Wie komme ich zum Impfzentrum?Alle Senioren kamen zu ihrem Termin
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Rhein-Sieg-Kreis – Einen Tag nach der Eröffnung des Impfzentrums des Kreises hat Landrat Sebastian Schuster eine verhalten positive Bilanz des Geschehens in der Sankt Augustiner Asklepios Klinik gezogen. „Es ist ja immer die Frage, ob man die Flasche als halb voll ansieht oder als halb leer“, sagte Schuster am Dienstag bei der Corona-Pressekonferenz des Kreises. „Für mich als Landrat war die Flasche am Montag halb voll.“
Positiv sei vor allem gewesen, so Schuster, dass alle 424 Seniorinnen und Senioren, die für Montag einen Impftermin vereinbart hatten, auch zur Impfung erschienen seien. Außer ihnen hätten sechs begleitende Angehörige, die ebenfalls über 80 Jahre alte sind, geimpft werden können, weil eine kleine Menge Impfstoff übriggebleiben sei. Keine Probleme hat es nach Angaben von Ingo Freier, dem Leiter des Amtes für Bevölkerungsschutz, mit Personen gegeben, die ohne Impftermin nach Sankt Augustin gekommen waren oder einen Impftermin vereinbart hatten, obwohl sie jünger als 80 Jahre sind. „Solche Fälle gab es bei uns nicht“, sagte Freier.
Viel Zuspruch, aber auch einiges an Kritik
Von den impfwilligen Senioren hat es, wie der Landrat schilderte, viel Zuspruch für die Abläufe im Impfzentrum gegeben – allerdings auch zahlreiche kritische Stimmen. Im Mittelpunkt der Kritik standen neben Problemen bei der Parkplatzsuche vor allem längere Wartezeiten. „Diese Kritik nehmen wir uns zu Herzen und arbeiten daran, die Probleme abzustellen“, versprach Schuster. Längere Wartezeiten habe es unter anderem gegeben, weil eine Mitarbeiterin des Impfzentrums bei der Aufbereitung des Impfstoff einen Fehler gemacht habe. „Das hat uns 45 Minuten gekostet, die wir bis zum Abend nur schwer aufholen konnten.“ Die Folge, so der Landrat, seien längere Warteschlangen im kalten Winterwetter gewesen. Viele Senioren seien auch mit fehlerhaft ausgefüllten Formularen gekommen, was offenbar auf mangelhafte Beratung bei der telefonischen Terminvergabe zurückzuführen sei. Auch das habe die Wartezeiten verlängert, ebenso Probleme beim Fieber-Scan.
Beim Infektionsgeschehen im Kreis zeichnet sich nach Angaben des Landrats weiter eine leichte Entspannung ab. Am Dienstagnachmittag gab es kreisweit 1513 Personen in häuslicher Quarantäne, darunter 430 nachgewiesenermaßen Infizierte. Bei der kürzlich gestarteten flächendeckenden Typisierung aller positiven Virus-Abstriche sei bislang in 31 Fällen die britische Virus-Mutation nachgewiesen worden. In vier Fällen andere Varianten, bei denen es sich nicht offiziell um Mutationen handele.
Im Kreishaus wird der Einsatz der Bundeswehr-Angehörigen bei der Kontaktverfolgung langsam zückgefahren. Soldatinnen und Soldaten werden nun verstärkt bei der Testung von Altenheim-Besuchern eingesetzt.
Rheinbach
Die Stadt Rheinbach will ihre älteren Mitbürger tatkräftig dabei unterstützen, ihre Impftermine auf der anderen Rheinseite pünktlich wahrzunehmen. Ende der Wochen wird deshalb ein „Impftelefon“ gestartet. Es ist unter der Nummer (0 22 26) 917 444 von Montag bis Donnerstag jeweils von 10 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr zu erreichen sowie jeden Freitag von 10 bis 12 Uhr. Das entschied der Stadtrat einstimmig in seiner jüngsten Sitzung.
„Wir schaffen damit ein Unterstützungsangebot für die Bürger, die mit der Vereinbarung eines Impftermins in Sankt Augustin nicht zurechtkommen und die keine Möglichkeit haben, aus eigener Kraft oder mit der Hilfe von Angehörigen, Freunden und Nachbarn dorthin zu gelangen“, erläuterte Bürgermeister Ludger Banken (parteilos). So sollen beispielsweise die Kosten für Fahrten mit einem Rheinbacher Taxiunternehmen zu den Terminen in Sankt Augustin bei allen Rheinbacher Senioren übernommen werden, die sich diese Ausgaben nicht selber leisten und keine andere Hilfe in Anspruch nehmen können. Banken lobte ausdrücklich das ehrenamtliche Engagement zahlreicher Bürger und Organisationen. „Insbesondere auch in den Ortschaften gibt es eine beeindruckende Solidarität und Hilfsbereitschaft durch viele Unterstützungsangebote.“
Genau aus diesem Grund bezweifelte vor allem die CDU, dass es überhaupt eine nennenswerte Nachfrage nach diesem Angebot gebe. Fraktionschef Joachim Schneider plädierte dafür, stattdessen die örtlichen Hilfsorganisationen mit dem Thema zu betrauen. Abgesehen davon stelle sich die Frage, ob die Stadt überhaupt hierfür zuständig sei, das Impfen sei Sache der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Kreises. Nicht zuletzt handle es sich um eine freiwillige Leistung, die die Stadt im Nothaushalt eigentlich gar nicht übernehmen dürfte, denn die Verwaltung rechnet mit Ausgaben von rund 41 500 Euro.
Bei dem auf zunächst drei Monate angelegten Projekt fielen Kosten für die Übernahme der Taxifahrten in Höhe von 30 000 Euro an. Außerdem koste der geplante Einsatz von studentischen Hilfskräften für den Telefondienst weitere 11 500 Euro. Trotz aller Bedenken wolle sich die CDU der Sache aber nicht verschließen.
Schneiders Fraktionskollege Kurt Brozio ergänzte als Ortsvorsteher von Oberdrees, in seinem Ortsteil gebe es 86 Personen über 80 Jahren, von denen er 84 persönlich kenne, „und die sind alle versorgt oder sogar noch vollkommen selbstständig“. Es gebe also absolut keinen Bedarf für ein solches Angebot in Oberdrees.
Die gleiche Erfahrung hatte Dr. Reinhard Ganten (UWG) als Ortsvorsteher von Todenfeld gemacht: „Ich kenne alle 22 Senioren über 80 persönlich, und keiner von denen hat damit ein Problem.“ Doch das sei nicht typisch für die Gesamtsituation in Rheinbach, denn insbesondere in der Innenstadt sei die Nachbarschaftshilfe bei Weitem nicht so ausgeprägt wie in den Dörfern. Jana Rentzsch (FDP) sah das Angebot insgesamt als positives Signal an die Bürger, dass sich die Stadt in einer schwierigen Situation um sie kümmere. Sie konnte sich vorstellen, dass man zur Finanzierung auch die Bürgerstiftung mit einbeziehe. Banken betonte, mit dem Angebot wolle man auf keinen Fall das ehrenamtliche Engagement konterkarieren, „ich kann den Bedarf aber derzeit nicht einschätzen“.
Nach seinen Erfahrungen aus Gesprächen in den vergangenen Jahren gehe er aber davon aus, dass es durchaus eine Nachfrage gebe. Das unterstützen auch Martina Koch (SPD) und Heribert Schiebener (Grüne).
Meckenheim
Für viele der Über-80-Jährigen ist es eine Herausforderung, zum Impfzentrum nach Sankt Augustin zu kommen. Hilfe für diejenigen, die keine Unterstützung im Verwandten- und Bekanntenkreis finden, soll nun über die Stadt Meckenheim vermittelt werden. Demografiebeauftragte Bettina Hihn, erreichbar unter Tel.: (0 22 25) 917 144, oder per E-Mail bettina.hihn@meckenheim.de, fungiert als Ansprechpartnerin.
Um diese Transporte anbieten zu können, sucht die Stadt Meckenheim ehrenamtliche Helfer.
Bornheim
Die Stadtverwaltung hat zum Thema „Corona-Schutzimpfung“ ein Info-Telefon unter (0 22 22) 945 798 eingerichtet. Senioren, die bei der Anmeldung Unterstützung brauchen, erhalten diese auch von Ehrenamtlichen der kirchlichen Gemeinden aus Bornheim und Alfter. Ansprechpartnerinnen sind Arianita Mölder, E-Mail: moelder@baruv.de, Tel.: (0 22 22) 95 11 67, Elke Friedrich (elke.friedrich@pg-alfter.de), Tel.: (0170) 10 28 024, und Katharina Schäfer (info.zeitschenker@web.de), Tel.: (0163) 97 17 452. In Ausnahmefällen könne auch ein Fahrdienst zum Impfzentrum organisiert werden, so die Stadt.
Kritik der SPD
„Die Kommunen werden mit den Problemen alleine gelassen. Sie haben keine Möglichkeit, die Situation um die Impfzentren, die Terminvergabe und die Impfstofflieferung selbst zu beeinflussen, sind aber die Ansprechpartner für die Bürger vor Ort“, betonten gestern die sechs SPD-Fraktionsvorsitzenden in den linksrheinischen Stadt- und Gemeinderäten. „Wir erwarten von Ministerpräsident Laschet, Gesundheitsminister Laumann und Landrat Schuster, dass sie vor Ort Lösungen schaffen, den Menschen in NRW ein zeitnahes Impfangebot auf kurzen Wegen zu machen“, erklärten Joachim Euler (Swisttal), Martina Koch (Rheinbach), Stefan Pohl (Meckenheim), Thomas Klaus (Alfter), Andreas Wollmann (Wachtberg) und Wilfried Hanft (Bornheim). Sie hatten Ende Dezember ein Schreiben an Armin Laschet (CDU) geschickt und monieren, dass er sich mit der Antwort einen Monat Zeit gelassen und auch nur lapidar und „emphatielos“ auf die Zuständigkeit des NRW-Gesundheitsministerium verwiesen habe.