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Telefone und SchulungenSo hat der Kreis Euskirchen beim Katastrophenschutz aufgerüstet

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt Bad Münstereifel 100 Tage nach der Flut. Noch ist sehr viel im Bereich der Erft und der Innenstadt kaputt.

Ähnlich wie beim Wiederaufbau nach der Flut war auch beim Katastrophenschutz die eine oder andere Anstrengung nötig.

Der Kreis Euskirchen hat viel Geld in die Gefahrenabwehr investiert. Jetzt kommt ein Wechsellader, mit dem E-Autos gelöscht werden können.

Corona-Pandemie, Flutkatastrophe in der Corona-Pandemie, Energiekrise und Krieg in der Ukraine – gefühlt befindet sich der Kreis Euskirchen seit vier Jahren im Dauerkrisen-Modus. Und um für derartige Szenarien besser gerüstet zu sein, hat der Kreis viel Geld, Zeit und Arbeit investiert.

So führte beispielsweise der frühere Kreisbrandmeister Udo Crespin im Nachgang der Flut eine Deltaanalyse durch, um herauszufinden, welche Lücken es beim Katastrophenschutz zu schließen gilt. Ein Ergebnis: Das System der Gefahrenabwehr ist nur halb geschlossen. So war beispielsweise aufgrund des Ausfalls der Technik die Kommunikation mit THW oder Polizei nicht möglich.

Kreis Euskirchen: Auch Polizei und THW verfügen über Satellitentelefone

Die Lösung: Der Kreis hat nicht nur Satellitentelefone und Starlink-Systeme für allen Kommunen und die Hilfsorganisationen DRK und Malteser angeschafft, sondern auch für THW und Polizei. Durch die satellitengestützte Kommunikation des US-Unternehmens SpaceX soll gewährleistet sein, dass sich beispielsweise Krisenstab und Koordinierungsstellen miteinander austauschen können, wenn die Telefon- und Datenverbindung tot ist.

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Möglich machen das unter anderem die 500.000 Euro, die jährlich für den Bevölkerungsschutz im Kreishaushalt verankert sind. Dass für den Bevölkerungsschutz viel Geld im Haushalt zur Verfügung steht, war nicht immer der Fall.

Wir sind vor der Pandemie von einem sehr niedrigen Niveau gestartet. Das war aber überall im Land so, weil in den 1990er und 2000er Jahren sehr wenig in den Bevölkerungsschutz investiert worden ist.
Julia Baron, Leiterin des Krisenstabs

„Wir sind vor der Pandemie von einem sehr niedrigen Niveau gestartet. Das war aber überall im Land so, weil in den 1990er und 2000er Jahren sehr wenig in den Bevölkerungsschutz investiert worden ist“, sagt Julia Baron, Leiterin des Krisenstabs beim Kreis Euskirchen. Das habe sich in den vergangenen Jahren geändert. Nun gehe es darum, „nicht in eine Katastrophendemenz zu fallen, weil die Menschen sich nicht mehr an den 14. Juli 2021 erinnern wollen“.

Martin Fehrmann, Leiter der Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen, ergänzt: „Es ist die Kunst, bei den Multikrisen die unterschiedlichen Szenerien in den Köpfen zu halten. Aber nicht so, dass es belastet, sondern entlastet. Ein guter Katastrophenschutz trägt auch zum Wohlbefinden bei, weil man dem System vertrauen kann.“ Das habe man im Kreis Euskirchen aber schon vor der Corona-Krise gekonnt, so Fehrmann.

Katastrophenschutz: Kreis Euskirchen setzt auf Vertrauen der Bevölkerung

Damit das Vertrauen noch größer wird, hat der Kreis laut Fehrmann und Baron in den vergangenen Jahren viel unternommen. Das lasse sich anhand von Anschaffungen, wie beispielsweise der Satellitentelefone und Starlink-Systeme, messen. Aber mindestens genauso wichtig sind Landrat Markus Ramers zufolge die „vielen kleinen Dinge, die wir gemacht haben, um im großen Ganzen besser zu werden.“ Natürlich lasse sich die Summe der Anschaffungen addieren. Beispielsweise 100.000 Euro für 16 Satellitentelefone oder 183.000 Euro für die Erstellung von Starkregengefahrenkarten.

„Der Anteil an verbesserten Konzepten, Strukturen, Zusammenarbeit ist fast noch der wichtigere Teil, weil ohne den nützt auch die ganze Technik nichts“, so Ramers. So sei der Austausch mit den Städten und Gemeinden während der Energiemangellage von großer Bedeutung gewesen. Ein Ergebnis dieses Austausches und dieser Zusammenarbeit sei die Schaffung von 174 Notfallmeldestellen im Kreisgebiet gewesen.

Konzepte genauso wichtig wie die Anschaffung neuer Fahrzeuge

„Wie es uns gelungen ist, beispielsweise das THW und die DLRG in unser Konstrukt der Gefahrenabwehr einzubauen, kann man nicht hoch genug einschätzen, weil das mindestens so wertvoll ist wie fünf neue Fahrzeuge“, so Ramers. Da stecke viel Arbeit dahinter. Arbeit, die sich aber lohne, weil sie „ein Plus an Ressourcen“ zur Folge habe.

Ob der Kreis Euskirchen aufgrund der Erfahrungen aus der Hochwasserkatastrophe besser aufgestellt ist als andere Kreise, will Martin Fehrmann nicht beantworten. „Der Gesetzgeber sagt nicht umsonst, dass die örtliche Struktur maßgeblich für den Feuer- und den Bevölkerungsschutz ist. Wir haben im Kreis die Situation, dass wir durch sehr viel Ehrenamt unsere Hilfsfristen eingehalten bekommen. Das ist in anderen Kreisen anders. Daher verbietet es sich, die Kreise zu vergleichen“, so der Chef der Gefahrenabwehr.

Aber natürlich habe man in der Flut erfahren müssen, wo auch der Kreis Defizite hatte. Daran habe man in der Folgezeit intensiv gearbeitet. So seien mit Feuerwehren und Hilfsorganisationen viele Bereiche in der Arbeit eines Krisenstabs immer und immer wieder durchgegangen worden. Mit den Städten und Gemeinden habe man den Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) aufgebaut und geschult, so Fehrmann.

Auch andere Kreise hätten von den hiesigen Fluterfahrungen gelernt, obwohl dort kein einziger Bach übers Ufer getreten sei. „Wir stehen im stetigen Austausch mit anderen Landkreisen. Auch, weil andere von uns im Bereich Katastrophenschutz lernen wollen“, so Landrat Ramers: „Für uns ist es eine Verpflichtung, Strukturen so zu schaffen, dass das Ehrenamt bestmöglich in den Einsatz gehen kann.“

Nach Angaben des Verwaltungschefs wird aufgrund der politischen Lage der Zivilschutz in den Fokus rücken. „Es bringt nichts, 100 Milliarden in die Bundeswehr zu investieren, aber nicht für den Verteidigungsfall im Zivilschutz entsprechend aufgestellt zu sein“, so Ramers.

Wie schnell sich eine Situation aktuell entwickele, zeige sich an der Aufgabenveränderung des Zentrums für Geoinformationswesen der Bundeswehr an der Mercator-Kaserne. So seien die Soldaten dort unter anderem damit beschäftigt, zu untersuchen, welche Brücken in Deutschland statisch darauf ausgerichtet sind, von militärischen Fahrzeugen befahren zu werden. Ramers geht davon aus, dass beim Thema Zivilschutz „der Kreis Unterstützung vom Bund kommen wird.“


In Zukunft auch für brennende E-Fahrzeuge gerüstet

Der Kreis Euskirchen hat in den vergangenen Jahren viel in den Katastrophenschutz – und damit auch in den Bevölkerungsschutz – investiert. Und wird das weiterhin tun. So sind im nichtöffentlichen Teil des Kreis-Sozialausschusses jüngst zahlreiche Projekte abgesegnet worden, die der Gefahrenabwehr und dem Rettungswesen im Kreis dienen.

Beschafft werden beispielsweise zwei neue Rettungswagen und vier neue Rettungstransportwagen. Bis diese im Kreis aber wirklich in den Einsatz kommen, werden wohl etwa zwei Jahre vergehen, sagte Martin Fehrmann, Leiter der Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Es handele sich aber nicht um zusätzliche Einsatzfahrzeuge, sondern um Ersatzbeschaffungen. Diese werden laut Fehrmann nach sechs Jahren oder 200.000 gefahrenen Kilometern nötig. „Die Wartezeit auf ein solches Fahrzeug beträgt mittlerweile zwei Jahre“, so Fehrmann.

Das Bild zeigt drei Vertreter der DLRG, die sich das Satellitentelefon erklären lassen.

Der Kreis Euskirchen hat Satellitentelefone für die Kommunen und Hilfsorganisationen sowie THW und Polizei angeschafft.

Des Weiteren wird der Kreis einen Abrollcontainer Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung ordern. „Der Container gehört zum Kreiskonzept für solche Einsatzszenarien und wird am Kreisbrandschutzzentrum stationiert sein“, erklärt Fehrmann.

Ausgestattet werden soll der mehr als 300.000 Euro teure Container unter anderem mit Schutzausrüstung und speziellen Löschmitteln. Ein entsprechendes Wechselladerfahrzeug soll ebenfalls beschafft werden. Dabei handelt es sich laut Fehrmann um eine Ersatzbeschaffung. Das neue Fahrzeug werde allradbetrieben sein. „Das ist auch eine Erkenntnis aus der Flut“, so der Chef der Gefahrenabwehr.

Zudem ist ein Kran an dem Wechsellader vorgesehen, mit dem beispielsweise ein E-Fahrzeug, das nicht gelöscht werden kann, in einen Container gehoben werden kann, um diesen dann zu fluten. Angeschafft wird außerdem ein neuer Gerätewagen Logistik. Der aktuelle, ein roter Sprinter mit Blaulicht, wie Fehrmann ihn nennt, sei nicht mehr zeitgemäß. „Die Zuladung ist einfach zu wenig“, so der Experte. Auch der Gerätewagen werde mit Allrad ausgestattet sein.