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EuropawahlViele Bornheimer geben ihre Stimme per Briefwahl ab

Lesezeit 8 Minuten
Christian Pieck ist der stellvertretende Leiter des Wahlbüros in Bornheim.

Christian Pieck ist der stellvertretende Leiter des Wahlbüros in Bornheim.

Im Wahlbüro im Bornheimer Rathaus ist an diesem Vormittag nicht viel los. Im Hintergrund arbeitet das Wahlhelferteam rund um Christian Pieck.

„Heute ist es eher ruhig, gestern war mehr los hier im Wahlbüro“, erklärt Christian Pieck, stellvertretender Leiter des Bornheimer Wahlbüros. In der Tat ist es an diesem Vormittag recht ruhig auf den Gängen des Rathauses. Nach und nach kommen Bornheimer - die meisten mit einem gelben Wahlbenachrichtigungszettel ausgestattet - in das Büro. Einer von ihnen ist der 35-jährige Sebastian. Er hat gerade seine Wahlunterlagen für die Briefwahl angefordert: „Für mich ist es ganz wichtig, dass ich nicht mein ‚typisches‘ Kreuz mache, sondern mir zu Hause in Ruhe die Menschen anschaue, die dahinter stecken.“

Bei seinen Eltern habe er den Wahlvorgang als starr erlebt, er wolle sich Zeit nehmen für seine Entscheidung und dabei nicht nur die Parteien und deren Programme unter die Lupe nehmen, sondern auch die Politiker. Die EU hat für ihn eine wichtige Bedeutung: „Ich kriege den Vorteil mit von der Gemeinschaft in Europa, wenn ich reise: gleiche Währung, keine Grenzen. Länder profitieren von der EU und es ist wichtig, dass sie in der globalisierten Welt stark bleibt“, sagt Sebastian.

Verschiedene Gründe für die Briefwahl

Pfeile weisen den Weg zum Wahlbüro im Bornheimer Rathaus.

Pfeile weisen den Weg zum Wahlbüro im Bornheimer Rathaus.

Auch eine 66-jährige Bornheimerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen möchte, ist an diesem Vormittag im Rathaus. „Am Sonntag bin ich im Urlaub“, führt sie als Grund für ihre Briefwahl an. Sie hat direkt vor Ort ihre Unterlagen ausgefüllt und abgegeben. „Der Ablauf ist genial“, sagt sie. „Ich bin von Jugend an ein ganz großer Fan der EU, weil ich erlebt habe, wie Länder zusammenwachsen. Dann habe ich Englisch in der Schule bekommen und konnte mich im Ausland unterhalten“, erzählt die Bornheimerin.

Ihr Gefühl sei damals gewesen, dass sich mit der EU etwas öffne, und die Menschen zusammenrückten. „Es war immer die Haltung meiner Eltern, dass man wählen gehen soll. Wenn ich andere Länder sehe und was die Menschen dort auf sich nehmen, um wählen zu dürfen, dann merke ich, was für ein großes Glück das ist. Ich empfinde wirklich Dankbarkeit.“ Jeder einzelne sei ihres Erachtens gefordert, jede Stimme zähle.

Ganz spontan hat sich eine Bornheimerin mittleren Alfters, die ebenfalls anonym bleiben möchte, auf den Weg ins Wahlbüro gemacht. Sie sei schon in der Gegend gewesen und wolle nun ihre Briefwahlunterlagen abholen. „Ich habe zwei Töchter, für die Wählen noch recht neu ist. Eine von ihnen darf nun zum ersten Mal ihre Stimme abgeben.“ Sie wolle ihren Kindern die Unterlagen und Stimmzettel in Ruhe zeigen. Aber sie sehe auch andere Vorteile darin, sich mehr Zeit dafür zu nehmen: „Mich interessiert es einfach. Meist kennt man nur das obere Drittel des Wahlzettels.“ Die Bürgerin sehe es als Luxus, wählen zu dürfen. „Ich habe hier nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten“, ist sie überzeugt.

Prozedere im Wahlbüro

Im Wahlbüro im Bornheimer Rathaus sind zahlreiche Briefwahlunterlagen bereits angekommen.

Im Wahlbüro im Bornheimer Rathaus sind zahlreiche Briefwahlunterlagen bereits angekommen.

„In den meisten Fällen kommen die Bürger mit der Wahlbenachrichtigungskarte hier hin, einer kleinen gelben Karte“, erläutert Christian Pieck den Vorgang im Wahlbüro. Ein Personalausweis reiche aber auch aus. „Sie können hier vor Ort ihre Briefwahlunterlagen beantragen, mitnehmen oder eben auch schon ausfüllen - wir haben zwei Kabinen aufgebaut - und sie direkt hier lassen.“ Der Besuch des Wahlbüros habe auch den Vorteil, dass die Bürger Fragen stellen könnten, sollten sie sich bei der Beantragung der Unterlagen oder anderem unsicher sein. Mitarbeiter stünden ihnen zur Seite und erklärten das Vorgehen.

Pieck ist als stellvertretender Leiter eher in einer Position im Hintergrund: „Es ist auch notwendig, das Ganze auf mehrere Köpfe aufzuteilen.“ Seine Aufgaben seien weit gefasst und gingen von der Organisation der Wahllokale über deren Ausstattung bis zur Rekrutierung des Personals. „Schulungen für die Wahlhelfer müssen vorbereitet werden, wir haben zwölf oder 13 Schulungen gehalten. Ein großes Thema ist auch die Datensicherheit. Da sind viele Regularien, die eingehalten werden müssen und um die wir uns kümmern“, erklärt Pieck. Er steige aber auch ins Alltagsgeschäft ein und kümmere sich um die Bürger, die zum Beispiel vor Ort wählen wollen. Gerade die Briefwahl bedeute viel Arbeit für ihn und sein elfköpfiges Team: „Wir tüten die Briefe auch mit ein und verschicken das Ganze.“

Normalerweise ist er im Ordnungsamt im allgemeinen Ordnungswesen tätig, für die Wahl ist er nun für drei Monate abgeordnet. Es ist nicht das erste Mal, dass er bei so einem Verfahren dabei ist. „Ich hatte mich für die Landtagswahl vor zwei Jahren freiwillig gemeldet, weil ich Interesse hatte, ein bisschen hinter die Kulissen zu schauen. Und das ist natürlich auch eine wichtige Aufgabe.“

Circa 350 Wahlhelfer sind in Bornheim

Knapp 350 Wahlhelfer sind am Sonntag in Bornheim im Einsatz. „Wir haben genügend, es ist aber relativ knapp. Jetzt sind wir soweit voll besetzt, aber wir wären auf jeden Fall froh, wenn wir noch ein paar in der Rückhand hätten“, so Pieck: „Es ist eine sehr gute Sache, dass man sich als Wahlhelfer beteiligen kann, da man wirklich ganz nah dabei ist.“ Zudem könnten die Helfer viel über das politische System lernen und ein besseres Verständnis dafür entwickeln. „Ich finde, wenn man in einer Demokratie leben möchte, dann muss man sich auch daran beteiligen.“

Für die Wahl gibt es im Bornheimer Rathaus drei Räumlichkeiten: Zum einen das Wahlbüro, in dem die Kabinen sind, die Wahlurne steht und Helfer die Bürger dabei unterstützen, ihre Anträge auszufüllen oder Fragen beantworten. Die Leiter des Wahlbüros sitzen in einem anderen Raum, sortieren Briefe, telefonieren mit Wählern und organisieren im Hintergrund. Schließlich dient der Ratsaal als weiterer Ort: Hier stehen die Wagen für die Materialien für die Wahlvorstände schon bereit. „Am Sonntag werden die Unterlagen hier zwischengelagert und die Niederschriften geprüft“, sagt Pieck.

Ausblick auf den Wahlsonntag

Ein Muster-Wahlzettel hängt vor dem Wahlbüro in Bornheim aus.

Ein Muster-Wahlzettel hängt vor dem Wahlbüro in Bornheim aus.

„Stand jetzt rechnen wir mit einer Wahlbeteiligung, die ähnlich ist, wie auch vor fünf Jahren“, erläutert der stellvertretende Leiter des Wahlbüros. Die Menge an Personen, die sich für die Briefwahl entscheidet, sei auffällig: „Wir sind jetzt bei knapp 11.200 Anträgen, das ist auch ungefähr das, was wir geschätzt haben, zwischen 11.000 und 12.000. Das läuft dann voraussichtlich auf einen Anteil der Briefwahl von knapp 50 Prozent, wenn nicht sogar ein bisschen darüber hinaus.“ Das sei seit der Corona-Pandemie deutlich mehr geworden. „Ich glaube, viele haben es in dem Zusammenhang das erste Mal gemacht und da vielleicht auch Gefallen daran gefunden“, so Pieck.


Zahlen zur Wahl in Rhein-Sieg

Alfter: 18.287 Personen sind laut Gemeinde für die Europawahl wahlberechtigt. Davon haben bis dato 5230 Personen die Briefwahl beantragt. Das entspricht 28,6 Prozent. Bei der vergangenen Europawahl 2019 haben 21,24 Prozent der Wähler per Brief ihre Stimme abgegeben. „Die Tendenz kann man grundsätzlich als steigend beurteilen: es beantragen immer mehr Personen Briefwahl“, erläutert Sabine Zilger, Fachbereichsleiterin Allgemeine Serviceleistungen, Organisation und Technik der Gemeinde Alfter.

Meckenheim: Dem Wahlamt in Meckenheim zufolge gibt es dort insgesamt 18.653 Wahlberechtigte. Es wurden bisher 4641 Wahlscheine ausgestellt, davon 2501 Anträge online. Das Briefwahlaufkommen ist laut Stadt im Verhältnis zu den Wahlberechtigten annähernd so hoch wie bei der Landtagswahl 2022. „Entscheidend für den Anteil der Briefwahl ist aber die Wahlbeteiligung an sich. Diese spiegelt natürlich erst wider, in welchem Verhältnis die Wahlberechtigten an der Urne oder eben per Briefwahl gewählt haben“, so Marion Lübbehüsen, Pressesprecherin der Stadt Meckenheim.

Rheinbach: 21.181 Personen sind in Rheinbach wahlberechtigt. Bislang haben 6030 davon die Briefwahl beantragt. Bei der Europawahl 2019 gab es laut Stadt 4090 Briefwähler, bei der Europawahl 2014 waren es 3758. „Es sind also deutlich mehr Briefwähler bei dieser Wahl zu verzeichnen“, teilte die Stadt Rheinbach auf Nachfrage mit.

Swisttal: In Swisttal gibt es nach Angaben der Gemeinde circa 14.720 Wahlberechtigte. Bisher sind rund 3800 Briefwahlanträge eingegangen, das sind laut Gemeinde circa 1250 mehr als bei der Europawahl 2019.

Wachtberg: In der Gemeinde Wachtberg sind Pressesprecherin Margrit Märtens zufolge 15.866 Bürger stimmberechtigt. Davon sind bereits 4568 Briefwahlanträge bei der Gemeinde eingegangen, 2019 bei der Europawahl waren es circa 3210 Briefwahlanträge. Es zeichne sich demnach auch in Wachtberg ab, dass mehr Menschen von der Briefwahl Gebrauch machen.

Rhein-Sieg-Kreis: Am Wahlabend können laut Kreis ab 18 Uhr die Ergebnisse der verschiedenen Kommunen, aber auch der einzelnen Wahlbezirke, abgerufen werden. Sobald ein Wahlbezirk ausgezählt ist und das Ergebnis aus dem Wahlvorstand an die Gemeinde weitergegeben wurde, soll es über die Homepage des Kreises einsehbar sein: www.rhein-sieg-kreis.de/europawahl2024.

Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es, so der Kreis, 397 Wahllokale (Urnenwahlbezirke) und 186 Briefwahlbezirke. Diese werden von den 19 Städten und Gemeinden gebildet. In diesem Jahr sind erstmals alle Jugendlichen ab 16 Jahren dazu eingeladen, ihre Stimme abzugeben. Damit entscheiden aus dem Rhein-Sieg-Kreis von den über 465.000 Wahlberechtigten etwa 10.200 Menschen unter 18 Jahren mit. Die Wahllokale öffnen am Wahltag um 8 Uhr und schließen um 18 Uhr.


Meckenheimer Schule setzt Zeichen für Demokratie

Im Rahmen der bundesweiten Aktion „IchStehAuf“ setzen die Schülerinnen und Schüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in Meckenheim am Donnerstag, 6. Juni, mit einem Flashmob auf dem Schulhof ein Zeichen für Demokratie und Vielfalt. Diese Aktion soll den Höhepunkt einer „Woche der Demokratie“ am Gymnasium bilden, in der Schülerinnen und Schüler an der Juniorwahl teilnehmen, Ausstellungen und Plakat-Aktionen gestalten und mit Bürgermeister Holger Jung sowie Jonathan Grunwald, Mitglied des Landtags, ins Gespräch kommen können. Los geht es um 10.30 Uhr.