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FlutkatastropheWalberberger helfen ihrem Postboten

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Magdalena Krumbach (l.) und Monika Fröhlich (r.) haben Astrid und Alfred Mähler die Spende überreicht.

Bornheim/Kreis Ahrweiler – „Wir hatten Todesangst“, sagt Alfred Mähler (58). Seine Stimme zittert, wenn er an den 14. Juli denkt. Wie jeden Tag hatte der Postbote seiner Frau am Nachmittag eine kurze SMS gesendet, bevor er sich nach der Arbeit ins Auto setzte und nach Hause fuhr. Dieses Zuhause gibt es jetzt nach der Flutkatastrophe nicht mehr. Die Ahr hat es mitgerissen. Erinnerungen an ihr bisheriges Leben sind zerstört. Dabei hatten sich Alfred Mähler und seine Frau mit dem Umzug aus Bornheim auf die Campinganlage „Stahlhütte“ in Dorsel im Kreis Ahrweiler einen Lebenstraum erfüllt.

Die Bornheimer hatten sich ein Grundstück und ein Mobilheim gekauft, hatten selbst eine Terrasse gebaut und einen kleinen Garten liebevoll um ihr Heim herum gestaltet. „Wir wollten dort alt werden“, sagt der 58-Jährige. Alfred Mähler ist in Walberberg bestens bekannt. Viele Dorfbewohner waren richtig traurig, als Mähler ihnen im Sommer 2020 von seiner Versetzung nach Adenau berichtet hatte. Fast zwei Jahrzehnte, von 2002 bis 2020, hatte er in Walberberg die Post ausgetragen – stets freundlich, immer pünktlich und zuverlässig.

Was vom Zuhause übrig blieb: Die Flutwelle hat das mobile Heim der Eheleute komplett zerstört.

„Die Leute vermissen ihn immer noch, er war und ist sehr beliebt“, sagt Magdalena Krumbach. Das bestätigt auch ihre Nachbarin Monika Fröhlich. Als die beiden von dem Unglück ihres Postboten an der Ahr erfuhren, starteten sie sofort eine Spendenaktion. Vier Nachmittage gingen sie in Walberberg von Tür zu Tür. Auch über Soziale Medien baten sie um Spenden. Spontan hat die Walberbergerin Nicole von Hoffgarten noch ein Spendenkonto eingerichtet. Die Resonanz übertraf dann sämtliche Erwartungen. Bei einem Besuch in Walberg konnten Magdalena Krumbach und Monika Fröhlich ihrem ehemaligen Postboten und seiner Frau nun 11.070 Euro überreichen. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, war Alfred Mähler tief bewegt. „Wir sind platt“, ergänzt seine Frau. Das habe keiner von ihnen für möglich gehalten.

Dass so viele Menschen ihnen helfen, das tue unsagbar gut. Doch nicht nur Geld hatten die Walberberger für ihren Lieblingsbriefträger gespendet. Viele hatten kleine Geschenke und persönliche Briefe bei Krumbachs abgegeben. „Hier haben auch viele Leute, die ich gar nicht kannte, geklingelt und Geld und Briefe abgegeben“, berichtet Magdalene Krumbach.

Einen kleinen Schutzengel haben Walberberger für ihren ehemaligen Postboten gebastelt.

Das Geld können Alfred und Astrid Mähler gut gebrauchen „Wir werden uns ein neues Zuhause auf einem anderen Campingplatz aufbauen“, sagt die 55-Jährige.“ Zurück nach Stahlhütte? Nein, das könnten sie nicht. Zu groß sei die Angst, zu tief der Schock und zu furchtbar seien die Erinnerungen.

„Es hatte den ganzen Tag geregnet“, berichtet sie dann von den bisher schrecklichsten Stunden ihres Lebens. Als ihr Mann mit etwas Verspätung gegen 16 Uhr zu Hause ankam, hätte das Wasser teils schon etwa 15 Zentimeter hoch auf den Straßen gestanden. Freunde hatten sie angerufen. Sie hatten einen Stellplatz weiter unten auf dem Campingplatz – näher an der Ahr. „Wir sind noch dorthin gegangen und haben geguckt, ob alles in Ordnung ist“, erinnert sich Astrid Mähler.

Einige Gegenstände, die auf dem Boden bereits im Wasser schwappten, hätten sie vorsorglich hochgestellt. Als sie zurück zu ihrem Mobilhaus kamen, habe das Wasser auch bei ihnen schon an den Stufen zur Terrasse gestanden. „Höher wird es wohl nicht steigen“, dachte Astrid Mähler noch. Wenig später nahm sie dann merkwürdige Geräusche unter ihrem Mobilheim wahr. Und im nächsten Moment riefen auch schon die bereits eingetroffenen Feuerwehrleute, sie sollten vom Platz laufen – schnell hoch an den Eingang. „Wir sind dann los“, berichtet Astrid Mähler. Doch das Wasser war schneller. „Ein Strudel riss uns plötzlich unter Wasser.“ Sie weiß nicht mehr, wo sie und ihr Mann sich festgehalten haben und wie sie wieder auf die Beine gekommen waren. „Wir sind dann den Damm hoch“, schildert sie.

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Pitschnass und barfuß waren sie dort erst einmal im Trocknen. Doch das Wasser stieg weiter. Um sie herum tobte jetzt die schlammige Flut von allen Seiten. Hausrat anderer Menschen, Tische, Stühle und Gestrüpp trieb an ihnen vorbei. „Die Geräusche dieses tosenden und schäumenden Wassers waren höllisch laut und die Strömung war extrem stark“, erinnert sich Alfred Mähler.

Der Damm war ihnen nun Rettung und Falle zugleich, denn weg konnten sie dort nicht mehr, während das Wasser stieg und stieg. Verzweifelt riefen sie um Hilfe. Dann endlich habe ihr nasses Handy doch noch eine Verbindung zum Campingplatzbetreiber aufbauen können. Er versprach, zu helfen. „Und bald sahen wir dann einen Traktor kommen“, berichtet Alfred Mähler. Bis auf zehn, zwölf Meter habe er es auch geschafft, zu ihnen zu kommen. „Wir konnten wegen des lauten Wassers aber kein Wort verstehen“, so die Mählers. Irgendwie hätten sie aber doch begriffen, dass sie ihnen ein Seil zuwerfen wollen und sie daran durch dieses tosende Wasser in Sicherheit ziehen wollten.

„Es hat mich sehr große Überwindung gekostet, mir das Seil um den Brustkorb zu schnüren und noch einmal in dieses Wasser zu steigen“, erinnert sich Astrid Mähler. Schon nach dem ersten Schritt sei sie schon wieder unter Wasser gewesen. Das Seil habe sich zu allem Übel auch noch in einem vom Wasser längst überspülten Gestrüpp verheddert. „Ich habe Wasser geschluckt und unter und über Wasser geschrien, das Seil um meinen Brustkorb zog immer heftiger, es schnürte mir fast die Luft ab, ich konnte kaum atmen“, schildert sie die Geschehnisse. „Und ich stand auf dem Damm und konnte meiner Frau nicht helfen“, so Alfred Mähler, das sei schrecklich für ihn gewesen. Helikopter hatten inzwischen damit begonnen, die Menschen, die sich auf die Dächer ihrer Wohnwagen und Mobilheime in Sicherheit geflüchtet hatten, zu retten. Endlich hatte es auch seine Frau geschafft.

Erst zwei Tage später haben sie sich noch einmal ihr ehemaliges Zuhause angesehen. Ein Zuhause ist es jetzt nicht mehr.