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Zwei Jahre nach der FlutWiederaufbau in Odendorf geht in „mikroskopisch kleinen Schritten“ voran

Lesezeit 4 Minuten
Odendorf Orbachstraße
Haus wird zwei Jahre nach der Flut abgerissen. Familie wohnte erst im Wohnwagen, jetzt im Tiny House

Kurz vor dem zweiten Jahrestag der Flutkatastrophe wird das gelbe Haus am Orbach abgerissen.

In der Flutnacht 2021 stand das Wasser des Orbachs in Odendorf so hoch, dass einen Tag später Kinderspielzeug an den Straßenlaternen hing. Es geht voran mit dem Wiederaufbau, wie ein Besuch vor Ort zeigt.

Der Wiederaufbau nach der Jahrhundertflut ist nichts für Ungeduldige. Erst jetzt, wenige Tage, bevor sich die Flutnacht zum zweiten Mal jährt, wird an der Odendorfer Orbachstraße das kleine gelbe Haus der Familie Profittlich-Cramer abgerissen, das so viel Symbolwert hat.

Die dreiköpfige Familie hatte zunächst im einstigen Kuhstall der Eltern, dann monatelang im Wohnwagen gelebt und hat jetzt eines der Tiny Häuser am Ortsrand bezogen. Die Notquartiere wurden aus Spenden der Initiative „Deutschland hilft“ finanziert und werden von den Johannitern betreut. „Die Übergangslösung ist für sie wie ein Stern am Himmel“, weiß Erik Heneka vom Fluthilfeteam der Johanniter vor Ort. Es soll auch an selber Stelle am Orbach ein neues Haus gebaut werden - ein weiterer Silberstreif. „Im Vergleich zum Vorjahr sieht es hier schon ganz anders aus“, sagt Heneka beim Blick über die Orbachstraße.

Und doch fragen gerade von außen immer wieder viele: Warum dauert das denn alles so lange? Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben, wie Erika Heneka und seine Kolleginnen Luisa Mertens, Projektleiterin Hochwasserhilfe, und Natalie Brincks, Fachbereichsleiterin Marketing und Kommunikation im Regionalverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen der Johanniter-Unfall-Hilfe, wissen. Erst war da Corona, vieles blieb liegen. Nach der Flut sah man auch nicht jedem Haus gleich an, wie sehr es zerstört worden war. „Da gab es manche Überraschung“, sagt Heneka, „viele Betroffene mussten ihren Plan A aufgeben und neu denken“.

„Viele schämen sich, dass sie Hilfe brauchen“

Genau da setzt die Hochwasserhilfe an, sie informiert über die staatliche Wiederaufbauhilfe und die Spendengelder, die über die Johanniter noch draufgesattelt werden, damit die Betroffenen „auf null rauskommen“. Aber da sind so viele Stolpersteine, das hat auch Natalie Brincks erfahren, „es gibt zum Beispiel immer noch kein Handwerker. Aber wir kommen mit mikroskopisch kleinen Schritten voran“.

Odendorf Orbachstraße
2 Jahre nach der Flut

Erik Heneka
Luisa Mertens, Projektleiterin Hochwasserhilfe
Natalie Brincks
Fachbereichsleiterin
Marketing und Kommunikation

Das Team der Fluthilfe: Erik Heneka, Luisa Mertens und Natalie Brincks.

In zwei Jahren Arbeit vor Ort haben die Helfer drei Gruppen von Betroffenen ausgemacht. Die einen, die gut organisiert sind, die auch das Geld haben, alles zügig zu regeln. Die anderen, die nicht so viel Zugang zum Wissen um Hilfsgelder und Unterstützungen haben, und bei denen es langsamer vorangeht. Und dann die Menschen, die gar keine Ahnung davon haben, dass sie Anspruch auf Hilfe haben. „Viele schämen sich auch tatsächlich, dass sie Hilfe brauchen“, diese Erfahrung haben alle drei Johanniter gemacht.

Fluthilfe-Projekt verlängert

Die Schamgrenze ist höher als man denkt. „Und wenn jemand nicht mitmacht, können wir nicht helfen“, so Luisa Mertens. Einige Menschen seien auch einfach nur ermattet, an ihren Grenzen angelangt. „Die müssen wir an die Hand nehmen“, beschreibt es Mertens.

Natalie Brincks dazu: „Viele denken und reden sehr rational. Da muss man das Haus abreißen und neu bauen. Manche Leute können das aber einfach nicht.“ In Odendorf gebe es noch mindestens zehn Haushalte, „die sind Tag eins nach der Flut“, wie es Erik Heneka beschreibt.

Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, sei ihrer Erfahrung nach am größten bei alleinstehenden Menschen 50 plus. Heneka: „Wir sind schon öfter durch den Ort gegangen, haben an jeder Tür geklingelt und gesagt, wir sind hier. Es ist eine Sisyphusarbeit“. Aber es müsse jeder selbst entscheiden, ob er sich helfen lassen möchte.

Odendorf Orbachstraße
2 Jahre nach der Flut

Kein Tröpfchen Wasser ist derzeit im Bett des Orbachs.

Weil sie noch so viel Arbeit sehen, ist das Fluthilfe-Projekt, das zunächst eigentlich auf zwei Jahre begrenzt war, verlängert worden. „Wir sind jetzt über die akute Ersthilfe hinweg und stecken mitten im Wiederaufbau“, beschreibt Erik Heneka die aktuelle Lage. Nicht nur das Café soll bestehen bleiben, ihre Kinder- und Jugendarbeit wollen die Johanniter noch ausbauen. Denn die Kinder fielen oft durch die sozialen Netze, „da merken wir hohes Hilfepotenzial“.

Familien genießen Auszeiten

Deutlich werde dies gerade bei Terminen mit dem Spielebus: „Wir hören noch häufig, dass Kinder vom Spielzeug berichten, das weggeschwommen ist, oder dass es den Schulweg nicht mehr gibt.“ Das Erlebte sei noch sehr präsent, konnte oft nicht wirklich verarbeitet werden.

Wie sehr die Familien kleine Auszeiten genießen, sei bei den Tagesausflügen spürbar. „Bei unserem Ausflug zur Sommerrodelbahn nach Kommern hab ich Sätze gehört wie, meine Kinder waren seit der Flut nicht mehr so glücklich'“, freut sich Erik Heneka. Wir kümmern und auch um das seelische Wohl, die Menschen brauchen Ruhephasen, ergänzt Natalie Brincks.

Das gilt offenbar auch für den Jahrestag der Flut. Eine Gedenkfeier wird es nicht geben, die Nachfrage sei nicht da. Luisa Mertens' Eindruck ist, dass „viele einfach ihre Ruhe haben und sich zurückziehen möchten“. Natalie Brincks ergänzt: „Das ist schon ein unglaublich langer Weg. Und wir gehen den gemeinsam.“


Weitere Termine:

19. Juli: Ferienaktion Insekten Entdeckungstour, Swisttal-Dünstekoven

26. Juli, 9. und 23. August: Begegnungscafé für alle Generationen, im Pfarrzentrum Swisttal-Odendorf

1. August: Ferienaktion Summer, Surf and Fun an der Marienschule Euskirchen

20. August: Wanderung zum geheimen Leben der Bäume, Wohllebens Waldakademie Wershoven

26. August: Aktionstag Lebensraum Bach, Naturparkzentrum Gymnicher Mühle, Erftstadt

28. August: Spielebus Iversheim, im Pfarrzentrum Bad Münstereifel/Iversheim

Infos und Anmeldung über das Büro der Johanniter Hochwasserhilfe, Ruf (02241) 89 53 86 60, E-Mail: hochwasserhilfe.bonn@johanniter.de