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TierseucheAusbreitung der Blauzungenkrankheit bereitet Bauern im Kreis Euskirchen Sorgen

Lesezeit 6 Minuten
Schafhalter Matthias Förster aus Mechernich-Glehn inmitten seiner Schafherde. Im Hintergrund sind Siloballen zu sehen, die unter einer blauen Plane gelagert werden.

Um seine Tiere besser im Blick zu haben, hat Matthias Förster alle Schafe und Ziegen seiner Herde auf die Weiden an seinem Hof in Glehn geholt.

Die für den Menschen ungefährliche Tierseuche hat auch im Kreis zu den ersten Todesfällen geführt. Schafe sind besonders stark betroffen.

Seit Freitag der vorvergangenen Woche steht fest, dass die Blauzungenkrankheit auch im Kreis Euskirchen angekommen ist: Nachdem bereits in den Wochen davor die ersten Fälle der Tierseuche aus den angrenzenden Kreisen in NRW und Rheinland-Pfalz gemeldet wurden, gab es laut Veterinäramt der Euskirchener Kreisverwaltung am 26. Juli die Bestätigung, dass ein erster Blauzungen-Fall in einem Betrieb in der Gemeinde Dahlem aufgetreten ist.

Die Öffentlichkeit wurde allerdings erst eine Woche später über das Auftreten der für den Menschen ungefährlichen Tierkrankheit informiert. „Intern haben sich unsere Veterinäre seit Bekanntwerden des ersten Falls bereits intensiv mit den niedergelassenen Tierärzten abgestimmt“, sagt dazu Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres: „Es gab dann allerdings am vergangenen Donnerstag die Befürchtung, dass sich nicht alle betroffenen Tierhalter ans Kreis-Veterinäramt wenden, wenn die Seuche in ihren Betrieben auftritt.“ Deswegen sei es erst im Anschluss zu der Mitteilung gekommen, die am Freitag an die Medien gegangen ist.

Aktuell elf bestätigte und 16 Verdachtsfälle im Kreis Euskirchen

Bei der Blauzungenkrankheit handelt es sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche. „Inzwischen ist die Erkrankung bei sechs Schafen, vier Rindern und einem Alpaka aus dem Kreis Euskirchen bestätigt“, informiert Dr. Susanne Mauel vom Veterinäramt in Euskirchen am Montag: „Außerdem gibt es aktuell 16 weitere Verdachtsfälle, bei denen die Ergebnisse der Blutuntersuchung noch ausstehen.“ Einen „Hotspot“, wo vermehrt Fälle aufgetreten seien, gebe es allerdings nicht, so Mauel weiter: „Das Infektionsgeschehen verteilt sich über das gesamte Kreisgebiet.“

Glanrinder, darunter auch zwei Kälber, grasen auf einer Weide im Genfbachtal bei Nettersheim.

Insbesondere Tiere, die auf der Weide gehalten werden, sind gefährdet, von Stechmücken mit dem BTV3-Virus infiziert zu werden, das eine Form der Blauzungenkrankheit bei Rindern, Schafen, Ziegen und anderen Wiederkäuern auslösen kann.

Zwei Schafe aus der Herde von Matthias Förster sind inzwischen an der Blauzungenkrankheit verendet. „Am Sonntag der vergangenen Woche haben wir erste Anzeichen bei einigen Tieren entdeckt, am Dienstag darauf ist das erste Schaf verendet, am Mittwoch dann das zweite“, berichtet der Landwirt aus Glehn im Gespräch mit dieser Redaktion.

Die Panik unter den Tierhaltern ist derzeit sehr groß, entsprechend viel haben wir und die Kollegen daher auch zu tun.
Andrea Steffens, Tierärztin in der Praxis Junker aus Wollenberg

Alle Tiere seiner Herde – neben 40 Schafen hält Förster auf dem Aussiedlerhof der Familie auch 50 Ziegen – wurden bereits vor drei Wochen gegen die Blauzungenkrankheit geimpft: „Aber wahrscheinlich hat sich das mit der Inkubationszeit des Virus' überschnitten.“

Schmerzmittel und Mittel zur Fiebersenkung für die kranken Tiere

Jetzt sorgt sich der junge Landwirt um die Gesundheit seiner restlichen Tiere. „In der Nähe von Bächen, Teichen oder Sümpfen sind die Tiere besonders gefährdet, von den Mücken gestochen zu werden“, so der Landwirt. Um sie besser im Blick zu behalten, hat er inzwischen alle auf die Weiden in unmittelbarer Nähe des Hofes geholt. Die kranken Tiere sind im Stall untergebracht.

Drei Schafe stehen auf einer Einstreu aus Stroh im Stall.

Die erkrankten Schafe hat Förster im Stall untergebracht. Sie bekommen fiebersenkende und schmerzstillende Mittel.

Schmerzmittel und Mittel zur Fiebersenkung – viel mehr könne man bei den erkrankten Tieren nicht tun. „Wenn zusätzlich bakterielle Infektionen auftreten, kann man auch Antibiotika verabreichen“, informiert Tierärztin Andrea Steffens aus der Tierarztpraxis Junker in Wollenberg: „Die Panik unter den Tierhaltern ist derzeit sehr groß, entsprechend viel haben wir und die Kollegen daher auch mit der Blauzungenkrankheit zu tun.“

Impfen ist im Moment die wichtigste Maßnahme, um die Tiere zu schützen. Auch, wenn damit Kosten verbunden sind.
Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen

Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen, appelliert unterdessen an seine Berufskollegen, die gefährdeten Tierbestände impfen zu lassen. „Das ist im Moment die wichtigste Maßnahme, um die Tiere zu schützen. Auch, wenn damit Kosten verbunden sind“, so Dahmen.

Tierhalter aus dem Kreis Euskirchen sind auch emotional betroffen

„Mir geht es in erster Linie gar nicht um den finanziellen Schaden, den die Blauzungenkrankheit in unserem Betrieb verursachen könnte“, sagt hingegen Junglandwirt Matthias Förster: „Die Krankheit stellt für jeden Landwirt auch eine psychische Belastung dar. Einige der Schafe aus meiner Herde habe ich selbst mit der Flasche aufgezogen – man hängt einfach an so einem Tier.“

Die emotionale Belastung kann auch Alexander Junker aus Eiserfey nachvollziehen: „Wir leben mit und von den Tieren. Deshalb wollen wir das Risiko für unsere Tiere minimieren und haben uns jetzt ebenfalls für die Impfung entschieden“, berichtet der Landwirt, der aktuell rund 140 Rinder in seinem Milchviehbetrieb betreut, darunter 40 Mutterkühe. Auf Anraten seines Tierarztes habe er seine Herde aber erst jetzt impfen lassen. „Im Frühsommer gab es einen Lebend-Impfstoff, der teilweise zu Problemen geführt hat“, bestätigt Tierärztin Andrea Steffens: „Jetzt haben wir jedoch einen inaktivierten Impfstoff im Einsatz, der allgemein sehr gut vertragen wird.“

Finanzielle Folgen der Tierseuche für Landwirte noch nicht absehbar

Die finanziellen Folgen für seinen Betrieb kann Junker noch nicht absehen. „Zu den Kosten für den Impfstoff in Höhe von insgesamt rund 16 Euro pro Tier kommen noch die Tierarztkosten hinzu“, sagt der Eiserfeyer, in dessen Betrieb bereits einige Rinder als Verdachtsfälle geführt werden.

Doch selbst, wenn sich die Tiere nach einem milden Verlauf wieder erholen, könne die Blauzungenkrankheit auch dann noch gravierende Folgen haben – neben dem Tierwohl auch finanzielle: Fieber beispielsweise könne die Milchproduktion von Kühen auch langfristig beeinträchtigen. „Und wenn Mutterkühe ihr Kalb verlieren, fehlt die Milchmenge dieser Tiere in der Folge das ganze Jahr.“ Eine Kuh aus seinem Bestand habe bereits mehr als eine Woche zu früh gekalbt. „Ich befürchte, dass da ein Zusammenhang besteht“, so der Landwirt.


Blauzungenkrankheit: Tierseuche ist für Menschen nicht gefährlich

Die Blauzungenkrankheit ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, die bei allen Wiederkäuern wie Rindern, Schafen, Ziegen und Wildwiederkäuern, aber auch bei Kameliden wie den Alpakas auftreten kann. Das Virus ist für Menschen nicht gefährlich. Fleisch und Milch sowie daraus hergestellte Erzeugnisse können daher ohne Bedenken verzehrt werden und unterliegen keinen Handelsbeschränkungen.

Das Blauzungen-Virus vom Typ BTV3 hat sich seit September 2023 von den Niederlanden her über Teile Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens, Bremens und Rheinland-Pfalz ausgebreitet. Es wird nicht von Tier zu Tier übertragen, sondern durch den Stich kleiner, blutsaugender Mücken der Gattung Culicoides, sogenannter Gnitzen.

Die für Gnitzen optimalen Witterungsbedingungen führen laut Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) seit einigen Wochen zu einer „explosionsartigen Ausbreitung von BTV3-Fällen“ in Schaf- und Rinderbeständen mit anhaltend steigenden Fallzahlen in ganz NRW.

Kommission empfiehlt Tierhaltern die Impfung

Klinische Symptome der Seuche, die sieben bis acht Tage nach der Infektion auftreten, werden insbesondere bei Schafen beobachtet. „Es handelt sich hier um hohes Fieber bis 42 Grad Celsius, geschwollene Zunge, Fressunlust, Speicheln sowie Läsionen im Maul und an der Zunge“, berichtet Veterinärin Dr. Susanne Mauel von der Kreisverwaltung Euskirchen.

Bei Schafen komme es häufiger zu schweren Verläufen bis hin zum Tod. „Bei Rindern sind die Krankheitssymptome meist schwächer ausgeprägt“, so Mauel weiter.

Eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit wird von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin empfohlen, da dies laut Mitteilung des Veterinäramts „den einzigen effektiven Schutz vor klinischen Symptomen und Ausbreitung“ biete: „Des Weiteren kann versucht werden, die empfänglichen Tiere durch Anwendung von Insekten abwehrenden Mitteln (Repellentien) vor Angriffen der Gnitzen zu schützen. Diese Mittel bieten aber nach Ansicht von Experten keinen sicheren Schutz.“

Tierhalter und Tierärzte sind aufgefordert, Bestände, in denen BTV- Verdachtsfälle auftreten, bei den zuständigen Veterinärämtern anzuzeigen und Blutproben auf das Virus untersuchen zu lassen, um abzuklären, ob die beobachteten Symptome tatsächlich auf BTV3 zurückzuführen sind oder gegebenenfalls doch eine andere Erkrankung vorliegt. (eb/thw)