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Demos gegen RechtsMeckenheim und Swisttal zeigen Haltung

Lesezeit 7 Minuten
Der gut gefüllte Meckenheimer Rathausvorplatz auf der Vogelperspektive.

Ein imposantes Bild bot sich aus der Vogelperspektive vom Rathausplatz in Meckenheim.

Insgesamt rund 3000 Menschen protestierten am Wochenende in Meckenheim und Swisttal friedlich gegen Rechts.

Als er die vielen Menschen sah, die sich am Samstag vor dem Rathaus gefunden hatten und dort gemeinsam friedlich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie demonstrierten, war Meckenheims Bürgermeister Holger Jung überwältigt und stolz: „Vielen Dank, dass Sie alle unserem parteiübergreifenden Aufruf gefolgt sind, und wir heute gemeinsam Flagge zeigen.“ Ähnlich begeistert war auch die Swisttaler Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner am Samstagmittag von der Menge der Menschen auf dem Gottfried-Velten-Platz.

Holger Jung freute er sich darüber, dass Bürger aller Altersklassen unterwegs waren: „Die Demokraten in Meckenheim sind eine laute und aktive Mehrheit mit vielen Gesichtern, Jung und Alt, und einer klaren Haltung.“ Nach Schätzung der Ordnungshüter waren es 2500 Teilnehmer, die unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ für Haltung und Demokratie einstanden, selbstgefertigte Plakate in die Höhe hielten und skandierten: „Menschenrechte statt rechte Menschen“ und „Meine Zukunft soll bunt sein“.

„Unser Kreuz hat keinen Haken“

In der Menschenmenge hatten sich die Mitglieder des Meckenheimer Vereins „Wir für Inklusion“ versammelt, um mit ihrem Plakat darauf aufmerksam machten, dass Inklusion Zugehörigkeit bedeutet. „Wir stehen für eine offene Gesellschaft und wollen die kulturelle Vielfalt in Meckenheim erlebbar machen“, sagten Katja Kroeger und Horst Luge vom Vorstand. Zahlreich erschienen waren die Christen der evangelischen Kirchengemeinde mit bunten Schildern: „Unser Kreuz hat keinen Haken.“

Für die Familie von Julia und Georg Hanisch aus Altendorf war es die erste gemeinsame Demonstration mit zwei kleinen Kindern: „Wir waren noch nie demonstrieren, aber jetzt ist die Zeit gekommen, um Stellung zu beziehen.“ Die Meckenheimerin Maike Prehn stand für Vielfalt und Demokratie, ihre 14-jährige Tochter Sarah sagte: „Ich möchte mich nicht diskriminieren lassen, nur weil ich jemand anderen liebe, als die AfD für richtig hält.“ Die junge Bonnerin Pia dazu: „AfD geht nach Hause.“ Diplom-Biologin Silvia Johna, die in Meckenheim Ferienfreizeiten organisiert und bei der Stadtranderholung einem bunten Team vorsteht, stellte fest: „Wir sind alle ein Teil der Erde. Es ist völlig egal, wo wir herkommen.“ Beim täglichen Miteinander sei es maßgebend anzuerkennen, dass jeder anders sei: „Es ist nicht wichtig, wie jemand aussieht.“

Als Meckenheims Bürgermeister Holger Jung ans Rednerpult trat, jubelte die Menge, als er sagte: „Wir stehen heute alle hier um ein Zeichen zu setzen: ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, gegen Hass und Hetze und insbesondere gegen geschichtsvergessene und schauderhafte Vertreibungspläne rechter Netzwerke.“ Die sogenannte „Alternative für Deutschland“ sei keine und dürfe niemals eine solche werden: „Ihr habt in Meckenheim nichts verloren“, stellte der Erste Bürger fest. Mit ihrer „verachtenden Haltung gegenüber Andersdenkenden, anders aussehenden und anders glaubenden Menschen“ unterwandere die AfD die staatliche Grundordnung „und alles, was unser Land, unsere Stadt und eine moderne Gesellschaft ausmacht“. Das dürften die Bürger nicht zulassen: „Wehret den Anfängen.“

Gleichzeitig rief Jung zu Wachsamkeit und Teilnahme an Wahlen auf. Das Grundgesetz und die staatlichen Institutionen müssten geschützt werden, da Rechte und Freiheiten vom Bundestag mit entsprechenden Mehrheiten geändert werden könnten. Für Wahlen als Bürgerpflicht plädierten ebenso die Schülerinnen der Jahrgangsstufe 11 des Konrad-Adenauer-Gymnasiums. Jedes einzelne Kreuz auf den Stimmzetteln zähle, sagte Shirin Agha-Baglooie, „so wie jeder von Ihnen auf diesem Platz“. Meinungsbildung und Partizipation seien die Grundsteine der Demokratie, so Schülerin Rebecca Bauer. Darum müsse jeder eine Entscheidung treffen, die über die Kreuze auf dem Stimmzettel, die für Parteien und Kandidaten gesetzt werden, hinausgehe: „Die politische Ausrichtung unseres Landes darf uns nicht egal sein, denn auch dessen Zukunft ist keineswegs egal.“

Handwerk ist auf Zuzug angewiesen

Johanne Wollowski forderte auf, nicht wegzusehen, wenn die Demokratie auf dem Spiel stehe und gemeinsam ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Selbstbewusst stellte sich jeder Gymnasiast hinter die demokratischen Werte der Bundesrepublik: „Ich bin stolz, meine Stimme für den Erhalt dieser Werte zu erheben, ich bin stolz, als eine von Ihnen für die Prinzipien unserer Demokratie einzustehen.“ Tischlermeister Thomas Radermacher sprach für die lokale Unternehmerschaft und machte mit seinem geschulten Blick für den Ausbildungsmarkt auf den hohen Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund aufmerksam. So hätten die Betriebe in Deutschland bereits im Jahr 2022 rund 45 000 ausländische Auszubildende aus 168 verschiedenen Staaten ausgebildet: „Ein Drittel der Arbeitskräfte hat in Deutschland schon heute Migrationshintergrund.“ Ohne Migranten hätten die Menschen im Handwerk „keine Chance“, ihrem Auftrag nachzukommen. Darüber hinaus sei es eine Tatsache, dass bis 2029 voraussichtlich acht bis zwölf Millionen Menschen fehlen würden, um „in unserem Land die täglichen Arbeiten zu erfüllen“.

Angesichts dieser Tatsachen und der bereits bestehenden Vielfalt der Gesellschaft, in der jeder auf den anderen angewiesen sei, sei es „unerträglich“, dass der Begriff „Deportation“ im deutschen Sprachgebrauch noch einmal Bedeutung erlange: „Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Judenhass zeugen für mich von unfassbarer Dummheit.“ Der Kommunalpolitiker Martin Leupold (CDU) sprach als Vorsitzender des Stadt-Sport-Verbandes für die vielen Sporttreibenden, die sich auch am Tag der Demonstration in der Menge befanden. Sie seien „gewaltige Pfeiler der Demokratie“. Sport vermittele nicht nur einen adäquaten Umgang mit Sieg und Niederlage und habe die Aufgabe, die Menschen gesund zu erhalten, über ihn würden auch Menschen integriert. Leupold forderte die Menschen dazu auf, ihre Nachbarn an die Hand zu nehmen und sich zu versprechen: „Nie wieder ist jetzt!“.

Unter dieser Überschrift steht die Kampagne der NRW-Landesregierung, die mit einem ausgefeilten Plan ein deutliches Signal gegen Hass, Hetze und Antisemitismus setzen möchte. Stefan Pohl sprach als Vereinsvorsitzender von „Meckenheim hilft“, der Hilfstransporte in die Ukraine organisiert. Der Ehrenamtler forderte zu verhindern, dass sich Geschichte wiederhole. Moderator Frieder Groß bat jeden, das Gehörte weiterzutragen.

500 Jecke jäjen Räächs in Swisttal

„Gegen Brandstifter helfen Brandmauern“, darin waren sich rund 500 Demonstranten unf die Organisatoren der Kundgebung „Jecke jäjen Räächs – Swisttal so bunt wie der Karneval“ am Samstag absolut einig. Der Gottfried-Velten-Platz war dicht mit zum Teil kostümierten Bürger gefüllt, die laut applaudierten, als Mitorganisator Tobias Leuning erklärte: „Es ist Zeit, dass die Mitte der Gesellschaft rechtsextremen Umtrieben entgegentritt und Farbe bekennt für Vielfalt und Demokratie.“

Gegen Rechts Demo in Heimerzheim

Der Gottfried-Velten-Platz in Heimerzheim war gut gefüllt.

Innerhalb von eineinhalb Wochen hatte das Swisttaler Bündnis gegen Rechts aus SPD, Grünen, CDU und der AWO in Swisttal die Demo organisiert, eine kleine Bühne improvisiert und für Musik gesorgt. Der Odendorfer Klaus Jansen zupfte „Mad World“ von Tears for Fears auf der Gitarre und sang dazu, später spielt die ganze „Band jäjen räächs“, bevor Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner zum Mikro griff. Sie habe „noch vor einiger Zeit nicht gedacht, dass wir uns hier zu Karneval zur Demo treffen, aber es ist jetzt die Zeit aufzustehen und Haltung zu zeigen“. Es gelte, das Grundgesetz als Fundament der Gesellschaft zu verteidigen, zu schützen und dafür einzustehen und sich zu entscheiden, „ob wir eine offene Bürgergesellschaft sein möchten“.

Das bekannt gewordene Geheimtreffen von Potsdam „hat alle wachgerüttelt“, so Kalkbrenner, die appellierte, „auch im Umfeld klare Kante zu zeigen“. Sie war begeistert von dem Bild, das sich ihr von der Bühne bot: „Hier sieht man, wie bunt Swisttal ist!“ Applaus gab es dafür auch von Rudolf Krümmel aus Buschhoven. Der Senior wünscht sich, „dass auch andere Völker Europas wach werden“. Sein Vater, Jahrgang 1916, habe den Krieg miterlebt und immer gewarnt, ,wehret den Anfängen'. Genau das wolle er jetzt als Demonstrant tun.

Demo Jecke jäjen Räächs in Heimerzheim 200 Holzherzen wurden verteilt

200 Herzen hatte der Mieler Ortsvorsteher Hans Arthur Müller extra für die Demo ausgesägt.

Aus Schleiden und dem Kreis Euskirchen waren Bürger gekommen, um Haltung zu zeigen, die ganz großen Demos wie in Köln oder Bonn seien ihnen zu groß, sagten sie. Auch für die ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Ilka von Boeselager und ihren Mann Antonius war es ein Muss, hier teilzunehmen: „Es ist gut, dass es dieses Signal gibt“, so die Freifrau, „es ist für die Jugend und unsere Zukunft entscheidend“.

Die richtigen Worte fand auch Claudia Müller-Bück, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel. Vor genau 30 Jahren habe sie, die aus Remscheid stammt, nach dem Brandanschlag von Solingen mit fünf Toten gegen Rechts demonstriert. Die Rheinische Landessynode sage deutlich, dass die Ziele der AfD nicht mit den Werten der Landeskirche vereinbar seien. Sie nannte als Beispiele die Haltung der Partei zu Themen wie Inklusion und Migration. „Die Brandstifter sind da“, so Müller-Bück, „und es ist gesellschaftsfähig geworden, durch die Blume rechtsextreme Meinungen zu äußern. Das dürfe und könne nicht sein.