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AgrarpolitikProtestbilanz der Bauern im Kreis Euskirchen – Seif räumt Fehler der CDU ein

Lesezeit 6 Minuten
Das Foto zeigt eine Reihe von Traktoren während der Demofahrten am 8. Januar im Kreis Euskirchen.

Knapp 1000 Fahrzeuge waren bei den Protesten der Landwirte am 8. Januar im Kreis Euskirchen unterwegs.

Hunderte von Bauern im Kreis Euskirchen brachten in den vergangenen Wochen ihren Unmut zum Ausdruck. Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen.

Helmut Dahmen ist sichtlich zufrieden. Daran kann auch eine fiese Erkältung, mit der er sich in diesen Tagen herumplagt, nichts ändern. Seit Wochen protestieren die Bauern – auch im Kreis Euskirchen. Und der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Euskirchen ist begeistert: „Befürchtungen, die wir anfangs hatten, sind nicht eingetreten.“

Er meine damit unter anderem die befürchtete Vereinnahmung der Proteste durch politisch rechte Parteien oder Organisationen. „Dass ihnen das nicht gelungen ist, freut mich persönlich sehr“, sagt Dahmen.

Die Grünen setzen in der Regierung ihre Ideologie rücksichtslos durch.
Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen

Sollte dann doch mal der ein oder andere mit einem Traktor, an dem eine symbolische Ampel am Galgen hing, vorgefahren sein, sei der Fahrer von den Kollegen zurückgewiesen worden – mit der Zeit immer konsequenter, so Dahmen: „Zu Beginn war sicher etwas Unsicherheit, wie man damit umgehen soll.“ Schließlich seien das ja Kollegen und Bekannte, die da übers Ziel hinausgeschossen seien.

Doch mit der Zeit habe man den Umgang mit dieser Art des Protests gelernt. Dahmen selbst liegt die Abgrenzung zu Rechts sehr am Herzen: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen etwa wurde im Gegensatz zu den übrigen Wahlkreis-Politikern aus Bundes- und Landtag nicht zur Demo eingeladen.

Kreisbauernchef Helmut Dahmen zeigt klare Kante gegen Rechts

„Mit der AfD wollen wir nichts zu tun haben“, so Dahmen am Rande der Veranstaltung am 8. Januar in Euskirchen. Als ein Ampel-Galgen an der Versammlung vorbeigefahren wurde, distanzierte sich Dahmen lautstark. Und bei der Demo gegen Faschismus und für Demokratie am 21. Januar in Euskirchen war Dahmen nicht nur Teilnehmer, sondern auch einer der Redner – auch das ein klares Signal dafür, dass die Bauern nichts mit Rechts-außen-Parteien am Hut hätten, so der Kreisbauern-Vorsitzende.

Auch von der Teilnahme und der Organisation der Proteste sowie der Resonanz in der Bevölkerung zeigte sich Dahmen positiv überrascht: „Ich weiß natürlich, dass die Kollegen vernünftig sind. Aber schon das Fehlverhalten eines Einzelnen oder einiger weniger hätte die ganzen Aktionen in ein schlechtes Licht rücken können und das Gegenteil dessen bewirkt, was wir wollten“, sagt Dahmen.

Natürlich ist auch vorher nicht alles rund gelaufen.
Detlef Seif, MdB, über die Agrarpolitik unter CDU-Ministern.

Stattdessen hätten sich immer mehr Menschen, auch Bürger, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind, den Protesten angeschlossen oder diese positiv aufgenommen.

Die politische Bilanz ist Dahmen zufolge hingegen eher gespalten: Einerseits sei es gelungen, dass die Bundesregierung immerhin die Streichung der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zurückgenommen und die Abschaffung der Agrardieselhilfe zeitlich gestaffelt habe. „Andererseits“, so Dahmen, „zieht der Landwirtschaftsminister sein Vorhaben zur Tierwohlabgabe knallhart durch.“

Weiterhin heftige Kritik an Agrarminister Cem Özdemir

Cem Özdemir (Grüne) schlägt einen Aufpreis auf tierische Produkte vor, die Mehreinnahmen sollten die Landwirte, etwa mit dem Umbau ihrer Ställe, ins Tierwohl investieren. Manche Bauern fürchten ein weiteres Bürokratie-Monster. „Und es ist auch eine Frage des Wettbewerbs“, sagt der Elsiger Landwirt Thomas Gräf von der Vereinigung „Land sichert Versorgung“.

Die deutschen Landwirte seien wegen der hiesigen hohen Auflagen im Nachteil gegenüber ihren Kollegen in anderen Ländern. Es nutze dem Tierwohl nichts, wenn die Importprodukte günstiger verkauft würden als die heimischen. „Am Ende“, so Gräf, „entscheidet bei vielen Verbrauchern der Geldbeutel.“ Dahmen kritisiert die Ampel-Regierung heftig: „Die Grünen setzen in der Regierung ihre Ideologie rücksichtslos durch.“

Helmut Dahmen bei der Demo in Euskirchen am 8. Januar.

Klare Abgrenzung nach Rechtsaußen: Kreisbauern-Vorsitzender Helmut Dahmen.

Und die CDU? Deren Bundestagsabgeordneter Detlef Seif aus Weilerswist hatte eine Delegation der Bauern aus dem Kreis Euskirchen kürzlich in Berlin zum Gespräch eingeladen. „Die Landwirte im Kreis haben einen sehr gut organisierten Protest geleistet“, lobt Seif die Aktionen, der mit seiner Kollegin und früheren Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner an der Bauerndemo in Berlin teilnahm.

Dass ihre Probleme mit der Politik nicht erst nach dem Start der Ampel-Regierung begonnen haben, machten die Bauern den CDU-Politikern im Kreis, die bei den Demos auftraten, immer wieder deutlich. „Natürlich ist auch vorher nicht alles rund gelaufen“, räumt Seif mit Blick auf die Regierungszeiten unter CDU/CSU-Führung ein.

So sei etwa schon vor der „Ampel“ eine Änderung der nationalen Düngemittelverordnung im „Hau-Ruck-Verfahren“ erlassen worden, um den drohenden empfindlichen Strafzahlungen nach Brüssel zu entgehen. Die Realisierung habe allerdings nun zur Folge, dass die „Roten Gebiete“, in denen der Gebrauch von Düngemitteln wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser eingeschränkt oder verboten ist, zu groß angelegt und die Messstellen europaweit nicht einheitlich aufgestellt worden seien. „Das muss sich ändern“, so Seif.

Detlef Seif nahm mit Julia Klöckner an Bauerndemo in Berlin teil

Auch das „Vier-Prozent-Ziel“ der EU verheiße nichts Gutes für Landwirte, so der Weilerswister. Es sieht vor, dass vier Prozent der Flächen im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes brachgelegt werden sollen. Viele Landwirte haben mit einer „grünen Vier“ auf ihren Äckern ihren Protest dagegen deutlich gemacht – und auch Seif hält das Vorhaben für „völligen Unsinn“. Denn niemand wisse, ob die Brachflächen danach dem Umweltschutz dienlicher seien als zu der Zeit, als sie von Bauern bewirtschaftet werden, so der Bundestagsabgeordnete.

2022 wurde das Programm wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zurückgestellt, erklärt Seif: „Die Ampel-Regierung sollte darauf hinwirken, dass es 2024 auch nicht realisiert wird.“

Auch wenn die Union nicht ganz unschuldig an den Fehlentwicklungen in der Agrarpolitik sei, so mache er seit dem Start der „Ampel“ eine ganz andere Art des Umgangs mit den Landwirten aus.

Das Bild zeigt Seif und Klöckner, dahinter demonstrieren Landwirte vor dem Brandenburger Tor.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif, hier bei einer Bauern-Demo mit der früheren Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, empfing in Berlin Vertreter der Landwirtschaft aus dem Kreis Euskirchen und dem Rhein-Erft-Kreis.

„Dass kurz vor Weihnachten die Herren Scholz, Habeck und Lindner Einschnitte für die Bauern beschließen, ohne mit ihnen zu sprechen, ja noch nicht einmal den Landwirtschaftsminister informieren, sowas hätte es bei uns nicht gegeben“, stellt Seif mit Blick auf die Streichungen beim Agrardiesel und der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die dann später wieder zurückgenommen wurde, fest.

Seiner Wahrnehmung nach seien die Türen des Bundesumweltministeriums für die Landwirte geschlossen, die Grünen-Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt seien Ideologie-getrieben und entschieden über die Köpfe der Landwirte hinweg.

CDU-Bundestagsabgeordneter Seif kritisiert Scholz, Habeck und Lindner

Da dürfe sich keiner wundern, wenn die Bauern die Verlässlichkeit vermissen: „Die brauchen sie auch, wenn sie neue Anlagen bauen“, so Seif. Sonst könne es nämlich passieren, dass Landwirte etwa teure, neue Ställe bauten, die zwei Jahre später nicht mehr den dann geltenden Vorgaben entsprächen. „Solche Bestimmungen müssen 15, oder besser 20 Jahre gelten“, fordert Seif.

Ebenso sollte die Förderung verstärkt den kleineren und mittleren Betrieben zugutekommen. „Zu viele von ihnen mussten in den vergangenen Jahren aufgeben“, findet Seif. Das widerspreche auch dem Ziel eines gesunden Wirtschaftsmix aus kleineren, mittleren und Großbetrieben.

Außerdem sollten die Subventionen nicht ausschließlich auf Umwelt- und Klimaschutz hinwirken, fordert der CDU-Politiker: „Landwirte sorgen für unsere Ernährungssicherheit.“ Subventionen seien keine Geschenke an die Bauern, sondern ermöglichten, dass die Ernährung der Bürgerinnen und Bürger gesichert und günstig sei – im Notfall auch, wenn Importe etwa der politischen Großwetterlage wegen ausfallen sollten. Das müsste finanziell honoriert werden.


Detlef Seif präsentiert CDU-Agrarexperten im Kreis Euskirchen

Für den 28. März hat Seif den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, Hermann Färber (CDU), für einen Besuch im Kreis Euskirchen gewinnen können. „Dazu sind alle Landwirte aus den Kreisen Euskirchen und Rhein-Erft herzlich eingeladen“, so Seif. Uhrzeit und Ort würden noch mitgeteilt.

Er bitte aber die Landwirte, ihm ihre Sorgen, Anliegen und Fragen im Vorfeld mitzuteilen, um den Verlauf der Veranstaltung möglichst effizient gestalten zu können. Besonders wichtig sei es, wenn die Landwirte im Einzelnen ihre persönliche Belastung darlegen, zum Beispiel Nachweis- und Dokumentationspflichten. Per E-Mail oder telefonisch über sein Abgeordnetenbüro: 0 30 227 – 72015.