Bonn – Am Dienstag könnte über den Baubeginn des neuen „Bundesbüdchens“ an der Heussallee beim UN-Gebäude entschieden werden. Dann treten Mitglieder des Fördervereins, Vertreter der Stadt und des Architektenbüros zusammen, um den Bau zu besprechen. „Hoffentlich zum letzten Mal“, erklärte der ehemalige Betreiber Jürgen Rausch bei einer Führung durch den ehemaligen, provisorischen und zukünftigen Standort des Kiosks.
Die Führung fand auf Einladung von „Stattreisen“ statt. Bis 1999 wurde die Bundesrepublik vom heutigen Platz der Vereinten Nationen regiert. Dort befanden sich bekanntlich Bundestag und Bundesrat. Wenn Politiker und Journalisten ein Pause einlegten, taten sie das bei Jürgen Rauschs Kiosk unweit des Bundestages. Das sogenannte „Bundesbüdchen“ steht seit 2006 allerdings auf einem Bauhof in Hersel, weil er dem Bau des WCCB im Weg stand und abtransportiert werden musste.
Es fing an mit einem Obstwagen
Das war möglich, weil das Grundstück der Stadt gehörte. Jürgen Rausch versucht seitdem, es wieder aufzustellen. Bis das klappt, betreibt der Kiosk-Inhaber auf der anderen Straßenseite vom ursprünglichen Standort seines „Büdchens“. Im Rahmen der Bemühungen hat er unter anderem einen Förderverein gegründet, der hinter dem Bauprojekt steht. Mittlerweile ist dort, wo einst das Büdchen war, die Eingangstür von Konrad’s Skybar im Mariott-Hotel.
Die Geschichte des Bundesbüdchens nahm seinen Anfang in der Nachkriegszeit mit Jürgen Rauschs Mutter. „Die hat eine Menge durchgemacht“, erinnert er sich. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland (heute Tschechien) vertrieben und hielt sich mit einem Obstwagen an der Pädagogischen Akademie über Wasser. „Die Kunden haben sie immer gebeten, das Angebot zu erweitern und so hat meine Mutter immer mehr Sachen verkauft.“
Prominente Kunden an der Theke
Und dann wurde man an höchster Stelle auf Frau Rausch aufmerksam. Wie ihr Sohn berichtet, bat sie der damalige Direktor der Bundestagsverwaltung, Hans Trossmann, ein Büdchen zu errichten. So geschah es auch; im Jahre 1984 übernahm dann Jürgen Rausch den Kiosk. An die Prominenz an der Theke musste er sich erstmal gewöhnen. „Ich musste lernen, dass die meisten Leute nicht zum Quatschen kamen, sondern einfach nur ihre Zeitung wollten“.
Manche Kunden wollten sie sehr dringend: „Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff kam während des Flickprozesses immer pünktlich um halb sechs in der Früh, um zu lesen, was die Zeitungen schrieben. Manchmal hat er mir auch beim Einräumen geholfen, um sie schneller lesen zu können“. Danach sei er dann weiter zum Bonner Landgericht gefahren. Am Ende wurde Graf Lambsdorff zu 180 000 Mark Strafe verurteilt, aber vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen. Auch leichtere Literatur war im Angebot: „Joschka Fischer von den Grünen hat sich hier immer seine Asterix-Hefte geholt,“ erinnert sich Rausch – zum Unmut von Rauschs Dackel, der den Grünen-Politiker immer angebellt habe.
„Wenn es dieses Jahr mit dem Neubau nichts wird, werde ich wahnsinnig. Aber es sieht ganz gut aus“, erklärt Rausch. Eigentlich habe man bis letzten Mai fertig werden wollen. Hindernisse seien vor allem die zahlreichen Gutachten gewesen, die für den Bau benötigt werden. „Ist wahrscheinlich auch richtig so“, erklärt Rausch resigniert. Die 13-jährige Odyssee könnte bald ein Ende finden: Alle nötigen Genehmigungen liegen vor. (soe)