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ChemikerDer Leverkusener Herr der Elemente

Lesezeit 3 Minuten

Es gibt Lücken in der Sammlung, aber nicht im Wissen. Hermann Sicius vor seinem privaten Periodensystem

Leverkusen – Wer hat an der Uhr gedreht? Das fragt man sich nach der Begegnung mit Hermann Sicius. Legt der promovierte Chemiker erst mal los, gibt’s kein Halten mehr. Vorausgesetzt, er hat seine Sammlung vor sich auf dem Tisch liegen. Die ist eine nicht erschöpfliche Quelle der Inspiration. Obwohl sie Lücken hat. Das aber ist in diesem Fall ebenso erlaubt wie verständlich.

Die Sammlung ist nämlich das Periodensystem der Elemente. 56 von 118 Elementen hat Sicius jetzt noch in seinem Besitz, von ein paar Stücken hat er sich im Lauf der Jahrzehnte getrennt: zu gefährlich. Arsen zum Beispiel, während das auch nicht so gut beleumdete Cäsium noch dazu gehören darf.

Anfangs auch nicht verstanden

Wer angesichts der sauber aufgereihten Glaszylinder die Augen verdreht und an blöden Chemie-Unterricht denkt, hat Sicius’ vollstes Verständnis. Dem heute 60-Jährigen ging es ursprünglich auch nicht anders. „Anfangs habe ich das System auch nicht verstanden“, behauptet er. Erst in der Mittelstufe fand er sich in dieses tatsächlich unerschöpfliche Thema ein. Die Reaktionsgleichungen öffneten ihm die Tür ins System.

Kurz danach begann das Jahrzehnt, in dem er seine Sammlung aufbaute. Von 1974 bis 1985 deckte er sich nach und nach ein. Seine Quellen: „erst der Chemie-Baukasten, dann ein Chemikalien-Händler in Düsseldorf.“ Ob man heute noch so leicht an das eine oder andere Element käme, mag Sicius bezweifeln. Damals war es schon mal eine Frage des Preises. 64 Mark habe er mal für ein halbes Gramm Europium bezahlt.

Franzosen haben zwei Namen

Womit man bei den Namen wäre. Dass die Franzosen zwei Elemente benennen durften – nämlich Francium und Gallium – die Deutschen aber nur eins, das Germanium: nicht so ganz fair. Wo doch hierzulande mit so viel Hingabe geforscht wird. Aber: Der hiesige Forschungs-Hotspot ist mit Darmstadtium vertreten. Ds, Element Nummer 110, Atomgewicht 269, radioaktiv.

Allein über so etwas kann sich Sicius mit Hingabe auslassen. Das Schöne dabei: Es ist nie langweilig. Und deshalb ist der Mann gefragt als kundiger Erklärer. Sein Arbeitgeber Lanxess macht sich das zunutze: Das Periodensystem wurde vor 150 Jahren erfunden, eine gute Gelegenheit, in einem Chemiekonzern etwas über die wichtigsten Elemente zu verbreiten. Zwei Dutzend sind das, die bedeutendsten sind Phosphor, Chrom, Brom und natürlich Eisen.

Gefragter Fachbuch-Autor

Phosphor kommt in den Flammschutzmitteln vor, mit denen Lanxess seine Produktpalette vor ein paar Jahren ergänzt hat. Die Förderung von Brom steht in den Startlöchern, bei Chrom lässt Chemiker Sicius an das Kölner Brückengrün denken. Und bei Eisen an zahllose Farbpigmente, die man überall auf der Welt findet, zum Beispiel an einem Hotel in der chilenischen Atacama-Wüste.

Daneben ist der Mann, der vor 30 Jahren nach dem Studium zu Bayer kam, ein sehr gefragter Fachbuch-Autor. 19 schmale Bände sind bereits erschienen, in denen Hermann Sicius nur die Hauptgruppen des Periodensystems beschreibt. Folglich ist es Zeit für einen ganz großen Wurf: Gerade entsteht ein Standardwerk über die Elemente für den Anwender in der Industrie. Geplanter Umfang: 1100 Seiten, „da werde ich mich kurz fassen müssen“, sagt Sicius und lächelt.