Leverkusen – „Das Interesse ist größer geworden“, ist sich Mohamed Adib sicher. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte, wie es mittlerweile heißt, fragen sich, wen sie am 26. September wählen sollen. Anfang September hat eine Podiumsdiskussion in der Mimar Sinan Moschee mit einigen Direktkandidatinnen und -kandidaten stattgefunden. Knapp 50 Leute seien dagewesen, erzählt Adib. Die Themen? Zuerst Corona und Steuerpolitik, dann Klimaschutz und Betriebsrente. Das seien Durchschnittsthemen „wie bei den Biodeutschen“ gewesen, sagt Adib schmunzelnd. Doch natürlich fanden auch Themen wie Rassismus in der Polizei oder der NSU-Komplex ihren Weg auf die Agenda.
Adib, der sich bei der Liste „Unser Leverkusen“ im Integrationsrat der Stadt engagiert, sieht auch bei den Medien eine „gewisse Gleichgültigkeit“, wenn es um die Wahlinteressen von Migranten und Migrantinnen geht. „Es geht hier in Leverkusen immerhin um 10 000 Stimmen, die über die Moscheevereine organisiert sind“, betont er. Dieses Potenzial hat auch CDU-Politikerin Serap Güler mit ihren türkischen Wurzeln nach Adibs Meinung nicht komplett ausschöpft. Sie sei nicht sehr sichtbar in Leverkusen, findet er. „Auch als Staatssekretärin für Integration wäre das eine super Gelegenheit, auf die Verbände zuzugehen“, sagt er. Die CDU-Kandidatin hatte für die Podiumsdiskussion abgesagt, genau wie Nyke Slawik von den Grünen. Karl Lauterbach (SPD), Beate Hane-Knoll (Linke) und Conny Besser (FDP) machten die Debatte unter sich aus. Erst gar nicht eingeladen war unter anderem der Direktkandidat der AfD.
Jüngere gehen eher wählen
Die Jüngeren seien eher bereit, zur Wahl zu gehen. Von den älteren Personen würden viele erst nach Jahrzehnten deutsch, sprich: erhalten mit der Staatsbürgerschaft die Möglichkeit zu wählen, „die Jüngeren wachsen damit auf“, erklärt Mohamed Adib.
Das Thema Corona vor allem in seiner wirtschaftlichen Dimension interessiert viele Migrantinnen und Migranten, hat Adib beobachtet, „weil es viele Selbstständige innerhalb der Migranten gibt“, sagt er. Und die gesundheitliche Komponente? Die Stadt Leverkusen erklärt die hohen Inzidenzen unter anderem auch damit, dass hier viele Menschen mit Migrationsgeschichte leben. Ist die Impfskepsis bei ihnen höher? „Gefühlsmäßig gibt es keine großen Unterschiede“, sagt der 52-Jährige. Ein Problem sieht er in der Tat in den Sommerferien, dass sich viele, noch bevor sie sich haben impfen lassen, in den (Familien-) Urlaub gefahren sind. Grundsätzlich findet er: Die Impfangebote sollten „so komplikationslos“ wie möglich sein. Impfen im Supermarkt, warum nicht.
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Ein weiteres großes Problem ist allerdings, wo die Informationen herkommen: Es seien nicht die „heimischen“ Medien beispielsweise aus der Türkei, die die Leute beeinflussten, sagt Adib. „Ein Gros der Leute holt sich die Informationen aus den sozialen Netzwerken. Und dort ist die Impfskepsis eben groß. Da melden sich viele »Experten« zu Wort und ein Post geht viral. Ich sage immer: Man muss nicht alles glauben, was man liest“, betont der studierte Biologe.Zwei Menschen aus seinem Bekanntenkreis sind kürzlich mit Covid-19 gestorben, sie waren 38 und 48 Jahre alt. „Ich habe noch versucht, sie zu überzeugen, sich impfen zu lassen“, bedauert Adib, der sich als „starker Befürworter“ der Impfung sieht. Er kritisiert aber im gleichen Atemzug die Diskussion in den Medien, die er als teils „einseitig“ empfindet und den politischen Druck, der auf der Ständigen Impfkommission lastet. „Die Leute fragen sich: Ist die Stiko jetzt eingeknickt oder sieht sie das wirklich so?“
Die Liste „Unser Leverkusen“, für die Mohamed Adib angetreten ist und die bei der letzten Wahl zum Integrationsrat knapp 30 Prozent der Stimmen erhalten hat, war ursprünglich eher türkisch geprägt, in den vergangenen Jahren habe man versucht, sich breiter aufzustellen und auch albanische und marokkanische Gemeinden mit reinzunehmen.
Thema Sprachdebatte
Beim Thema Sprachdebatte, wie man denn Menschen wie ihn benennt, betont er: „Ich sage immer: »Ich bin Deutscher« oder »Ich bin ein Deutscher Moslem.«“Ob man jetzt „mit internationaler Familiengeschichte“ oder „mit Migrationshintergrund“ sagt, kümmert ihn nicht groß. „Ich bin hier geboren, meine Söhne sind hier geboren: Wann hört das denn auf mit der Migrationsgeschichte?“