9 Prozent). Lediglich in Blankenheim (13,4 Prozent; AfD 13,1 Prozent), in Mechernich (14,5 Prozent; AfD 14,2) und in Weilerswist (15,1 Prozent; AfD 14,8) liegt die SPD noch an zweiter Stelle. Anders im Nachbarkreis Düren: Dort liegt die SPD mit 16,0 Prozent weiter vor der AfD mit 15,6 Prozent. Am stärksten verloren hat die SPD mit 4,3 Prozentpunkten in Blankenheim.
Die Hochburg der FDP wurde die Stadt Schleiden mit 9,1 Prozent, den niedrigsten Stimmenanteil fuhr die FDP in Zülpich mit 6,2 Prozent heim. Am stärksten verloren hat die FDP in Kall mit 3,7 Prozentpunkten, gefolgt von Hellenthal mit minus 2,7. Am geringsten fielen die Verluste in Bad Münstereifel mit 0,8 aus.
Die Linken werden vom BSW verdrängt
Die Linke hatte bei dieser Wahl ihr schlechtestes Ergebnis in Hellenthal mit 1,0 und Weilerswist mit 1,1 Prozent, ihre besten Werte in Schleiden, Euskirchen und Blankenheim mit je 1,7 Prozent.
Aus den Wahldiagrammen der Kommunen im Kreis Euskirchen wurden die Linken vom Bündnis Sahra Wagenknecht verdrängt. In Weilerswist brachte es BSW auf beachtliche 5,0 Prozent. Das schlechteste Ergebnis hatte BSW in Nettersheim mit 3,9 Prozent.
In Dahlem hatten die „Sonstigen“ den höchsten Stimmenanteil
Sonstige: Und wie sieht es im Kreis Euskirchen für die Partei aus, die in den Fußgängerzonen für „mehr Eis“ geworben hat? Volt hat es im Kreis Euskirchen auf 2,0 Prozent gebracht, dicht gefolgt von der Tierschutzpartei mit 1,96 Prozent und Die Partei mit 1,64 Prozent. Erst dann kommen die Linken mit 1,48 Prozent.
Den höchsten Anteil an Stimmen hatten die Parteien, die in den Wahldiagrammen der Kommunen als Sonstige aufgeführt werden, übrigens in der Gemeinde Dahlem. Hier liegt der Anteil der Sonstigen bei 14,2 Prozent.