In die Rolle reingerutschtFreiwillige koordinieren in Odendorf Hilfe und Helfer
Swisttal – Was die Freiwilligen am Infozelt in Odendorf in den vergangenen Wochen geleistet haben, das sprengt jeden Rahmen eines Vollzeitjobs. Im Schnitt berichtet Kai Imsande von zehn Stunden Arbeit täglich, sieben Tage die Woche, die rund 15 Helfer bei der Koordination und Organisation im Swisttaler Ort mitanpacken. 150 Stunden Helfen – täglich. Imsande ist in seine Rolle reingerutscht, genauso wie Armando da Rocha, der täglich an der Essensausgabe auf dem Zehnthof die Teller füllt, deswegen nennen die Odendorfer das die Suppenküche nur noch liebevoll „Café Armando“. Auch Dr. Arletta Kösling aus der Orbachstraße gehört zum Team und kämpft dabei für ihren Ort.
Seit 2017 ist die Juristin Vorsitzende des Ortsausschusses Odendorf. Das rund 240 Jahre alte Fachwerkhaus an der Orbachstraße, in dem sie mit ihrem Mann lebt, ist stark von der Flut betroffen. „Tatsächlich war ich selbst nur zweimal kurz im Haus, den Rest hat mein Mann mit Helfern gemacht – ich war in der Zeit hier“, berichtet sie. Dabei klingelte ihr Handy bereits in der Flutnacht ununterbrochen. „Meine Tochter war ziemlich angefressen, dass ich die ganze Zeit am Telefon hing“, erinnert sie sich.
Den Neffen zum Mitschreiben bestellt
Als Vorsitzende des Ortsausschusses sei sie mal von Odendorfern gewählt worden, also fühlte sie sich in der Pflicht, etwas zu tun. „Hier kamen Leute mit Baggern an. Andere sagten, sie müssten den Müll wegbringen – irgendwer musste organisieren. Ab dem dritten Tag habe mir meinen Neffen aus Köln herbestellt. Ich benötigte jemanden, der mit einem Zettel und einem Stift neben mit herläuft und alles aufschreibt“, sagt sie. Unzählige Anfragen kommen auch fünf Wochen nach der Flut am Infozelt in Odendorf an.
Hilfegesuche wie Angebote. Einige landen auf dem Schwarzen Brett, auf dem alles gesammelt wird, andere werden direkt weitergeleitet und erledigt. Eigentlich arbeitet sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bis zum Tag vor der Katastrophe betreute sie die Zulassung für Coronatests. Organisieren ist eine ihrer Stärken, sie sagt, sie interessiere sich auch für Entscheidungsprozesse, deswegen bringt sie sich ein. Dafür verzichtet sie aktuell auf viel, auch auf ihre Leidenschaft, die Musik, die sie für die Aufgabe in Odendorf auf Eis gelegt hat.
Die Grundlagen für die Organisation in Odendorf holte sie sich bei Stefan Mayer, der in Heimerzheim bereits am Abend des Freitag, 16. Juli, eine Hilfe vor Ort organisierte. Als klar war, wann die Evakuierung aufgehoben wird, hat sie mit ihm mehr als eine Stunde telefoniert und sich anschließend die Erfahrungen zunutze gemacht. „Der Kontakt innerhalb von Swisttal ist deutlich enger geworden“, betont sie.
Fragen und Anregungen
Für die Bürgergespräche mit der Gemeinde in Odendorf und Heimerzheim, die am 18. August beginnen, können Fragen und Anregungen zum Thema „Wiederaufbau gemeinsam gestalten“ per E-Mail mitgeteilt werden.
Ein ökumenischer Gottesdienst findet am Mittwoch, 25. August, um 19 Uhr e in der katholischen Kirche St. Petrus und Paulus in Odendorf statt. Das Thema ist „Flutkatastrophe: Trauern-Klagen-Stärken“. Eine Anmeldung ist erforderlich. Per Email, Ruf (0 22 55) 4418.
Der Heimat- und Verschönerungsverein Buschhoven unterstützt vom Hochwasser Betroffene. „Der Vorstand des HVV spendet aus der Vereinskasse 500 Euro in den gemeindlichen Fonds“, so der Vorsitzende Dr. Georg Schneider. „Der Vorstand hat gleichzeitig die Mitglieder aufgerufen, sich mit weiteren privaten Spenden auf das Spendenkonto der Gemeinde anzuschließen, und so aktive Solidarität mit den Flutopfern zu zeigen.“ (EB)
Dazu hat auch Kai Imsande seinen Teil beigetragen. Eigentlich arbeitet er als Vertriebsleiter einer Marketingagentur. Er ist in Odendorf aufgewachsen, deswegen kam er gleich in seinen Heimatort, nachdem die Evakuierung aufgehoben wurde. „Erst war ich in der Odinstraße, dort haben wir mit Freunden einen Keller leer gepumpt. Erst als ich über den Zehnthofplatz zum Orbach gegangen bin, dämmerte mir, was hier los. Das Ausmaß der Zerstörung war unfassbar“, erinnert er sich.
Anschließend ging er auf der Suche nach Hilfe bei „Kleinigkeiten“ zum Infozelt, laut Imsande konnte ihm dort jedoch am ersten Tag noch niemand helfen. Am nächsten Tag sei er wieder hin, und am dritten Tag auch, mehrfach wurde er vertröstet. Da habe er sich einfach ein paar Helfer geschnappt und in die Odinstraße mitgenommen, so ist er in die Rolle des Helferchefs gerutscht.
„Hier standen Baggerfahrer und viele andere, die helfen wollten, aber es lief einfach nicht gut – also habe ich mitangepackt. Von da an hab ich eigentlich nur noch organisiert und selbst kaum geholfen“, erklärt er. Rückblickend erkennt er, was das Problem war: „In so einer Situation musst du auch einfach mal klare Ansagen machen – das geht ja auch freundlich – aber nur so funktioniert es.“ Alle Helfer, die ankamen, erhielten direkt eine Aufgabe. Deswegen seien vermutlich viele immer wieder gekommen, freut er sich.
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Wie es für ihn weitergeht, weiß er noch nicht: „Nach den Ferien muss ich wieder arbeiten“, sagt Imsande: „Wir werden die Arbeit hier stark einschränken müssen. Natürlich werde ich das Organisationsteam weiter begleiten.“ Für ihn sei es das schlimmste Gefühl, „alles in eine Art luftleeren Raum zu übergeben.“ Die Verwaltung hat bereits zwei hauptamtliche Mitarbeiter neu eingestellt, die sich in den kommenden Monaten um die Organisation in Odendorf und auch in Heimerzheim kümmern sollen.