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Treffen im HandwebmuseumRupperather Spinnkreis hält ein altes Handwerk lebendig

Lesezeit 7 Minuten
Die drei Frauen sitzen nebeneinander. Doris Schmitten bedient ein Spinnrad, ihre Mitstreiterinnen halten Fäden in den Händen.

Doris Schmitten (v.l.), Teresa Fuinhas und Karin Pfennig sind regelmäßig im Spinnkreis aktiv.

Die Frauen, die sich in Bad Münstereifel-Rupperath zum Spinnen treffen, geben ihr Wissen gerne weiter. Der Kreis hat 20 Mitglieder.

Es läuft wie am Schnürchen. Mit großer Leichtigkeit bewegt Barbara May ihre Füße auf den hölzernen Trittbrettern auf und ab und sorgt für die richtige Drehung des Schwungrads. Durch ihre Hände führt sie geschickt Fasermaterial zu Spinnflügel und Spindel, den zentralen Elementen eines Spinnrads. Wie von Zauberhand wird durch das Zusammenspiel von Rad, Flügel und Spule aus losen Wollfasern Garn gesponnen.

„Hier liegt die Kunst des Spinnens“, erklärt May während ihrer routinierten Tätigkeit: „Die Dicke des Fadens definiert sich über die freigegebene Menge Fasermaterial und die Geschwindigkeit des Schwungrads. Beides muss gleichmäßig miteinander wirken, um einen Faden mit einheitlicher Festigkeit zu erhalten.“

Ehrenamtliche erhalten das Handwebmuseum Rupperath

May, 71 Jahre alt, weiß, wovon sie spricht. Sie gehört zu den Ehrenamtlichen, die für Betrieb und Erhalt des Handwebmuseums in Rupperath sorgen. Diesmal sitzt sie als Initiatorin eines Spinnkreises inmitten einer Gruppe von Frauen, die eines teilen: die Leidenschaft fürs Spinnen.

„Anfang der 1990er-Jahre bin ich mit meiner Familie nach Ahrbrück gezogen“, erzählt May, die als Botanikerin schon immer ein Faible für Färbepflanzen hatte. „Damals bin ich auf Rupperath als Handweberdorf aufmerksam geworden“, erinnert sie sich an die ersten Verbindungen zu dem Eifelort: „2009 bin ich eher durch einen Zufall in den Museumsbetrieb eingestiegen.“ Eine ihrer Aktionen war ein Spinnkurs, dessen Ende die Teilnehmer mit Wehmut entgegengesehen hatten. Kurzerhand wurde 2011 der Spinnkreis gegründet, in dem sich eine fester Kreis von 20 Frauen einmal im Monat trifft.

Claudia Heuser arbeitet an einem Spinnrad.

Als Schnitttechnikerin und Damenschneidermeisterin schätzt Claudia Heuser den gesamten Prozess von der Wolle bis zum fertigen Endprodukt.

Eine Nahaufnahme zeigt die Arbeit mit Wollfasern, Spinnflügel und Spindel.

Mit der Hand werden die Wollfasern in Form eines Dreiecks gezupft und über den Spinnflügel auf die Spindel gesponnen.

Svenja Bach ist seit dem Spinnkurs mit von der Partie. „Ich habe Barbara bei einem Museumsfest in der Römervilla in Ahrweiler kennengelernt“, berichtet die 42-Jährige aus Dernau, die aufgrund ihres Alters als Nesthäkchen in der Runde gilt: „Den Spinnkurs habe ich besucht, um als Gästeführerin der Römervilla Kindern zu vermitteln, wie aus einem Schaf ein Pullover wird.“ Aus ihrer Wolle, die sie spinnt und zwirnt, stellt Bach anschließend auf ihrem Webrahmen Schals und Decken her. „Mein Upgrade in Sachen Weben ist schon bestellt“, freut sich Bach, die für das Museum die Website und den Social-Media-Auftritt betreut, auf ihren eigenen Webstuhl.

Teresa Fuinhas ist ein wandelndes Lexikon in Sachen Spinnerei

Ein Webstuhl spielt auch bei Bettina Cremer aus Zülpich eine entscheidende Rolle. „Vor etlichen Jahren habe ich für den Aufbau und die Funktionsweise jemanden gesucht, der mir weiterhelfen kann“, so die 63-Jährige: „So entstand der Kontakt zum Handwebmuseum.“ Heute bringt sie in Rupperath als ehrenamtliche Helferin den Besuchern das Spinnen und Weben näher.

Ursprünglich war ich am Nähen interessiert. Das Spinnrad war also eigentlich nur ein Anhängsel.
Teresa Fuinhas

Auch Teresa Fuinhas ist eine der guten Seelen des Museums. Als „Spindelfrau“ gilt die Stotzheimerin als Expertin in Sachen Handspindeln. „Ursprünglich war ich am Nähen interessiert“, so die 56-Jährige, die über eine Bekannte eine Nähmaschine und ein Spinnrad angeboten bekam: „Das Spinnrad war also eigentlich nur ein Anhängsel.“ Die gebürtige Portugiesin hatte da gerade in Deutschland Fuß gefasst, als sie mit ihrer Familie bei einer Wanderung das Museum entdeckte: „Dort habe ich die ganzen Spinnräder gesehen, was mein Interesse geweckt hat.“

Der Spinnkreis sei für sie viel mehr als nur ein Handwerkstreffen, sagt sie: „Hier habe ich Deutsch gelernt, mehr über die hiesige Kultur erfahren und in der neuen Heimat Anschluss gefunden.“ Mittlerweile ist Fuinhas ein wandelndes Lexikon in Sachen Spinnerei. „Von meiner Cousine habe ich die Handspindel meiner Uroma bekommen“, erläutert Fuinhas einen weiteren Aspekt, das Thema zur Wissenschaft zu machen: „Ich habe angefangen, mich für die verschiedenen Arten und Techniken von Spindeln, die sich weltweit unterscheiden, zu interessieren.“

Youtube und Social Media sind für den Austausch über das Handwerk wichtig

Youtube und Social Media sind neben ihren Reisen ständige Begleiter. „Der Austausch untereinander ist so wertvoll“, findet Fuinhas, die experimentierfreudig an die Wollherstellung herangeht: „Früher wussten die Menschen genau, welche Fasern für die Verarbeitung und Nutzung geeignet waren, welche Mischung sinnvoll war und welche Pflanzen für die Färbung genutzt werden konnten.“ Gerade hat sie die Wolle eines Samojeden geschenkt bekommen. „Die Hundehaare werde ich für eine bessere Verarbeitbarkeit mit anderen Fasern mischen“, so Fuinhas.

Von den eigenen Tieren erhalten Doris Schmitten und Marietheres Görgen ihre Wolle. „Für meine Schafe habe ich vier Alpakas als Herdenschutztiere angeschafft“, erläutert Görgen, während sie die Wolle ihres weißen Alpakas zur Vorbereitung zupft. Auch sie ist über das Weben und letztendlich über die Anschaffung der Tiere zum Spinnen gekommen. „Nicht jede Wolle eignet sich für die Garnverarbeitung“, weiß die 60-Jährige: „Im Spinnkreis bereichern wir uns gegenseitig mit unserem Wissen und man findet auf alle Fragen eine Antwort.“

Das graue Fell der Pommernschafe wird zu Garn gesponnen

Heute steht die Honeratherin im Austausch mit Doris Schmitten zum Thema Blauzungenkrankheit, deren Ausbreitung den Tierhaltern Sorge bereitet. Zur Herde von Schmitten gehören neben Angoraziege und Shetlandschaf auch rauwollige Pommernschafe, deren graues Fell sie heute zu Garn spinnt. „Wolle ist für mich einer der besten Rohstoffe“, befindet die 60-Jährige, die die Haarpracht ihrer Tiere auch bei der Gartenarbeit zum Einsatz bringt. „Mich faszinieren der Kreislauf des Prozesses und die Nachhaltigkeit, langlebige Produkte mit den eigenen Händen zu schaffen.“ Als „back to the roots“ – zurück zu den Wurzeln – erlebt die Insulerin ihre Fertigkeiten, bei denen sie selbst die Gewalt über die Dinge hat.

Ich vermute, dass es sich hierbei um Flachsstroh handelt, das durch sehr feine Verarbeitung glänzende Effekte ermöglicht.
Barbara May

Als Schnitttechnikerin und Damenschneidermeisterin setzt Claudia Heuser auf regionale Wolle, die sie für die spätere Herstellung von Taschen und Modeaccessoires zunächst zu Garn spinnt. „Mich fasziniert die Spinnerei aufgrund meines Berufes, den gesamten Prozess bis hin zum fertig genähten, gestrickten oder gehäkelten Produkt zu durchlaufen“, schwärmt die 58-Jährige, die über die Aktion „Zu Gast in der eigenen Heimat“ ihren Weg zum Rupperather Spinnkreis gefunden hat: „Mir ist es auch ein Anliegen, die Wertigkeit von Textilien zu veranschaulichen.“ Daher ist sie mit ihrem Spinnrad auch auf Märkten anzutreffen.

Wertigkeit spielt in der gesamten Runde eine große Rolle, aber auch die Veredelung, aus einem Bausch von Haaren feine, manchmal sogar glänzende Garne zu spinnen. Nicht nur tierische Fasern kommen zum Einsatz. Auch pflanzliche Rohstoffe wie Baumwolle, Hanf oder Brennnessel finden Verwendung in der Spinnerei. Und da ist ja noch das Märchen der Gebrüder Grimm von Rumpelstilzchen, in dem die schöne Müllerstochter Stroh zu Gold spinnen soll. „Ich vermute, dass es sich hierbei um Flachsstroh handelt, das durch sehr feine Verarbeitung glänzende Effekte ermöglicht“, erklärt May den durchaus wahren Kern.

Im Gegensatz zur Müllerstochter, die ohne die Hilfe des kleinen Männchens sehr verzweifelt in der Kammer saß, macht sich im Museum eine meditative Stimmung breit. Jede Frau scheint in ihrem Tun in sich zu ruhen, die Fasern in der Hand, die Füße wippend auf den Trittbrettern der Spinnräder oder die Handspindel wie einen Kreisel in Schwung versetzend.

Dass die Frauen im Spinnkreis wie eine umfangreiche Enzyklopädie rund um die jahrtausendealte Textilgeschichte fungieren, die durch die Exponate im Museum untermauert wird, ist ein großartiger Schatz, den man in Rupperath während der Öffnungszeiten entdecken kann – von April bis Oktober an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr sowie am jeweils darauffolgenden Mittwoch von 14 bis 17 Uhr.


Ein uraltes Handwerk

Das Spinnen ist eine uralte Technik. Handspindeln sind seit dem sechsten Jahrtausend vor Christus bekannt, die ältesten Funde stammen aus Griechenland. Auf die Handspindel, bestehend aus Schaft und Wirtel (Schwungmasse), folgte zur Erzeugung von textilen Fäden das Spinnrad, das erst im zwölften Jahrhundert nach Europa gelangte und damit die Arbeit erheblich erleichterte.

Für Anfänger ist die Handspindel der leichtere Einstieg. Man unterscheidet zwischen Fall- und Standspindel, wobei letztere durch die Unterstützung – die Spindeln werden mit der Spindelspitze am unteren Ende aufgesetzt und gedreht – weniger Gewicht auf das Spinnmaterial ausübt. Dadurch eignet sich die Standspindel besser für kurze oder fragile Fasern.

Bei Spinnrädern gibt es hand- oder fußbetriebene Ausführungen. Die Bewegungen von Händen und Füßen für die richtige und gleichmäßige Geschwindigkeit des Schwungrades im Einklang mit dem Zupfen des Fasermaterials erfordert neben der Übung auch eine gute Koordination.

Beim Verspinnen von Flachsfasern sind einige Besonderheiten zu beachten. Damit die langen Fasern sich nicht unentwirrbar verheddern und verknoten, benutzt man sogenannte Rocken, Rockenstöcke, Wockenstöcke oder Rockenbretter, um den Flachs zu bändigen. Zudem wird Flachs anders als Wolle mit einer Linksdrehung versponnen. Damit Fäden gewebt, gestrickt oder gehäkelt werden können, werden sie nach dem Spinnen gezwirnt. Bei dem Zusammendrehen von zwei oder mehr Fäden kommen ebenfalls Spindel oder Spinnrad zum Einsatz.

Viel Wissenswertes über das Spinnen, Werkzeuge, Material und Techniken findet sich sowohl im Museum in Rupperath als auch auf der Website mit Informationen zu Faserkunde, Wollvorbereitung, Weben und Textilverarbeitung.