Regierungspräsident Thomas Wilk will in der neuen Naturschutzverordnung für das Siebengebirge Schutz und Nutzung neu austarieren. VVS-Chef Hans Peter Lindlar plädiert für Ranger wie im Nationalpark.
Kontrolle von VerbotenRanger für das Naturschutzgebiet Siebengebirge gefordert
Die neue Naturschutzverordnung für das Siebengebirge, die 2025 in Kraft treten soll, enthält nach Angaben von Hans Peter Lindlar 54 Verbote auf 19 Seiten. Nur: „Verbote ohne Kontrollen sind sinnlos“, sagte der Vorsitzende des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge (VVS) am Freitag auf Schloss Drachenburg. Man brauche im Naturschutzgebiet Ranger wie in den Nationalparks, und nicht die Kommunen, sondern das Land NRW müsse das leisten, sagte Lindlar an die Adresse des Kölner Regierungspräsidenten Thomas Wilk.
Der hatte auf den Tag genau 100 Jahre nach Inkrafttreten der ersten Naturschutzgebietsverordnung – sie wurde am 20. Januar 1923 im damaligen Kölner Amtsblatt veröffentlicht – Vertreter der Region zu einem Empfang in die Kunsthalle der Drachenburg eingeladen.
Seit der Römerzeit gab es mehr als 40 Steinbrüche im Siebengebirge.
Der RP sprach von einem spannenden Thema, erinnerte daran, dass es im Siebengebirge seit der Römerzeit mehr als 40 Steinbrüche gegeben habe. Dass viele große Bauwerke – darunter das Bonner Münster oder der Kölner Dom – mit Material aus dem Siebengebirge errichtet wurden, dass es dann aber gelungen sei, die industrielle Nutzung des Siebengebirges einzustellen.
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In den 100 Jahren sei das Naturschutzgebiet von 4200 auf heute rund 4800 Hektar Fläche gewachsen. Derzeit werde die aktuelle Schutzgebietsverordnung überarbeitet und den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Während der Corona-Pandemie habe es einige Konflikte zwischen Nutzung und Naturschutz gegeben, das müsse noch einmal neu austariert werden, kündigte der RP an.
Hans-Werner Frohn, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Naturschutzgeschichte, gab einen historischen Abriss über die Entwicklung der Schutzbemühungen für das Siebengebirge, die im 19. Jahrhundert durch Polizeiverordnungen, vor allem aber durch den Einsatz der Menschen in der Region umgesetzt wurde. Ab 1870 auch vom Verschönerungsverein für das Siebengebirge.
„Ohne bürgerschaftliches Engagement kein Naturschutz“, lautete Frohns Fazit, der das Naturschutzgebiet Siebengebirge als „Hotspot der Biodiversität“ bezeichnete. Aufgrund der langen Tradition sei es zudem das „faktisch älteste Naturschutzgebiet“ Deutschlands, auch wenn die Naturschutzverordnungen für das Neandertal und für die Lüneburger Heide schon 1921 beziehungsweise 1922 in Kraft getreten sind.
VVS-Chef Hans Peter Lindlar kam von der Historie schnell auf die heutige Zeit zu sprechen und damit zur derzeit laufenden Überarbeitung der Schutzgebietsverordnung mit ihren 54 Verboten. Der VVS plädiere dafür, das Rodeln auf der Wiese an der Löwenburg nicht zu untersagen. Und zum Ernten der Streuobstwiesen müsse das Verlassen der Wege erlaubt sein. Die Öffentlichkeit wird laut Bezirksregierung 2024 an der neuen Verordnung beteiligt.
BUND Rhein-Sieg zog kritische Bilanz nach 100 Jahren Naturschutz
Lindlar erinnerte auch an die Pläne für einen Nationalpark, die 2009 durch einen Bürgerentscheid in Bad Honnef geplatzt waren. Einigen Gegnern des Projekts in der Bürgerschaft warf er Populismus vor. Hätte man damals nicht nur die Bad Honnefer Bürger, sondern auch die Königswinterer gefragt, wäre die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen, so Lindlar.
Unter den Gästen des Empfangs war auch BUND-Sprecher Achim Baumgartner, der am Tag zuvor eine kritische Bilanz zu 100 Jahre Naturschutzgebiet gezogen und zusätzliche Schutzvorgaben gefordert hatte.