Im zweiten Anlauf wurde MdB Lucassen zum Direktkandidaten für den Wahlkreis Euskirchen-Rhein-Erft-Kreis II gewählt.
Wahl '25Rüdiger Lucassen (AfD): Der holprige Weg zur Direktkandidatur im Kreis Euskirchen
Nun also doch: Rüdiger Lucassen tritt bei der Bundestagswahl am 23. Februar als Direktkandidat der AfD im Wahlkreis 91 (Kreis Euskirchen, Brühl, Erftstadt und Wesseling) an. Am Mittwochabend stellten in Bad Münstereifel die anwesenden Parteimitglieder aus dem Wahlkreis den 73-jährigen Bundestagsabgeordneten für den Kampf um die Erststimmen auf – im zweiten Anlauf und nach turbulenten Wochen in der Partei. Zu dieser Versammlung wurden keine Presse-Vertreter zugelassen.
Ob Phönix oder „Markus Lanz“: Lucassen ist bundesweit präsent
Lucassen tritt damit nach 2017 und 2021 zum dritten Mal als Wahlkreiskandidat an. Beide Male gelangte er über die NRW-Landesliste seiner Partei in den Bundestag. Dort ist der Oberst a.D. Verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion und erfreut sich als solcher einer gewissen bundesweiten Medienpräsenz (u.a. „Markus Lanz“, Phönix). In den Wirren der vergangenen Wochen um die Aufstellung des Direktkandidaten schien aber auch das Ende seiner politischen Karriere zwischenzeitlich nicht ausgeschlossen zu sein.
Denn in der ursprünglichen Aufstellungsversammlung, die später beanstandet wurde, hatte Lucassen zunächst eine schmerzhafte Niederlage einstecken müssen.
Alles zum Thema Bundestagswahl
- Nach Belästigungsvorwürfen Grüne wollen im Fall Gelbhaar Strafanzeige stellen
- Rundschau-Debatte des Tages Braucht der Bundestag die kleinen Parteien?
- Ex-Kanzlerin als Ehrengast Merkel folgt Einladung der NRW-CDU und spricht beim Neujahrsempfang
- Grundgesetz-Änderung ohne Mehrheit Wüst kritisiert SPD-Vorschlag zu Übernahme kommunaler Schulden durch den Bund
- Bundestagswahl Stimmzettel fehlen: In den Rathäusern im Kreis Euskirchen droht Akkordarbeit
- Newsblog zur Bundestagswahl „Fridays for Future“ ruft zu Klimastreik auf
- Bundestagswahl Lucassen (AfD) schafft Kandidatur für Euskirchen und Rhein-Erft im zweiten Anlauf
Bundestagsmitglied fühlt sich von seinem Ex-Mitarbeiter hintergangen
Inzwischen haben sich weitere AfD-Mitglieder geäußert. Auch Lucassens Kontrahent Achim Brück hat sich zu Wort gemeldet, und nicht zuletzt Lucassen selbst hat auf Anfragen der Redaktion zu den Vorgängen umfangreich Stellung bezogen. Daraus ergibt sich folgendes Bild der vergangenen Wochen in der Kreis-AfD:
Am 27. November des vergangenen Jahres wurde Lucassen von seinem damaligen Wahlkreisbüroleiter Achim Brück vom Flughafen Köln-Wahn abgeholt. Für den Abend war die Aufstellungsversammlung des Direktkandidaten für den Wahlkreis 91 in Weilerswist vorgesehen. Brück beteuert weiterhin, dass er während dieser Fahrt nicht geahnt habe, dass er wenig später aus der Versammlung heraus von einem Mitglied zum Direktkandidaten vorgeschlagen wurde.
„Ich war völlig überrascht“, sagt Brück. Eine Aussage, die ihm Mitglieder des AfD-Kreisvorstandes nicht abnehmen, auch Lucassen nicht. „Die Auswertung der bürointernen Unterlagen im Wahlkreisbüro zeigten eindeutig, dass Herr Brück seine Kandidatur von längerer Hand vorbereitet hatte“, erklärt der Bundestagsabgeordnete kurz vor der erneuten Aufstellungsversammlung auf Anfrage der Redaktion.
Es stimme auch nicht, dass man sich gemeinsam bereits Gedanken über einen künftigen Wahlkampf Lucassens im Wahlkreis gemacht habe. Das hatte Brück dieser Zeitung erklärt, um zu untermauern, dass er bis zur Versammlung in Weilerswist von einer erneuten Direktkandidatur Lucassens ausgegangen sei.
Achim Brück aus Bad Münstereifel vermutet Tricksereien gegen sich
Er habe Lucassen etwa die Verteilung von Spiel-Hubschraubern an Kinder im Straßenwahlkampf vorgeschlagen, erklärt Brück. „Lukky, der Hubschschrauberpilot“ habe das Werbegeschenk heißen sollen.
Er kenne diesen Vorschlag nicht, erklärt hingegen der Bundestagsabgeordnete: „Ich hätte ihn allerdings auch abgelehnt, weil er nicht meinem Niveau entspricht.“
In der Versammlung im November trat Brück dann tatsächlich gegen Lucassen an – und gewann mit 31:27, wie er sagt. Für Brück ein „völlig normaler Vorgang in einer demokratischen Partei“. Dem widerspricht Lucassen auch nicht: „Herr Brück hat jedoch seine berufliche Stellung als mein Angestellter heimlich zweckentfremdet und sich so aus meiner Sicht unlauterer Mittel bedient.“ Und weiter: „Ich habe in 51 Jahren Berufsleben noch nie erlebt, dass mich ein Mitarbeiter in solchem Maße hintergangen hat.“
Auch Josef Burkart, derzeit zweiter Sprecher des AfD-Kreisvorstandes Euskirchen, hatte in der vergangenen Woche dieser Zeitung erklärt, Brück habe die ihm vom Vorstand übertragene Aufgabe, sich um Interessenten, die einem Antrag auf Aufnahme in die AfD gestellt haben, zu kümmern, ausgenutzt, um sie mit seiner „offenen kommunikativen Art“ auf seine Seite zu ziehen. „Wir waren zu vertrauensselig“, so Burkart.
Brück wiederum hält dem dagegen: „Natürlich habe ich mich um die Mitglieder gekümmert. Das war ja meine Aufgabe.“ Offenkundig hätten sich andere zu wenig um die Mitglieder gekümmert. Wie sonst wäre das Ergebnis von Weilerswist zu erklären?
Lucassen sei schockiert gewesen, nachdem das Abstimmungsergebnis am 27. November bekanntgegeben worden sei, berichten Teilnehmer. „Ja, ich war geschockt“, erklärt der Bundestagsabgeordnete, „weil ich einen derartigen Vertrauensmissbrauch in meinem bisherigen Leben und 51 Berufsjahren noch nicht erlebt habe.“
Bei Wiederholungswahl hatte Brück keine Chance mehr
Zur Wahl der Delegierten aus dem Kreisverband für die Landeswahlkonferenz Anfang Januar, auf der dann die wichtigen Listenplätze für die Bundestagswahl vergeben wurden, sei Lucassen dann an diesem 27. November gar nicht mehr angetreten, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Womöglich, weil er selbst auch zu diesem Zeitpunkt mit seiner politischen Karriere im Bund abgeschlossen hatte?
Das vermutet zumindest Brück. Dazu müsse man wissen, wie wichtig die Delegierten für das Prozedere solcher Listenaufstellungsversammlungen seien – parteiübergreifend, wie Brück betont. Aspiranten auf einen guten Listenplatz, die sich beispielsweise lange kennen oder sich gewogen sind, helfen sich gegenseitig, nach dem Motto: Wählen „deine“ Delegierten aus deinem Wahlkreis mich, wählen „meine“ dich.
Auch hier widerspricht Lucassen: „Solche Gepflogenheiten sind mir persönlich nicht bekannt. Die AfD ist auch in dem Selbstverständnis gegründet worden, genau solche ,Gepflogenheiten' der Altparteien nicht zu kopieren.“ Zu den Delegiertenwahlen auf Kreisebene bezieht Lucassen öffentlich keine Stellung – mit Verweis auf das Wahlgeheimnis.
Mit Listenplatz 5 wird Lucassen sehr sicher im Bundestag bleiben
In Weilerswist wurde Brück nicht nur zum Direktkandidaten gewählt, sondern auch zu einem Delegierten für Marl. Doch bis Marl sollten die Gewählten nicht kommen – zumindest nicht als Delegierte des Kreisverbandes Euskirchen. „Am Ende saß ich dort auf dem Affenfelsen“, so Brück. So würden im Politikjargon die Reihen genannt, in denen die Gäste säßen, die also keinen Delegiertenstatus und kein Stimmrecht haben. Theoretisch könne man auch von dort aus um einen Listenplatz antreten, das aber sei relativ aussichtslos.
Wie kam es dazu? Nach der Versammlung in Weilerswist hatte ein Mitglied Protest eingelegt. Die Adresse auf der Einladung zur Versammlung im Gebäudekomplex der Erft-Swist-Halle sei nicht eindeutig gewesen, so dass er die Versammlung nicht gefunden habe, begründete der Mann sein Vorgehen. Nun hätte aber auch seine Stimme das Abstimmungsergebnis nur unmaßgeblich verändern können: dann halt in 31:28 für Brück.
Seinen Job bei Lucassen hat Brück schon im November verloren
Daher hätten seine parteiinternen Gegner nachgelegt, behauptet Brück. Nun habe dieses Mitglied „vermutlich“ (Brück) erklärt, dass es selbst gerne für die Direktkandidatur ins Rennen gegangen wäre, was ihm aber aufgrund der ungenauen Adresse auf der Einladung verwehrt geblieben sei. Eine Begründung, die Brück für äußerst zweifelhaft hält: „Wenn man doch für die Direktkandidatur antreten möchte, überlässt man doch nichts dem Zufall. Dann weiß man vorher, wo die Versammlung genau stattfindet. Und wenn man sie trotzdem nicht findet, ruft man an dem Abend zum Beispiel beim Kreisvorsitzenden an.“
Wie Brück dieser Zeitung mitteilte, hatte dieses Mitglied jedenfalls an diesem Mittwoch bei der erneuten Aufstellungsversammlung kein Interesse mehr an einer Direktkandidatur gehabt: „Selbst, nachdem ich ihn als Direktkandidaten vorgeschlagen habe, stand er nicht zur Verfügung.“
Schon bei der Delegiertenwahl für Marl war Brück raus
Das bestärke ihn in der Ansicht, dass sein Sieg in Weilerswist mächtigen Kreisen in der Partei nicht gefallen habe und ein Ausweg aus der für sie misslichen Lage gesucht worden sei, so Brück: „Ich war der kleine Boxer, der den sicher geglaubten Sieg des Champions zerstört hat.“
Aber Brück hatte bereits am 19. Dezember eine Niederlage einstecken müssen. Der große Gewinner von Weilerswist wurde zum großen Verlierer von Bad Münstereifel. Dort fand nämlich die erneute Wahl der Delegierten für Marl statt, nachdem die Anfechtung der Versammlung in Weilerswist von Bezirks- und Landespartei bestätigt worden war. Und hier kam Brück nicht mehr unter die elf Delegierten, Lucassen hingegen auf Platz eins.
Rüdiger Lucassens Karriere schien fast beendet – aber nur fast
Inzwischen hätten die Mitglieder erkannt, dass Brück sie getäuscht habe, heißt es aus dem Kreisvorstand. Brück berichtet hingegen von Whatsapp-Nachrichten noch während des Wahlvorgangs, in denen den Mitgliedern eine Wahlempfehlung gegeben worden sei.
Wie dem auch sei, Lucassen und die anderen Delegierten fuhren also nach Marl, wo Lucassen auf Platz fünf der Landesliste gewählt wurde und somit ziemlich sicher auch im kommenden Bundestag seinen Platz haben wird. Eine Aussicht, die für kurze Zeit in weite Ferne gerückt schien.
Seit Mittwoch dieser ist er nun auch Direktkandidat der AfD im Wahlkreis 91. Zuvor hatte diese Versammlung Brück, der sich bis dahin noch als offiziell gewählter Direktkandidat sehen konnte, als solchen wieder abgewählt. Seinen Job in Lucassens Wahlkreisbüro hatte er bereits am 27. November in Weilerswist verloren.
Brück sieht den AfD-Kreisverband Euskirchen derzeit in zwei Lager gespalten: in ein „Lager Lucassen“ und in ein „Lager Brück“. Dieser Einschätzung will sich Lucassen nicht anschließen: „Ich bin seit über sieben Jahren als Bundestagsabgeordneter für meinen Kreisverband Euskirchen aktiv“, erklärt der 73-Jährige: „Ich unterhalte seit dieser Zeit ein Wahlkreisbüro und bis zum Bruch des Vertrauensverhältnisses durch Herrn Brück war unser Kreisverband durch Harmonie und gute Zusammenarbeit geprägt.“ Ein „Team Lucassen“ gebe es nicht. Ob es innerhalb des Kreisverbands ein „Team Brück“ gebe, könne er nicht beurteilen.
Und auf die Frage, wie er Brück als Person einschätze, antwortete Lucassen: „Dazu möchte ich keine Angaben machen.“